Gedanken am frühen Morgen - Jeder nach seiner Art
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vor 1 Jahr
Paisius und Isaias waren Brüder. Ihr Vater war ein Kaufmann, den
der Handel bis nach Spanien führte. Nach seinem Tode teilten die
Söhne, was an unbeweglicher Habe vorhanden war, desgleichen alles
übrige: das Geld - fünftausend Goldstücke - die Kleider und
Sklaven. Dann überlegten beide hin und her und einer sagte zu dem
andern: "Bruder, welche Lebensart sollen wir nun erwählen? Widmen
wir uns gleich unserem Vater dem kaufmännischen Berufe, so müssen
wir Gefahren bestehen mit Räubern und auf dem Meere. Wohlan! Lass
uns Mönche werden, damit wir den Erwerb des Vaters nicht
verlieren, unsere Seelen aber gewinnen!" Und in der Tat
entschlossen sich beide zum Mönchsleben, doch ein jeder auf
grundverschiedene Weise. Denn der eine gab alles an Kirchen,
Klöster und Gefängnisse, lernte sodann ein Handwerk, verdiente
sich sein Brot und übte sich in Abtötung und Gebet. Der zweite
dagegen verschenkte nichts, sondern baute sich ein Kloster, zog
einige Brüder bei, nahm jeden Fremdling auf, jeden Kranken, jeden
Greis und jeden Armen und stellte jeden Sabbat und Sonntag drei
Tische bereit, woran er die Dürftigen speiste. So verbrauchte
dieser seine Habe.
Als nun beide starben, priesen die einen Brüder den einen, die
andern den anderen selig, weil ja beide vollkommen gewesen seien.
Als ob dieser Lobeserhebungen Zwiespalt entstand, gingen sie zu
dem seligen Pambo und stellten ihm das Urteil anheim, wer von
beiden der Größere sei. Pambo sagte: "Beide sind vollkommen. Der
eine nämlich war in seinem Wandel ein Nachahmer Abrahams, der
zweite des Elias". Da sagten die einen: "Wie sollen aber beide
gleich sein können?" Sie gaben nämlich dem, der ein asketisches
Leben führte, den Vorzug, denn er habe der evangelischen Mahnung
gemäß alles verkauft, den Armen gegeben, zu jeder Stunde bei Tag
und Nacht sein Kreuz auf sich genommen, sei dem Erlöser
nachgefolgt und habe sich dem Gebete gewidmet. Die anderen
wandten dagegen ein: "Der zweite war so barmherzig, dass er sich
an die Straße setzte und die Notleidenden und Bedrängten in sein
Haus führte; nicht für sich allein trug er Sorge, sondern auch
für viele andere, denen er Hilfe bot und in kranken Tagen Pflege
angedeihen ließ." Da gab der selige Pambo zur Antwort: "Ich sag'
es euch nochmal: beide stehen auf gleicher Stufe. Die beiderseits
angeführten Gründe muss ich gelten lassen. Hätte der eine nicht
ein so strenges Leben geführt, so hielte man ihn des Vergleiches
mit dem Edelmut des anderen nicht einmal wert; dieser dagegen hat
Fremdlingen Barmherzigkeit erwiesen und dadurch selbst
Barmherzigkeit erlangt; wenn er äußerlich die Bürde seines
Reichtumes nicht wegwarf, hat er damit Verdienste gesammelt.
Wartet einige Zeit, bis ich Offenbarung erlange von Gott, dann
kommet wieder und ihr sollet Bescheid erhalten!" Als sie nach
einigen Tagen ihn aufsuchten, gab er auf ihre Frage zur Antwort:
"Ich sah beide miteinander vor Gottes Angesicht im Paradiese
stehen."
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