Teichmüllerkurven

Teichmüllerkurven

Modellansatz 042
48 Minuten
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Beschreibung

vor 9 Jahren
Jonathan Zachhuber war zum 12. Weihnachtsworkshop zur Geometrie und
Zahlentheorie zurück an seine Alma Mater nach Karlsruhe gekommen
und sprach mit Gudrun Thäter über Teichmüllerkurven.

Kurven sind zunächst sehr elementare ein-dimensionale
mathematische Gebilde, die über den komplexen Zahlen gleich viel
reichhaltiger erscheinen, da sie im Sinne der Funktionentheorie
als Riemannsche Fläche verstanden werden können und manchmal
faszinierende topologische Eigenschaften besitzen.


Ein wichtiges Konzept ist dabei das Verkleben von Flächen. Aus
einem Rechteck kann man durch Verkleben der gegenüberliegenden
Seiten zu einem Torus gelangen (Animation von Kieff zum
Verkleben, veröffentlicht als Public Domain):


Polynome in mehreren Variablen bieten eine interessante Art
Kurven als Nullstellenmengen zu beschreiben: Die
Nullstellen-Menge des Polynoms ergibt über den reellen Zahlen den
Einheitskreis. Durch Ändern von Koeffizienten kann man die Kurve
verformen, und so ist die Nullstellenmenge von eine Ellipse. Über
den komplexen Zahlen können diese einfachen Kurven dann aber auch
als Mannigfaltigkeiten interpretiert werden, die über Karten und
Atlanten beschrieben werden können. Das ist so wie bei einer
Straßenkarte, mit der wir uns lokal gut orientieren können. Im
Umland oder anderen Städten braucht man weitere Karten, und alle
Karten zusammen ergeben bei vollständiger Abdeckung den
Straßenatlas.


Auch wenn die entstehenden abstrakten Beschreibungen nicht immer
anschaulich sind, so erleichtern die komplexen Zahlen den Umgang
mit Polynomen in einem ganz wichtigen Punkt: Der Fundamentalsatz
der Algebra besagt, dass der Grad des Polynoms gleich der Anzahl
der Nullstellen in ihrer Vielfachheit ist. Also hat nun jedes
nichtkonstante Polynom mindestens eine Nullstelle, und über den
Grad des Polynoms wissen wir, wie viele Punkte sich in der
Nullstellenmenge bewegen können, wenn wir an den Koeffizienten
Veränderungen vornehmen.


Eine gute Methode die entstehenden Flächen zu charakterisieren
ist die Bestimmung möglicher geschlossener Kurven, und so gibt es
beim Torus beispielsweise zwei unterschiedliche geschlossene
Kurven. Die so enstehende Fundamentalgruppe bleibt unter
einfachen Deformationen der Flächen erhalten, und ist daher eine
Invariante, die hilft die Fläche topologisch zu beschreiben. Eine
weitere wichtige topologische Invariante ist das Geschlecht der
Fläche.


Die Teichmüllerkurven entstehen nun z.B. durch das Verändern von
einem Koeffizienten in den Polynomen, die uns durch
Nullstellenmengen Kurven beschreiben- sie sind sozusagen Kurven
von Kurven. Die entstehenden Strukturen kann man als Modulraum
beschreiben, und so diesen Konstruktionen einen Parameterraum mit
geometrischer Struktur zuordnen. Speziell entstehen Punkte auf
Teichmüllerkurven gerade beim Verkleben von gegenüberliegenden
parallelen Kanten eines Polygons; durch Scherung erhält man eine
Familie von Kurven, die in seltenen Fällen selbst eine Kurve ist.
Ein Beispiel ist das Rechteck, das durch Verkleben zu einem Torus
wird, aber durch Scherung um ganz spezielle Faktoren zu einem
ganz anderen Ergebnis führen kann.


Die durch Verklebung entstandenen Flächen kann man als
Translationsflächen in den Griff bekommen. Hier liefert die
Translationssymmetrie die Methode um äquivalente Punkte zu
identifizieren. Für die weitere Analyse werden dann auch
Differentialformen eingesetzt. Translationen sind aber nur ein
Beispiel für mögliche Symmetrien, denn auch Rotationen können
Symmetrien erzeugen. Da die Multiplikation in den komplexen
Zahlen auch als Drehstreckung verstanden werden kann, sind hier
Rotationen als komplexe Isomorphismen ganz natürlich, und das
findet man auch in den Einheitswurzeln wieder.
Literatur und Zusatzinformationen

A. Zorich: Flat Surfaces, Frontiers in Number Theory, Physics
and Geometry, On Random Matrices, Zeta Functions, and Dynamical
Systems, Ed. by P. Cartier, B. Julia, P. Moussa, and P. Vanhove.
Vol. 1. Berlin: pp. 439–586, Springer-Verlag, 2006.

M. Möller: Teichmüller Curves, Mainly from the Viewpoint of
Algebraic Geometry, IAS/Park City Mathematics Series, 2011.

J. Zachhuber: Avoidance of by Teichmüller Curves in a Stratum
of , Diplomarbeit an der Fakultät für Mathematik am Karlsruher
Institut für Technologie (KIT), 2013.

C. McMullen: Billiards and Teichmüller curves on Hilbert
modular surfaces, Journal of the AMS 16.4, pp. 857–885, 2003.

C. McMullen: Prym varieties and Teichmüller curves, Duke
Math. J. 133.3, pp. 569–590, 2006.

C. McMullen: Dynamics of SL(2,R) over moduli space in genus
two, Ann. of Math. (2) 165, no. 2, 397–456, 2007.

Weitere Paper von C. McMullen, u.a. The mathematical work of
Maryam Mirzakhani

Podcast: Modellansatz 040: Topologie mit Prof. Dr. Wolfgang
Lück

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