Gedanken am frühen Morgen - Das innere Ich

Gedanken am frühen Morgen - Das innere Ich

6 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Ich fragte die Erde, und sie sprach: „Ich bin es nicht“, und
alles, was auf ihr ist, bekannte das gleiche. Ich fragte das Meer
und die Abgründe und das Gewürm, das darinnen lebt, und sie
antworteten: „Wir sind nicht dein Gott, suche ihn über uns“. Ich
fragte die wehenden Winde, und der gesamte Luftkreis mit seinen
Bewohnern sprach: „Anaximenes2 irrt; ich bin nicht Gott“. Ich
fragte Himmel, Sonne. Mond, Sterne; sie antworteten: „Auch wir
sind nicht Gott, den du suchest“, Und ich sprach zu allen Dingen,
die sich meinen Sinnen darbieten: „Sprechet zu mir von meinem
Gotte, weil ihr selbst es nicht seid, sprechet zu mir etwas über
ihn“. Und sie antworteten mit lauter Stimme: „Er selbst hat uns
geschaffen“3. Meine Frage bestand aber in sinnender Betrachtung,
und ihre Antwort war ihre Schönheit, Und ich wandte mich nun zu
mir selbst und sprach zu mir: „Wer bist denn du?“ Und ich
antwortete: „Ein Mensch“. Denn sieh, aus Leib und Seele bestehe
ich, dem äußeren und inneren Bestandteile meines Wesens. Von
welchem dieser beiden aus musste ich nun meinen Gott suchen?
Bereits hatte ich ihn mit meinem Körper gesucht von der Erde bis
zum Himmel, soweit ich nur die Strahlen meiner Augen als Boten
senden konnte. Doch wertvoller ist mein innerer Mensch. Denn ihm
als ihrem Vorsteher und Richter erstatteten alle körperlichen
Boten Bericht über die Antworten des Himmels und der Erde und
aller Dinge, die darin sind, und sprachen: „Wir sind nicht Gott“
und: „Er selbst hat uns geschaffen“. Der innere Mensch erkannte
dies durch die Vermittlung des äußeren; mein inneres Ich erkannte
dies, ich, ich, der Geist erkannte dies durch die Sinne meines
Körpers. Ich fragte die gesamte Welt über meinen Gott, und sie
antwortete mir: „Ich bin es nicht, sondern er hat mich
geschaffen“.

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