Was sollen unsere Kinder lernen? Und wie? (Christiane Spiel)
47 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Die Pandemie hat unser Schulsystem vor gewaltige
Herausforderungen gestellt. In einer ersten Bilanz zeichnet die
renommierte Bildungsforscherin Christiane Spiel ein
durchwachsenes Bild. In mehreren Erhebungen hat sie die
Auswirkungen der Lockdown-Phasen auf Schüler, Lehrer und Eltern
untersucht: „Am Anfang hat es alle furchtbar getroffen: Wie
strukturiere ich meinen Tag? Wie teile ich den Stoff ein? Wie
kann ich fragen stellen? Aber die große Mehrheit der Schüler
sagt, dass sie sich mit der Zeit arrangiert haben und auch besser
gelernt haben, mit den digitalen Hilfsmitteln umzugehen“, erzählt
Spiel im Podcast-Gespräch über Bildung, Schule und Pandemie. Was
sind die Auswirkungen? Und wie kann es jetzt weitergehen?
Erstaunlich: Im Schnitt haben die befragten Schüler schon im
zweiten Lockdown bis zu sieben Stunden täglich ins Lernen
investiert. „Also schon wirklich viel“, sagt Spiel, die das Feld
der Bildungspsychologie begründet hat. Die durchaus positiven
Ergebnisse ihrer Studien muss man aber mit einer Einschränkung
betrachten: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Verlierer der
Pandemie nur gering vertreten sind, weil sie gar nicht erst
teilgenommen haben. Wir wissen aber aus vielen Berichten der
Lehrpersonen: Es gibt eine Gruppe, die aus dem Lernen
herausgefallen ist. Und das sind diejenigen, denen es vorher auch
nicht so gut gegangen ist.“
Die Bilanz der Uni-Professorin fällt daher ernüchternd aus: „Man
muss einfach sagen: Das österreichische Bildungssystem hat es
schon vor der Pandemie nicht geschafft, Chancengerechtigkeit
herzustellen. Das ist bekannt, das wissen wir. Und in der
Pandemie hat sich das verstärkt. Wenn die Eltern zum Beispiel gar
nicht Deutsch können, werden sie den Kindern auch weniger
geholfen haben. Die Pandemie hat alle Problemfelder aufgedeckt
und die Heterogenität nochmal vergrößert.“
Was jetzt zu tun ist? „Diese Kinder wieder zurückzuholen, das ist
enorm schwer. Oft sagen die: Lernen ist blöd, Schule ist blöd,
ich brauche das nicht. Denen muss man jetzt erst recht zeigen: Du
kannst es schaffen!“
Um die Lücken zu füllen, die die Lockdowns und das Home Schooling
in die Lernbiografien vieler Kinder gerissen haben, müsse man auf
individueller Ebene ansetzen, sagt Spiel. „Die Schule hat die
Herausforderung als Gesamtsystem gut gemeistert. Man muss auch
die Dinge sehen, die gut gelaufen sind. Aber wir müssen jetzt den
Sommer nutzen, um uns auf den Herbst vorzubereiten. Wir müssen
die Erfahrungen aufbereiten und diejenigen unterstützen, die
Probleme haben.“
Und dann geht es um die ganz großen Themen. Um die Frage, was
Schule im 21. Jahrhundert leisten soll, wie Eltern und Lehrer
sich verhalten müssen, wie der Lehrplan aussieht für eine
digitale, globale Welt. „In einer Welt, die so komplex ist,
brauchen wir Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, die
hinausgehen und Selbsvertrauen haben. Die Schule sollte nicht
nach Fehlern suchen - sondern nach Stärken. Wir können es uns als
Gesellschaft nicht leisten, so viele aus dem Schulsystem zu
entlassen, die eigentlich nicht fähig sind, eine Ausbildung oder
einen Job zu bekommen.“
Zur Person: Christiane Spiel gilt als Begründerin der
Bildungspsychologie und Trägerin vieler Preise und
Auszeichnungen. Sie ist Universitätsprofessorin für
Bildungspsychologie und Evaluation am Institut für Psychologie
der Entwicklung und Bildung an der Universität Wien. Ihre
Forschungsschwerpunkte: Lebenslanges Lernen, Selbstorganisation,
Bildungsmotivation, Lernen mit digitalen Medien,
Gewaltprävention, Integration in multikulturellen Schulen und
Geschlechtsstereotype in der Bildungssozialisation
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