Metallschaum

Metallschaum

Modellansatz 037
1 Stunde 39 Minuten
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Beschreibung

vor 10 Jahren
In den Materialwissenschaften ist man immer auf der Suche nach
neuen Werkstoffen und Materialien. Sehr vielversprechend sind dabei
Metallschäume, dessen Wärmeleitungseigenschaften Anastasia August
am Institut für angewandte Materialien erforscht und über die sie
uns im Gespräch mit Sebastian Ritterbusch erzählt.

Zu den besonderen Eigenschaften von Metallschäumen gehören unter
anderem die große Oberfläche bzw. Grenzfläche im Verhältnis zum
Volumen wie bei Lungenbläschen und die hohe
Wärmeleitungsfähigkeit im Verhältnis zum Gewicht. Gleichzeitig
können Metallschäume mit Luft oder anderen Materialien wie
Paraffin gefüllt werden, um besondere Eigenschaften zu erhalten.
Neben Bierschaum ist auch der Badeschaum eine Möglichkeit Schäume
mit ihrem außergewöhnlichem Verhalten kennenzulernen. Das
geschäumte Materialgemisch erhält dabei aber typischerweise nicht
durchschnittliche Materialeigenschaften, sondern es können
Eigenschaften der einzelnen Materialien teilweise kombiniert
werden; z.B. erhält ein Metall-Paraffinschaum eine recht hohe
Wärmeleitfähigkeit vom Metall gepaart mit einer hohen
Wärmekapazität und vor Allem mit einem günstigen Schmelzpunkt
(45-80°C) vom Paraffin und ist damit ein sehr effizienter
Latentwärmespeicher.


In der Natur finden sich Schaumstrukturen zum Beispiel in
Knochen, die bei hoher Stabilität ein deutlich geringeres Gewicht
als ein massives Material haben. Aber auch für Knochenimplantate
sind Metallschäume aus Titan durch die hohe Stabilität bei
geringem Gewicht und guter Verträglichkeit sehr interessant.


Problematisch ist für den Einsatz von Metallschäumen, dass noch
viele quantitative Messgrößen fehlen, die Herstellung noch recht
teuer ist, und insbesondere nur in kleinen Größen produziert
werden kann. Als Unterscheidungsmerkmal hat sich neben der
Unterscheidung in offen oder geschlossen porigen Schaum die
ppi-Zahl als Maß für die Porendichte etabliert, dabei zählt man
die Poren pro Inch (Zoll, entspricht 2,54 cm). Dazu erfasst man
auch die mittlere Porengröße (Durchmesser), ihre
Standardabweichung, die Porosität, die mittlere Stegdicke und
deren Form. Weiterhin können sich Größen in verschiedenen
Richtungen im Material unterscheiden, und dadurch merklich deren
Eigenschaften verändern.


Für die Herstellung von Metallschäumen gibt es unterschiedliche
Verfahren: Zwei typische Vertreter sind das Pressen mit dem
anschließenden Schmelzen von gemischtem Metall- und
Metallhybridpulvern für geschlossen porige feste Schäume oder
Gießverfahren, wo der Metallschaum für offen porige Materialien
durch keramische Negativabbildungen von Polyurethan-Schäumen
nachempfunden wird.


Schon früh waren Schäume als möglichst dichte Packungen ein
Forschungsfeld in der Mathematik. Im Jahr 1994 haben
Weaire-Phelan eine noch optimalere regelmäßige Schaumstruktur
veröffentlicht, die in der Architektur des zu den olympischen
Sommerspielen 2008 in Peking errichteten Nationalen
Schwimmzentrums verewigt wurde. Das ebenfalls zu den
Sommerspielen errichtete Vogelnest hat im Gegenteil eine
zufälligere Struktur.


Lange hatte man keine verlässlichen Aussagen über die
Wärmeleitfähigkeit von Metallschäumen. Bei einer Leitfähigkeit
von etwa 200 W/(mK) von Aluminium erreicht ein Metallschaum
Leitfähigkeiten zwischen 5-13 W/(mK) während man bei Luft von
einer Leitfähigkeit von etwa 0.025 W/(mK) ausgehen kann. Außerdem
haben Metallschäume einen hohen Oberflächenanteil, dies
bezeichnet die vorhandene Oberfläche im Verhältnis zum Volumen.
Während ein voller Metallwürfel ein Verhältnis von etwa hat, kann
ein Schaum ein Verhältnis von bis zu erreichen.


Eine interessante Fragestellung ist auch, ab welcher Porengröße
die natürliche Konvektion in mit Luft gefüllten Metallschäumen
eine Rolle gegenüber der Wärmeleitung spielt. Die relevante Größe
ist hier die Rayleigh-Zahl, die für Metallschäume typischer
Porengrößen ergibt, dass die natürliche Konvektion zu
vernachlässigen ist.


