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Beschreibung
vor 2 Jahren
Thomas Darnstädt ist Jurist und war 35 Jahre Redakteur beim SPIEGEL
(Ressortleiter Politik). In dem Gespräch mit Niko Härting geht es
um die Geschichte des Bundesverfassungsgerichts und den Einfluss
des Zeitgeistes auf die Karlsruher Entscheidungen. 2018 erschien
Darnstädts Buch „Verschlusssache Karlsruhe - Die internen Akten des
Bundesverfassungsgerichts“. Für dieses Buch hat Darnstädt Handakten
und andere interne Akten aus der Frühzeit des
Bundesverfassungsgerichts ausgewertet. 1957 scheiterte eine
Verfassungsbeschwerde gegen den „Homosexuellenparagraphen“ 175
StGB. Die Karlsruher Richter verneinten einen Gleichheitsverstoß
(lesbischer Sex war nicht strafbar), und sie hielten auch Art. 2
Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) nicht für verletzt:
„Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das
Sittengesetz.“ Im Gespräch mit Niko Härting schildert Darnstädt,
wie es zu dieser Entscheidung kam. § 175 StGB war bereits zur
damaligen Zeit eine hochumstrittene Norm. Dennoch meinte der
Berichterstatter Wilhelm Ellinghaus in einem Votum, es sei nicht
Aufgabe des BVerfG, sondern „Sache des Gesetzgebers, darüber zu
befinden, ob die jetzige Gesetzesfassung gerecht und
rechtspolitisch abgewogen“ sei. Eine Haltung, die man heute als
„Judicial Restraint“ bezeichnen würde. Darnstädt erinnert an den
Zeitgeist der Schwulenhatz, der in den 1950er-Jahren. herrschte.
Man fürchtete sich vor dem „Treiben der Homosexuellen“, und
Karlsruhe hatte keine Courage, dem Zeitgeist entgegenzutreten,
obwohl § 175 StGB verfassungsrechtlich nicht zu halten war. Man
habe alle möglichen Begründungen erwogen, um einen Erfolg der
Verfassungsbeschwerde zu vermeiden. Darnstädt zeigt auf, dass sich
US-amerikanische Debatten um richterliche Zurückhaltung nicht ohne
Weiteres auf das BVerfG übertragen lassen. Die US-Verfassung sah
ursprünglich keine Berechtigung des Supreme Court vor, Gesetze
aufzuheben. Dies ist nach dem Grundgesetz eindeutig anders. Die
Aufhebung verfassungswidriger Gesetze gehört zu den Kernaufgaben
des BVerfG. Forderungen nach richterlicher Zurückhaltung haben in
Deutschland keine tragfähige Grundlage. Im zweiten Teil des
Gesprächs geht es um die Karlsruher Entscheidungen zur
Bundesnotbremse und zur Klimakrise. Der Klimabeschluss sei ein
besonders massiver Eingriff in die Befugnisse des Gesetzgebers.
Allerdings liege die Entscheidung „voll auf der Linie des
Zeitgeistes“. Wenn das Gericht - wie im Klimafall - ein Urteil für
konsensfähig halte, gehe es „viel ruppiger“ mit dem Gesetzgeber um,
als wenn dies nicht der Fall sei. Mit einer Entscheidung die
Bundesnotbremse hätte sich Karlsruhe dagegen „sehr sehr viel Ärger“
eingehandelt, da es dem Zeitgeist widersprochen hätte, dies sei dem
Gericht gewiss bewusst gewesen.
(Ressortleiter Politik). In dem Gespräch mit Niko Härting geht es
um die Geschichte des Bundesverfassungsgerichts und den Einfluss
des Zeitgeistes auf die Karlsruher Entscheidungen. 2018 erschien
Darnstädts Buch „Verschlusssache Karlsruhe - Die internen Akten des
Bundesverfassungsgerichts“. Für dieses Buch hat Darnstädt Handakten
und andere interne Akten aus der Frühzeit des
Bundesverfassungsgerichts ausgewertet. 1957 scheiterte eine
Verfassungsbeschwerde gegen den „Homosexuellenparagraphen“ 175
StGB. Die Karlsruher Richter verneinten einen Gleichheitsverstoß
(lesbischer Sex war nicht strafbar), und sie hielten auch Art. 2
Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) nicht für verletzt:
„Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das
Sittengesetz.“ Im Gespräch mit Niko Härting schildert Darnstädt,
wie es zu dieser Entscheidung kam. § 175 StGB war bereits zur
damaligen Zeit eine hochumstrittene Norm. Dennoch meinte der
Berichterstatter Wilhelm Ellinghaus in einem Votum, es sei nicht
Aufgabe des BVerfG, sondern „Sache des Gesetzgebers, darüber zu
befinden, ob die jetzige Gesetzesfassung gerecht und
rechtspolitisch abgewogen“ sei. Eine Haltung, die man heute als
„Judicial Restraint“ bezeichnen würde. Darnstädt erinnert an den
Zeitgeist der Schwulenhatz, der in den 1950er-Jahren. herrschte.
Man fürchtete sich vor dem „Treiben der Homosexuellen“, und
Karlsruhe hatte keine Courage, dem Zeitgeist entgegenzutreten,
obwohl § 175 StGB verfassungsrechtlich nicht zu halten war. Man
habe alle möglichen Begründungen erwogen, um einen Erfolg der
Verfassungsbeschwerde zu vermeiden. Darnstädt zeigt auf, dass sich
US-amerikanische Debatten um richterliche Zurückhaltung nicht ohne
Weiteres auf das BVerfG übertragen lassen. Die US-Verfassung sah
ursprünglich keine Berechtigung des Supreme Court vor, Gesetze
aufzuheben. Dies ist nach dem Grundgesetz eindeutig anders. Die
Aufhebung verfassungswidriger Gesetze gehört zu den Kernaufgaben
des BVerfG. Forderungen nach richterlicher Zurückhaltung haben in
Deutschland keine tragfähige Grundlage. Im zweiten Teil des
Gesprächs geht es um die Karlsruher Entscheidungen zur
Bundesnotbremse und zur Klimakrise. Der Klimabeschluss sei ein
besonders massiver Eingriff in die Befugnisse des Gesetzgebers.
Allerdings liege die Entscheidung „voll auf der Linie des
Zeitgeistes“. Wenn das Gericht - wie im Klimafall - ein Urteil für
konsensfähig halte, gehe es „viel ruppiger“ mit dem Gesetzgeber um,
als wenn dies nicht der Fall sei. Mit einer Entscheidung die
Bundesnotbremse hätte sich Karlsruhe dagegen „sehr sehr viel Ärger“
eingehandelt, da es dem Zeitgeist widersprochen hätte, dies sei dem
Gericht gewiss bewusst gewesen.
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