"Loki" - Burdened with Glorious Exposition

"Loki" - Burdened with Glorious Exposition

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Beschreibung

vor 3 Jahren
Hätte es Disney+ schon 2014 gegeben, wäre Loki vermutlich die erste
Serie gewesen, die man an den Start geschickt hätte, um das Marvel
Cinematic Universe in TV-Form kanonisch weiterzuerzählen. Dank der
magnetischen Ausstrahlung von Tom Hiddleston hatte sich das
asgardische Adelsadoptivkind Loki so sehr in die Herzen der Fans
geschlichen, dass er für viele das Beste an den Thor-Filmen war -
bis Taika Waititi im dritten Soloabenteuer des Hammer schwingenden
Helden kreativ frei drehte und dem gesamten MCU eine
Frischzellenkur verpasste. Doch auch hier war Loki ein wichtiger
und spannender Teil des Films. Das ungleiche Brüdergespann raufte
sich endlich zusammen ohne dabei ihre Charaktereigenschaften zu
verlieren. Für einen kurzen aber wunderbaren Moment wurden die
Zuschauer Zeugen von Thor und Loki als Duo mit Buddycop-Dynamik.
Mit dem Ende von Ragnarök war allerdings auch die Figur Loki nahezu
auserzählt, was im Anfang von "Avengers: Infinity War" zusätzlich
unterstrichen wurde. Doch jetzt ist er zurück. Allerdings nicht der
erwachsenere, geläuterte Loki. Sondern der machthungrige Bad Boy
"Burdended with glorious purpose" Loki. Ich durfte zwei Folgen
vorab sehen und nach dem Klick gehts weiter. Es gibt eine
Redensart, bestehend aus einem einzigen Wort und wenn man sie
benutzt, muss man eigentlich die Hände in die Luft heben und die
Finger leicht schütteln. Sie lautet: "Comics!" "Comics!" wird immer
dann benutzt, wenn eine Comic-Adaption erzählerische Eskapaden
aufweist, für die das Ursprungsmedium, insbesondere im
Superheldengenre, bekannt ist. Insbesondere dann, wenn man sich
entweder aus einer selbst geschaffenen Plotsackgasse mit
genretypischen Plotdevices heraussprengt: "Time Travel!" (insert
Professor Hulk-GIF here), Klone, alternative Realitäten, MacGuffins
die plötzlich doch die Story beeinflussen und womöglich die
empfundene Glaubwürdigkeit der Geschichte aufs Spiel setzen, womit
man immer auch einen Teil des Publikums verlieren könnte. Natürlich
ist das Publikum von Filmen, in denen Supersoldaten,
gammaverstrahlte Wutmonster, Alien-Götter, Tech-Genies in
Kampfanzügen und Spione nebeneinander kämpfen sehr tolerant aber
man muss nicht mehr als einen "Resident Evil"-Film gesehen haben,
um die Risiken narrativer Narretei dieses Stils zu kennen.
Gleichzeitig gehört es aber auch zum Spaß dazu. "Comics!"
funktioniert für Comic-Adationen ein bisschen wie Salz im Rahmen
einer ausgeglichenen Ernährung. Als Produktionshaus einiger der
erfolgreichsten Filme aller Zeiten ist Marvel klar, dass sie nicht
ausschließlich Serien produzieren dürfen, die nur für ihre
Hardcorefans funktionieren. Insofern war es eine überraschende aber
beeindruckende Entscheidung mit Wandavision den Einstand bei
Disney+ zu feiern - einem Liebesbrief an das Medium Fernsehen aber
auch einer Produktion, die für viele kryptisch und nur schwer
nachvollziehbar war. Jedenfalls bis circa zur Hälfte der Staffel.
