Sprechstunde mit Bodo Wartke
Klavierkabarettist, Gast in der Sprechstunde am 25.09.2017
50 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 7 Jahren
Zwei Studiengänge abbrechen und trotzdem was werden? Bodo Wartke
hat das geschafft. Obwohl er, oder gerade weil er seinem Herzen
gefolgt ist? Das besprechen wir mit unserem Gast,
Klavierkabarettist Bodo Wartke.
Gut gelaunt betritt Bodo Wartke die Garderobe. „Ich bin Bodo“,
stellt er sich vor und entschuldigt sich gleich für die
akustischen Verhältnisse in der mit kahlen Wänden
ausgestatteten Garderobe des Musiktheaters in Gelsenkirchen.
Sein Tourmanager hat an alles gedacht und Handtücher
mitgebracht, sodass wenigstens der große Spiegel abgehängt
werden kann. Eine Stunde haben wir Zeit für das Interview
mit Bodo Wartke, der inzwischen große Säle bespielt und einen
dementsprechend getakteten Auftrittsplan hat.
"Wer mich in eine Schublade stecken will, braucht inzwischen
eine Kommode."
Mitte Oktober spielt er an fünf Tagen fünf Auftritte, dabei
vier verschiedene Programme: Sein aktuelles
Klavierkabarettprogramm 'Was, wenn doch?', seine Adaption der
antiken griechischen Tragödie 'König Ödipus', sein
Bigband-Programm 'Swingende Notwendigkeiten' und sein letztes
Klavierkabarettprogramm 'Klaviersdelikte'. „Wer mich in
eine Schublade stecken will, braucht inzwischen eine Kommode“,
sagt Bodo Wartke.
Früher war die Schublade schnell beschriftet. Er war der
lustige, freche Typ am Klavier, der vor allem mit Wortwitz und
schnellen Reimen sein Publikum zum Lachen gebracht hat und ab
und zu ein Liebeslied sang. Gesellschaftskritik und die ganz
großen Visionen fanden allenfalls zwischen den Zeilen
statt.„Ich habe mir anfangs nicht zugetraut, auch ernste Lieder
zu singen“, sagt Bodo. „Ich dachte: Lustige Lieder ist leicht,
so locker flockig. Bis ich dann den Mut gefasst habe, auch
ernste Lieder zu schreiben und gemerkt habe: Auch das steht mir
ganz gut zu Gesicht, und berührt die Leute noch ganz anders.“
„Es wird davon geredet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Da denke
ich immer: Wovor fliehen denn die Menschen? Vor Krieg. Womit
wird Krieg geführt? Mit Waffen! Wo kommen die her? Hmm?!“
Sein aktuellstes Lied (1,3 Millionen Aufrufe auf
Facebook) kommt ohne doppelten Boden und locker flockige Ironie
aus.
„Ich hab den Eindruck, dass das, was die ganze Welt
bislang in ihrem Innersten zusammenhält,
wenn wir nicht aufpassen auseinanderfällt,
wie bei einem Erdbeben“,
singt er da, und beschreibt dann detailliert seine
Vorstellung von der Gesellschaft. In einem Satz
zusammengefasst:
„Im Land in dem ich leben will, herrscht Demokratie.
Und statt skrupellosem Kapitalismus
Gemeinwohlökonomie.“
„Das Lied ist zum Einen eine Wertschätzung, weil vieles,
was ich mir wünsche in unserem Land bereits der Fall ist.
Meinungsfreiheit, zum Beispiel. Gewaltenteilung. Demokratie.
Das ist nicht selbstverständlich, das sind Dinge, um die
jahrhundertelang gekämpft wurde. Gleichzeitig gibt es aber
natürlich auch Dinge, die anzukreiden sind. Die kommen genauso
gut in diesem Lied zur Sprache.“
Vor allem für Umweltschutz werde zu wenig getan, dass der
Hambacher Forst abgeholzt wird, und niemand darüber redet, sei
ein Skandal. Genauso, dass Deutschland Waffen an andere
Länder verkauft.
„Es wird davon geredet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Da
denke ich immer: Wovor fliehen denn die Menschen? Vor Krieg.
