Warum gibt es keine Pille für den Mann? Suche nach einer (feministisch-materialistischen) Antwort.
Während Frauen auf eine Vielzahl moderner, d.h. r…
1 Stunde 52 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Jahren
Während Frauen auf eine Vielzahl moderner, d.h. reversibler
Methoden zur Kontrazeption zurückgreifen können, gibt es für Männer
auch fast 60 Jahre nach dem Marktgang der Antibabypille kein
einziges derartiges Mittel. Erblickte Feminismus in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts in der „Antibabypille“ zunächst die
Möglichkeit, dass Frauen über ihren Körper und ihre Biographie
selber bestimmen, klagte kurz nach dem Marktgang in den 60ern an
die feministische Frauen- und Gesundheitsbewegung, dass Frauen nun
die Hauptverantwortung für die Verhütung tragen - in finanzieller,
zeitlicher und vor allem gesundheitlicher Hinsicht. Der radikale
Feminismus beantwortete die Frage, warum es keine Pille für den
Mann gibt, mit dem Androzentrismus der Wissenschaft, gegenwärtig
wird sie in den Diskussionen um weibliche „Pillenmüdigkeit“ erneut
aufgeworfen. Tatsächlich wird an neuen männlichen Kontrazeptiva
bereits seit den 70er Jahren geforscht und
reproduktionsmedizinische Studien erbrachten verschiedentlich den
Beweis, das hormonelle Verhütung beim Mann wirksam ist. Forschungen
konzentrieren sich dabei nicht allein auf die zum medialen und
kulturellen Symbol avancierte „Pille für den Mann“. Auch an
Implantaten, Gels, Spritzen, reversiblen Vasektomien und Ventilen,
hormonellen wie nicht-hormonellen Methoden wird mitunter seit
Jahrzehnten geforscht. Zur Marktreife brachte es allerdings keiner
dieser Ansätze. Wenn auch nicht länger aufrechterhalten werden
kann, dass Verhütung natürlicherweise Frauensache sei, scheint sich
die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Verhütungspraxis aus der
Verfügbarkeit entsprechender Mittel zu ergeben. Der Vortrag begibt
sich auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum es keine
Pille für den Mann oder Vergleichbares gibt. Mit „dem Patriarchat“
oder „der Pharmaindustrie“ sind zwar die üblichen Schuldigen
schnell an der Hand, der Verweis auf sie beantwortet die Frage aber
noch nicht. Ein Blick auf die Diskurse um „Pille für den Mann“ und
Co. zeigt, dass auch Männer sich der Ungerechtigkeit der
geschlechtlichen Aufgabenverteilung in der Verhütung durchaus
bewusst sind, dass sie jedoch eine Nebenwirkung ganz besonders
fürchten: den Verlust von Männlichkeit. Die Entwicklung neuer
Kontrazeptiva für Hodenträger ist aber allenfalls notwendige, keine
hinreichende Bedingung reproduktiver Geschlechtergerechtigkeit.