Die erste Folge von Loki wirkt redlich bemüht ihre vielen
Aufgaben unter einen Hut zu bringen. "Aber was sollen die denn
sein, außer unterhalten?" gute Frage, Ted. Schauen wir mal: Wie
jede Serie, muss auch "Loki" seine Zuschauer:innen "abholen". Diese
furchtbare Regionalberichterstattungsphrase beschreibt immer noch
am besten, was es bedeutet, eine Verbindung zum Publikum
aufzubauen. Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Vorkenntnisse
über das MCU, Genrekonventionen oder die Figur Loki beim Publikum
vorliegen. Darüber hinaus: wie viel Wille, Kompetenz und Kapazität
besteht überhaupt mitzudenken? Hier nur eine Auswahl an "dummen
Fragen", die man beantworten muss, wenn man "Loki" schreibt: "Hä,
der ist doch tot?" "Hä, wie ist das jetzt mit den Zeitreisen?" "Hä,
wieso benimmt der sich wie vor 9 Jahren?" "Hä, ist jetzt alles
anders?" Und ja, es ist völlig in Ordnung, wenn man diese Fragen
stellt. Man kann von uns nicht erwarten, immer alle diese
Entwicklungen auf dem Schirm zu haben. Zudem sind wir es aus dem
Alltag nicht gerade gewohnt, mit identischen Doppelgängern
klarzukommen, die nicht zu den emotionalen Erinnerungen passen, die
wir mit ihrer anderen Version verbinden. Agent Exposition Loki
beginnt dort, wo wir diesen Loki zuletzt gesehen haben: In der
abweichenden Zeitlinie, die entstand als er den Tesseract in
Infinity War in seine Finger bekam und ihn benutzte, um sich
aus der Gefangenschaft der Avengers wegzuteleportieren. Damit gerät
er in das Visier der Time Variant Authority, kurz TVA. Diese wurde
von den Time Keepers erschaffen, um die "Sacred Timeline" zu
sichern, jegliche davon abweichende Varianten werden von deren
Agenten und Analysten aufgespürt und in die Zentrale der TVA
gebracht und dort... nun, in der Regel einfach aus der Realität
"entfernt". Falls das zu kompliziert war: gar kein Problem, das
wird in den ersten Folgen ungefähr drei mal erklärt. Zweimal der
Hauptfigur und dann noch mal von der Hauptfigur selbst, um zu
zeigen, dass Loki es verstanden hat. Dass dieser zunächst einen
kafkaesken Bürokratiealbtraum durchleben muss, ist nicht nur so
absurd komisch wie man es erwarten würde, sondern reduziert den
Möchtegernkönig aus Asgard auch auf den Status eines machtlosen
Spielballs der TVA. Ein heftiger Abstieg für jemanden, der gerade
noch Anführer einer Invasionsarmee mit dem Ziel der Unterwerfung
der Erde war. Als Vorlage dieser Szenen mag die Konfrontation von
Doctor Strange mit Loki gedient haben: auch hier war Loki ungewohnt
machtlos. Dieses Mal bleibt es allerdings nicht bei einer einzigen
Schikane: die TVA hält direkt mehrere Stationen der Submission für
den Gott des Schabernacks (Mischief übersetzen ist wirklich so eine
Sache. Und ja, ich beziehe mich ausschließlich auf den MCU-Loki)
bereit. Im Rahmen dieser Demigott-Demontage wird Loki wie zuvor
sein Bruder in "Thor -Ragnarök" auch einem kleinen Umstiling
unterworfen. Dass man Tom Hiddleston hier innerhalb von Sekunden
oben ohne zeigt um ihm dann ein Halsband umzulegen, wird vermutlich
nicht nur bei mir die Reaktion "Oha, die Fanfiction wird schon
geschrieben." zur Folge haben. Um die Unterwerfung perfekt zu
machen wird das Halsband natürlich auch dazu genutzt, den
untriebigen Gefangenen unter Kontrolle zu bringen. Dennoch lässt
sich eine Figur wie Loki nicht ohne weiteres brechen. Gerade auf
Druck von Außen reagiert er als geborener Widersacher auch mit
ebenso starkem Widerstand, auch wenn schnell klar wird, dass er
sehr schlechte Karten hat, denn die TVA ist nicht nur extrem
mächtig, sondern weiß auch genau, mit wem sie es zu tun hat. Hier
tritt auch die wohl wichtigste Zutat der Show auf den Plan: Owen
Wilson. Einen Preis wird er mit seiner Verköperung des
TVA-Analysten Mobius vielleicht nicht gewinnen aber sein Charme
sorgt dafür, dass die Szenen zwischen ihm und Loki eine
Leichtigkeit haben, die die Sendung dringend braucht. Während die
TVA alles über Lokis Taten weiß, fehlt Mobius ein besserer Einblick
in das Innenleben von Odins Adoptivsohn und das erhofft er sich
durch die, an Therapiesitzungen erinnernde Gespräche, anzueignen.