Womit wird Krieg geführt? Mit Waffen! Wo kommen die her? Hmm?!“
Dass Bodo Wartke seine politische Seite erst vor kurzem
entdeckt hat kann aber niemand behaupten. Bei den
Studentenprotesten Ende der Neunzigerjahre schrieb der Lieder
gegen Studiengebühren. „Das stieß auf sehr großen Anklang. Ich
hab das gesungen auf den Abschlusskundgebungen auf dem
Alexanderplatz, auf dem Wittenbergplatz vor zehntausenden von
Studenten. Da merkte ich: Hier liegt mein Talent, und auch
meine Leidenschaft und auch meine Wirksamkeit. Im Studium saß
ich halt in Vorlesungen für theoretische Physik und hab gar
nichts verstanden und stattdessen Gedichte geschrieben, die ich
dann abends auf der Bühne vorgetragen habe.“
„Irgendwann hat mein Körper dann gesagt: Das kannste gerne so
weiter machen, aber ohne mich, ich bin raus.“
Nach weiteren Bühnenerfahrungen gab es für ihn keinen Weg
zurück ins Physikstudium. Fast hätte er angefangen,
Medizin zu studieren, doch auch darauf verzichtete er zugunsten
der Kunst, obwohl einige Vorlesungen besuchte und bis heute den
Unterschied zwischen polarisierender und depolarisierender
Muskelrelaxanz kennt.
Stattdessen fing er an, Musik auf Lehramt zu studieren, um das,
was er ohnehin schon auf der Bühne machte – Klavier spielen und
singen - besser zu lernen. Zehn Semester hielt er durch,
jonglierte Studium und Bühnenauftritte, doch eine
Sehnenscheidenentzündung zwang ihn, sich zu entscheiden:
Studium oder Bühne? „Irgendwann hat mein Körper dann gesagt:
Das kannste gerne so weiter machen, aber ohne mich, ich bin
raus.“
Bodo Wartke entschied sich für seine Leidenschaft, die Kunst,
die Bühne.
Vielleicht hat sich der Kreis inzwischen geschlossen. Wie schon
zu seinen Anfangszeiten bei Studentenprotesten kämpft Bodo
Wartke in seinen Liedern heute wieder für gesellschaftlichen
Wandel, etwa das bedingungslose Grundeinkommen. Utopisch sagen
die einen. Aber warum nicht mal ausprobieren, sagt Bodo Wartke:
„Ich finde es wichtig, die Möglichkeit des Gelingens in
Betracht zu ziehen – denn sie ist eine von zwei Möglichkeiten.“
Artikel: Marco Stoever
hat das geschafft. Obwohl er, oder gerade weil er seinem Herzen
gefolgt ist? Das besprechen wir mit unserem Gast,
Klavierkabarettist Bodo Wartke.
Gut gelaunt betritt Bodo Wartke die Garderobe. „Ich bin Bodo“,
stellt er sich vor und entschuldigt sich gleich für die
akustischen Verhältnisse in der mit kahlen Wänden
ausgestatteten Garderobe des Musiktheaters in Gelsenkirchen.
Sein Tourmanager hat an alles gedacht und Handtücher
mitgebracht, sodass wenigstens der große Spiegel abgehängt
werden kann. Eine Stunde haben wir Zeit für das Interview
mit Bodo Wartke, der inzwischen große Säle bespielt und einen
dementsprechend getakteten Auftrittsplan hat.
"Wer mich in eine Schublade stecken will, braucht inzwischen
eine Kommode."
Mitte Oktober spielt er an fünf Tagen fünf Auftritte, dabei
vier verschiedene Programme: Sein aktuelles
Klavierkabarettprogramm 'Was, wenn doch?', seine Adaption der
antiken griechischen Tragödie 'König Ödipus', sein
Bigband-Programm 'Swingende Notwendigkeiten' und sein letztes
Klavierkabarettprogramm 'Klaviersdelikte'. „Wer mich in
eine Schublade stecken will, braucht inzwischen eine Kommode“,
sagt Bodo Wartke.
Früher war die Schublade schnell beschriftet. Er war der
lustige, freche Typ am Klavier, der vor allem mit Wortwitz und
schnellen Reimen sein Publikum zum Lachen gebracht hat und ab
und zu ein Liebeslied sang. Gesellschaftskritik und die ganz
großen Visionen fanden allenfalls zwischen den Zeilen
statt.„Ich habe mir anfangs nicht zugetraut, auch ernste Lieder
zu singen“, sagt Bodo. „Ich dachte: Lustige Lieder ist leicht,
so locker flockig. Bis ich dann den Mut gefasst habe, auch
ernste Lieder zu schreiben und gemerkt habe: Auch das steht mir
ganz gut zu Gesicht, und berührt die Leute noch ganz anders.“
„Es wird davon geredet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Da denke
ich immer: Wovor fliehen denn die Menschen? Vor Krieg. Womit
wird Krieg geführt? Mit Waffen! Wo kommen die her? Hmm?!“
Sein aktuellstes Lied (1,3 Millionen Aufrufe auf
Facebook) kommt ohne doppelten Boden und locker flockige Ironie
aus.