Für die Simulation wird der komplette Raum des Metallschaums
diskretisiert, und es gibt eine Funktion, die als
Indikatorfunktion anzeigt, ob an diesem Punkt Metall oder Luft
vorliegt. Hier können sowohl aus an der Hochschule Pforzheim
durchgeführten Schnitten rekonstruierte Schaumstrukturen
abgebildet werden, aber auch künstlich mit Algorithmen erzeugte
Schäume für die Simulation abgebildet werden. Bei der künstlichen
Erzeugung von Schäumen ist die Voronoi-Zerlegung ein wichtiger
Algorithmus zur Bestimmung der Poren.


Den eigentlichen Wärmetransport im Metallschaum wird durch die
Wärmeleitungsgleichung modelliert. Sie leitet sich aus dem
Energieerhaltungssatz und dem Fourierschen Satz ab. Dieses Modell
stimmt aber in dieser Form nur für homogene Materialien mit
konstantem Koeffizienten . Daher müssen die Sprünge in
Materialeigenschaften (etwas im Übergang Luft-Metall) zusätzlich
berücksichtigt werden. Dies kann über die Phasenfeldmethode
realisiert werden, wo eine künstliche, diffuse Übergangsschicht
zwischen den Materialien eingeführt wird. Dies ist im Prinzip
eine Art von Mollifikation, wo ein Sprung durch eine glatte
monotone Funktion angenähert wird. Wenn dies zusätzlich mit der
Berücksichtung der anisotropen Eigenschaften der Übergangsschicht
ergänzt wird, erhält man eine Basis für die in PACE 3D
implementierte Simulationsmethode, die mit verschiedenen
analytischen Ergebnissen und kommerziellen Softwareprodukten
erfolgreich validiert werden konnte.


Die Phasenfeldmethode und die Software Pace3D stammt ursprünglich
aus der Simulation von Erstarrungs- und Schmelzvorgängen auf der
Mikrometerskala. Metalle erstarren in Form von sogenannten
Dendriten. Das sind Kristalle, die eine gewisse Ähnlichkeit mit
Schneeflocken aufweisen.


Eine interessante Anwendung von Metallschäumen bietet das mutige
Silent Power PC Projekt, in dem ein Metallschaum den einen
Rechner effizient kühlen soll. Aus den bisherigen Erkenntnissen
der Arbeitsgruppe ist anzunehmen, dass ein Großteil der
Kühlleistung in einem solchen System auf der Wärmeleitung liegt -
für einen Einfluss der natürlichen Konvektion scheint die
Porengröße zu klein zu sein.


Die Faszination für Wissenschaft inspiriert Anastasia August
nicht nur in der Forschung, sondern sie demonstriert sie auch auf
Science Slams und im FameLab. Sie hielt dort Vorträge über ihr
Forschungsgebiet und auch über das sehr unterschätzte Thema der
Stetigkeit und die Anwendung auf Temperaturen auf der Erdkugel.
Mit dem Vortrag auf dem Science Slam Vorentscheid in Esslingen zu
Metallschäumen hat sie sich für die Meisterschaft am 6. Dezember
qualifiziert.

Literatur und Zusatzinformationen

A. August, B. Nestler, F. Wendler, M. Selzer, A. Kneer, E.
Martens: Efficiency Study of Metal Foams for Heat Storage and
Heat Exchange, CELLMAT 2010 Dresden Conference Proceedings,
148-151, 2010, Fraunhofer IFAM Dresden, 2010.

A. August, B. Nestler, A. Kneer, F. Wendler, M. Rölle, M.
Selzer: Offenporige metallische Schäume, Werkstoffe in der
Fertigung, Ausgabe 6/ November 2011, S. 45-46, 2011.

M. Rölle, A. August, M. Selzer, B. Nestler: Generierung
offenporiger metallischer Schaumstrukturen zur Simulation der
Wärmeübertragungseigenschaften, Forschung aktuell 2011, 21-23
Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, S. 21-23, 2011.

A. Vondrous, B. Nestler, A. August, E. Wesner, A. Choudhury,
J. Hötzer: Metallic foam structures, dendrites and implementation
optimizations for phase-field modelling, High Performance
Computing in Science and Engineering, Transactions of the High
Performance Computing Center, Stuttgart (HLRS), Pages 595-605,
2011.

E. Wesner, A. August, B. Nestler: Metallische Schneeflocken,
horizonte, Nr. 43, März 2014.

J. Ettrich, A. Choudhury, O. Tschukin, E. Schoof, A. August,
B. Nestler: Modelling of Transient Heat Conduction with Diffuse
Interface Methods, Modelling and Simulation in Materials Science
and Engineering, 2014.

J. Ettrich, A. August, B. Nestler: Open Cell Metal Foams:
Measurement and Numerical Modelling of Fluid Flow and Heat
Transfer, CELLMAT 2014 Dresden Conference Proceedings, 2014.

J. Ettrich, A. August, M. Rölle, B. Nestler: Digital
Representation of Complex Cellular Sructures for Numerical
Simulations, CELLMAT 2014 Dresden Conference Proceedings, 2014.

Forschungsgruppen am KIT-ZBS

Institute of Materials and Processes an der Hochschule
Karlsruhe - Technik und Wirtschaft

Das Institut für Werkstoffe und Werkstofftechnologien (IWWT)
an der Hochschule Pforzheim

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