Denn die Überwindung der Angst vor ihrem Verlust schlägt nur allzu
schnell um in den Beweis von Männlichkeit und die Bedeutung von
Verhütung erschöpft sich nicht in Fürsorge oder
Partnerschaftlichkeit, sondern kann ebenso Distanz, Autonomie und
Kontrolle implizieren. Ist die Assoziation der „Pille für den Mann“
mit sexueller Revolution ist daher vorschnell? Referent: Fabian
Hennig (Geschlechterforschung, Berlin/Basel) Fabian Hennig lebt als
Geschlechterforscher und freier Autor in Berlin. In seinem
Promotionsprojekt analysiert er die Transformation von Männlichkeit
im Diskurs um moderne männliche Kontrazeptiva. Für die Jungle World
schrieb er zum sogenannten „Lebensschutz“, „The Handmaids Tale“,
„Liebesschlössern“ und „Der junge Karl Marx“. In Outsidethebox und
materializing feminism publizierte er zur materialistischen Kritik
an Diskurstheorie, New Materialism und Posthumanismus. Location
@soyya. Instagram soyya_room telegram channel (t.me/soyya_info)
Diese Verantaltung wird unterstützt vom StAVV
(https://www.facebook.com/euer.stavv/)
Methoden zur Kontrazeption zurückgreifen können, gibt es für Männer
auch fast 60 Jahre nach dem Marktgang der Antibabypille kein
einziges derartiges Mittel. Erblickte Feminismus in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts in der „Antibabypille“ zunächst die
Möglichkeit, dass Frauen über ihren Körper und ihre Biographie
selber bestimmen, klagte kurz nach dem Marktgang in den 60ern an
die feministische Frauen- und Gesundheitsbewegung, dass Frauen nun
die Hauptverantwortung für die Verhütung tragen - in finanzieller,
zeitlicher und vor allem gesundheitlicher Hinsicht. Der radikale
Feminismus beantwortete die Frage, warum es keine Pille für den
Mann gibt, mit dem Androzentrismus der Wissenschaft, gegenwärtig
wird sie in den Diskussionen um weibliche „Pillenmüdigkeit“ erneut
aufgeworfen. Tatsächlich wird an neuen männlichen Kontrazeptiva
bereits seit den 70er Jahren geforscht und
reproduktionsmedizinische Studien erbrachten verschiedentlich den
Beweis, das hormonelle Verhütung beim Mann wirksam ist. Forschungen
konzentrieren sich dabei nicht allein auf die zum medialen und
kulturellen Symbol avancierte „Pille für den Mann“. Auch an
Implantaten, Gels, Spritzen, reversiblen Vasektomien und Ventilen,
hormonellen wie nicht-hormonellen Methoden wird mitunter seit
Jahrzehnten geforscht. Zur Marktreife brachte es allerdings keiner
dieser Ansätze. Wenn auch nicht länger aufrechterhalten werden
kann, dass Verhütung natürlicherweise Frauensache sei, scheint sich
die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Verhütungspraxis aus der
Verfügbarkeit entsprechender Mittel zu ergeben. Der Vortrag begibt
sich auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum es keine
Pille für den Mann oder Vergleichbares gibt. Mit „dem Patriarchat“
oder „der Pharmaindustrie“ sind zwar die üblichen Schuldigen
schnell an der Hand, der Verweis auf sie beantwortet die Frage aber
noch nicht. Ein Blick auf die Diskurse um „Pille für den Mann“ und
Co. zeigt, dass auch Männer sich der Ungerechtigkeit der
geschlechtlichen Aufgabenverteilung in der Verhütung durchaus
bewusst sind, dass sie jedoch eine Nebenwirkung ganz besonders
fürchten: den Verlust von Männlichkeit. Die Entwicklung neuer
Kontrazeptiva für Hodenträger ist aber allenfalls notwendige, keine
hinreichende Bedingung reproduktiver Geschlechtergerechtigkeit.
Denn die Überwindung der Angst vor ihrem Verlust schlägt nur allzu
schnell um in den Beweis von Männlichkeit und die Bedeutung von
Verhütung erschöpft sich nicht in Fürsorge oder
Partnerschaftlichkeit, sondern kann ebenso Distanz, Autonomie und
Kontrolle implizieren. Ist die Assoziation der „Pille für den Mann“
mit sexueller Revolution ist daher vorschnell? Referent: Fabian
Hennig (Geschlechterforschung, Berlin/Basel) Fabian Hennig lebt als
Geschlechterforscher und freier Autor in Berlin. In seinem
Promotionsprojekt analysiert er die Transformation von Männlichkeit
im Diskurs um moderne männliche Kontrazeptiva. Für die Jungle World
schrieb er zum sogenannten „Lebensschutz“, „The Handmaids Tale“,
„Liebesschlössern“ und „Der junge Karl Marx“. In Outsidethebox und
materializing feminism publizierte er zur materialistischen Kritik
an Diskurstheorie, New Materialism und Posthumanismus. Location
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