„Ich hab den Eindruck, dass das, was die ganze Welt
bislang in ihrem Innersten zusammenhält,
wenn wir nicht aufpassen auseinanderfällt,
wie bei einem Erdbeben“,
singt er da, und beschreibt dann detailliert seine
Vorstellung von der Gesellschaft. In einem Satz
zusammengefasst:
„Im Land in dem ich leben will, herrscht Demokratie.
Und statt skrupellosem Kapitalismus
Gemeinwohlökonomie.“
„Das Lied ist zum Einen eine Wertschätzung, weil vieles,
was ich mir wünsche in unserem Land bereits der Fall ist.
Meinungsfreiheit, zum Beispiel. Gewaltenteilung. Demokratie.
Das ist nicht selbstverständlich, das sind Dinge, um die
jahrhundertelang gekämpft wurde. Gleichzeitig gibt es aber
natürlich auch Dinge, die anzukreiden sind. Die kommen genauso
gut in diesem Lied zur Sprache.“
Vor allem für Umweltschutz werde zu wenig getan, dass der
Hambacher Forst abgeholzt wird, und niemand darüber redet, sei
ein Skandal. Genauso, dass Deutschland Waffen an andere
Länder verkauft.
„Es wird davon geredet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Da
denke ich immer: Wovor fliehen denn die Menschen? Vor Krieg.
Womit wird Krieg geführt? Mit Waffen! Wo kommen die her? Hmm?!“
Dass Bodo Wartke seine politische Seite erst vor kurzem
entdeckt hat kann aber niemand behaupten. Bei den
Studentenprotesten Ende der Neunzigerjahre schrieb der Lieder
gegen Studiengebühren. „Das stieß auf sehr großen Anklang. Ich
hab das gesungen auf den Abschlusskundgebungen auf dem
Alexanderplatz, auf dem Wittenbergplatz vor zehntausenden von
Studenten. Da merkte ich: Hier liegt mein Talent, und auch
meine Leidenschaft und auch meine Wirksamkeit. Im Studium saß
ich halt in Vorlesungen für theoretische Physik und hab gar
nichts verstanden und stattdessen Gedichte geschrieben, die ich
dann abends auf der Bühne vorgetragen habe.“
„Irgendwann hat mein Körper dann gesagt: Das kannste gerne so
weiter machen, aber ohne mich, ich bin raus.“
Nach weiteren Bühnenerfahrungen gab es für ihn keinen Weg
zurück ins Physikstudium. Fast hätte er angefangen,
Medizin zu studieren, doch auch darauf verzichtete er zugunsten
der Kunst, obwohl einige Vorlesungen besuchte und bis heute den
Unterschied zwischen polarisierender und depolarisierender
Muskelrelaxanz kennt.
Stattdessen fing er an, Musik auf Lehramt zu studieren, um das,
was er ohnehin schon auf der Bühne machte – Klavier spielen und
singen - besser zu lernen. Zehn Semester hielt er durch,
jonglierte Studium und Bühnenauftritte, doch eine
Sehnenscheidenentzündung zwang ihn, sich zu entscheiden:
Studium oder Bühne? „Irgendwann hat mein Körper dann gesagt:
Das kannste gerne so weiter machen, aber ohne mich, ich bin
raus.“
Bodo Wartke entschied sich für seine Leidenschaft, die Kunst,
die Bühne.
Vielleicht hat sich der Kreis inzwischen geschlossen. Wie schon
zu seinen Anfangszeiten bei Studentenprotesten kämpft Bodo
Wartke in seinen Liedern heute wieder für gesellschaftlichen
Wandel, etwa das bedingungslose Grundeinkommen. Utopisch sagen
die einen. Aber warum nicht mal ausprobieren, sagt Bodo Wartke:
„Ich finde es wichtig, die Möglichkeit des Gelingens in
Betracht zu ziehen – denn sie ist eine von zwei Möglichkeiten.“
Artikel: Marco Stoever
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