CL im Gespräch mit Kenad Melunovic – Teil 3

CL im Gespräch mit Kenad Melunovic – Teil 3

9 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Wir sprechen mit Kenad Melunovic, Strafverteidiger in Aarau über
Art. 222 Strafprozessordnung und das Beschwerderecht der
Staatsanwaltschaft (Teil 1 von 3). Das Bundesgericht hat mit
Entscheiden vom 10. Januar 2023 (BGer 1B_614/2022, 1B_628/2022)
nun doch anerkannt, dass die Staatsanwaltschaft keine
«beschuldigte Person ist».  Vgl.
https://www.strafprozess.ch/haftbesch...


Nur 3 Monate nach Inkrafttreten der StPO im Jahr 2011 hat das
Gericht entschieden, die «beschuldigte Person» in Art. 222 StPO
meine auch die Staatsanwaltschaft (BGE 137 IV 22 Regeste: Art.
222 StPO; Art. 80 und 111 BGG; Beschwerde der Staatsanwaltschaft
in Haftsachen. Die Staatsanwaltschaft kann einen
Haftentlassungsentscheid des Zwangsmassnahmegerichts bei der
Beschwerdeinstanz anfechten (E. 1). Diese Position hat es seit
nun über 10 Jahren beibehalten. Bis zur Revision der StPO im Jahr
2022.


Gemäss Referendumsvorlage vom 17. Juni 2022 lautet Art. 222 StPO
Rechtsmittel nun «Einzig die verhaftete Person kann Entscheide
über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der
Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz
anfechten. Vorbehalten bleibt Artikel 233.» Das Parlament war
ganz offensichtlich nicht der Meinung des Bundesgerichtes, hat
dies allerdings sehr zurückhaltend ausgedrückt, durch das
Hinzufügen des Wortes «nur».


Diese Änderungen der Strafprozessordnung sollen nach derzeitiger
Planung am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Der Bundesrat wird
darüber voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023
beschliessen.


Im Entscheid des Bundesgericht 1B_441/2022 vom 13. September 2022
heisst es: «E.2.1. Gemäss Art. 222 StPO - de lege lata und nach
dem nunmehr klaren Willen des Gesetzgebers - sei die
Staatsanwaltschaft nicht zur Beschwerde gegen eine Haftentlassung
legitimiert.»  ABER: «E.2.2. Neue Rechtsnormen gelten erst
ab Inkraftsetzung und entfalten grundsätzlich keine Vorwirkung
(vgl. BGE 136 I 142 E. 3.2; 129 V 455 E. 3; 125 II 278 E. 3c; je
mit Hinweisen).» Deshalb sei, auch nach der beschlossenen
Änderung des Gesetzes, dessen «alte Fassung» gültig, sprich die
Meinung des Bundesgerichtes, wonach «die beschuldigte Person»
eben auch die Staatsanwaltschaft meint.


Wir sprechen mit RA Melunovic über diese Entwicklungen (der
jüngste Entscheid vom Januar 2023, der demjenigen vom September
2022 direkt widerspricht) wird hier noch nicht angesprochen. Das
folgt.

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