Dabei wirkt er stets authentisch interessiert und empathisch. Ein
anderer Darsteller hätte hier womöglich offen oder verdeckt
bedrohlich gewirkt aber sobald Owen Wilson im Bild ist, möchte man
mit ihm Zeit verbringen und glaubt auch nicht, dass er eine
verborgene Agenda hat. Dabei ist Mobius alles andere als entspannt,
er konfrontiert Loki konsequent mit Kritik und lässt sich von
dessen rhetorischen Fähigkeiten nicht beeindrucken. Er reagiert auf
Lokis Lügen mit der von der TVA aufgezeichneten Realität und stellt
ihm introspektive Fragen um den charakterlichen Kern des Halbgottes
offenzulegen. Drohungen von Seiten seines unfreiwilligen Agenten
kontert Mobius mit präzisen Vorhersagen zu Lokis Plänen und
intelligenten Gegenfragen, die Loki ungewohnt konstant Schach matt
setzen. Dass im Zuge dieser Auseinandersetzung auch Geschehnisse,
die zwar dem Zuschauer bekannt, diesem Loki aber neu sind, gezeigt
werden, ist so notwendig wie gut gemacht. Tom Hiddleston hat nicht
nur sichtlichen Spaß daran, den arroganten, machthungrigen Loki
wiederzubeleben sondern ist auch extrem gut darin, minutiös auf die
Momente der "Sacred Timeline" zu reagieren, die wir ihm voraus
sind. Hier musste man mit sehr viel Feingefühl vorgehen, damit aus
Loki nicht zeitweise ein Reaction-Video zu den Avengers-Filmen
wird. Es ist kein Wunder, dass in der ersten Folge noch nicht viel
passiert, die notwendige Exposition ist jedoch gekonnt verpackt und
nur ab und an kurz davor nervig zu werden. Hiddelston und Wilson
spielen so unterschiedlich aber faszinierend, dass man auch damit
einverstanden wäre, wenn die beiden eine Stunde eingesperrt im
gleichen Raum wären aber Loki möchte fliehen und Mobius möchte
Antworten - sie sind also Protagonisten für die Autoren sehr
dankbar sein können. In Folge zwei nimmt das Schiff an Fahrt auf
und es wird endgültig klar, was die Aufgabe sein wird, für die man
Loki in der TVA beschäftigen möchte - findige MCU-Fans werden es
aber bereits vermutet haben. Fazit Man hat mittlerweile einfach
Angst, dass irgendwann der Tag kommt, an dem Marvel Mist baut. Noch
ist diese Zeit aber nicht gekommen. Obwohl man hier das
unwahrscheinliche Experiment wagt, eine eigentlich verstorbene
Figur als eine Variante ihrer selbst zur neuen Hauptfigur zu
machen, bleibt die Erzählung elegant und unterhaltsam. Besetzung
und Produktion sind gewohnt hochwertig. Folge 1 ist aus
offensichtlichen Gründen noch sehr stark an den MCU-Kanon gebunden
und verweist gezwungenermaßen häufig darauf, während spätestens
Ausgabe zwei auf eigenen Beinen steht. Ähnlich wie die vermutlich
ab August auf Disney+ laufende Produktion What If...? hat
Loki die Freiheit, Dinge zu zeigen, die so nicht in der
Hauptzeitlinie Verwendung finden, was sowohl Optionen für sehr viel
Spaß und auch wirklich coole Momente hat. Bisher wird das noch nur
im Kleinen genutzt aber das ist vermutlich auch die richtige
Dosierung, denn auch hier liegt ein klarer Fall von "Comics!" vor.
Dass man außerdem die Gelegenheit nutzt, Lokis Vergangenheit ein
wenig auszukleiden ist insbesondere in dieser Art und Weise extrem
unterhaltsam. Loki ist witzig, charmant, zuweilen düster und das
gleiche gilt für Loki. Figur und Serie kann ich somit nur eine
Empfehlung aussprechen, alles andere wäre gelogen. Einsteiger
gucken vorher alle Marvel-Filme mit Thor und Liebhaber haben
einfach Spaß - auch mit Loki.

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