Fraktale Geometrie

Fraktale Geometrie

Modellansatz 120
1 Stunde 4 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Steffen Winter befasst sich mit fraktaler Geometrie, also mit
Mengen, deren Dimension nicht ganzahllig ist. Einen intuitiven
Zugang zum Konzept der Dimension bieten Skalierungseigenschaften.
Ein einfaches Beispiel, wie das funktioniert, ist das folgende:
Wenn man die Seiten eines Würfels halbiert, reduziert sich das
Volumen auf ein Achtel (ein Halb hoch 3). Bei einem Quadrat führt
die Halbierung der Seitenlänge zu einem Viertel (ein Halb hoch 2)
des ursprünglichen Flächeninhalts und die Halbierung einer
Strecke führt offenbar auf eine halb so lange Strecke (ein Halb
hoch 1). Hier sieht man sehr schnell, dass die uns vertraute
Dimension, nämlich 3 für den Würfel (und andere Körper), 2 für
das Quadrat (und andere Flächen) und 1 für Strecken (und z.B.
Kurven) in die Skalierung des zugehörigen Maßes als Potenz
eingeht.


Mengen, bei denen diese Potenz nicht ganzzahlig ist, ergeben sich
recht ästhetisch und intuitiv, wenn man mit selbstähnlichen
Konstruktionen arbeitet. Ein Beispiel ist der Sierpinski-Teppich.
Er entsteht in einem iterativen Prozess des fortgesetzten
Ausschneidens aus einem Quadrat, hat aber selbst den
Flächeninhalt 0. Hier erkennt man durch die Konstruktion, dass
die Skalierung ln 8/ln 3 ist, also kein ganzzahliger Wert sondern
eine Zahl echt zwischen 1 und 2.


Tatsächlich sind das Messen von Längen, Flächen und Volumina
schon sehr alte und insofern klassische Probleme und auch die
Defizite der beispielsweise in der Schule vermittelten Formeln
beim Versuch, sie für Mengen wie den Sierpinski-Teppich
anzuwenden, werden schon seit etwa 100 Jahren mit verschiedenen
angepassten Maß- und Dimensionskonzepten behoben. Ein
Dimensionsbegriff, der ganz ohne die Hilfe der Selbstähnlichkeit
auskommt, wurde von Felix Hausdorff vorgeschlagen und heißt
deshalb heute Hausdorff-Dimension. Hier werden Überdeckungen der
zu untersuchenden Menge mit (volldimensionalen) Kugeln mit nach
oben beschränktem (aber ansonsten beliebigem) Durchmesser
angeschaut. Die Durchmesser der Kugeln werden zu einer Potenz s
erhoben und aufsummiert. Man sucht unter allen Überdeckungen
diejenigen, bei denen sich so die kleinste Durchmessersumme
ergibt. Nun lässt man den maximal zulässigen Durchmesser immer
kleiner werden. Die Hausdorff-Dimension ergibt sich als die
kleinstmögliche Potenz s, für die diese minimalen
Durchmessersummen gerade noch endlich bleiben.


Ein verwandter aber nicht identischer Dimensionsbegriff ist die
sogenannte Box-Dimension. Für hinreichend gutartige Mengen
stimmen Hausdorff- und Box-Dimension überein, aber man kann zum
Beispiel Cantormengen konstruieren, deren Dimensionen verschieden
sind. Für die Box-Dimension kann der Fall eintreten, dass die
Vereinigung abzählbar vieler Mengen der Dimension 0 zu einer
Menge mit Dimension echt größer als 0 führt, was im Kontext von
klassischen Dimensionen (und auch für die Hausdorff-Dimension)
unmöglich ist und folglich eher als Hinweis zu werten ist, mit
der Box-Dimension sehr vorsichtig zu arbeiten. Tatsächlich gibt
es weitere Konzepte fraktale Dimensionen zu definieren.


Interessant ist der Fakt, dass erst der Physiker und Mathematiker
Benoit Mandelbrot seit Ende der 1960er Jahre eine intensivere
Beschäftigung mit solchen Konzepten angestoßen hat. Er hatte in
vielen physikalischen Phänomenen das Prinzip der
Selbstähnlichkeit beobachtet - etwa dass sich Strukturen auf
verschiedenen Größenskalen wiederholen. Wenn man z.B. ein Foto
von einem Felsen macht und dazu keine Skala weiß, kann man nicht
sagen, ob es sich um einen Stein, einen Ausschnitt aus einem
mikroskopischen Bild oder um ein Kletterfelsen von 500m Höhe oder
mehr handelt. Durch den Einzug von Computern an jedem
Arbeitsplatz und später auch in jedem Haushalt (und den
Kinderzimmern) wurde die Visualisierung solcher Mengen für jeden
und jede sehr einfach möglich und führte zu einem regelrechten
populärwissenschaftlichen Boom des Themas Fraktale.


Schwierige offene Fragen im Kontext solcher fraktalen Mengen sind
z.B., wie man Begriffe wie Oberflächeninhalt oder Krümmung
sinnvoll auf fraktale Strukturen überträgt und dort nutzt, oder
wie die Wärmeausbreitung und die elektrische Leitfähigkeit in
solchen fraktalen Objekten beschrieben werden kann.
Literatur und weiterführende Informationen

B. Mandelbrot: Die fraktale Geometrie der Natur,
Springer-Verlag, 2013.

S. Winter: Curvature measures and fractals, Diss. Math. 453,
1-66, 2008.

K. Falconer: Fractal geometry, mathematical foundations and
applications, John Wiley & Sons, 2004.

Podcasts

P. Kraft: Julia Sets, Gespräch mit G. Thäter im Modellansatz
Podcast, Folge 119, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut
für Technologie (KIT), 2016. http://modellansatz.de/julia-sets

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