Monet - oder wie die Malerei im Seerosenteich erblüht

Monet - oder wie die Malerei im Seerosenteich erblüht

Was genau ist eigentlich der Impressionismus und warum gilt Claude Monet als dessen wichtigster Vertreter? Ist seine Kunst eigentlich harmlos oder radikal? Oder wie gelang es ihm, gleich zwei Revolutionen in die Malerei einzuführen? Das sind die Fragen im
44 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Was genau ist eigentlich der Impressionismus und warum gilt Claude
Monet als dessen wichtigster Vertreter? Ist seine Kunst eigentlich
harmlos oder radikal? Oder wie gelang es ihm, gleich zwei
Revolutionen in die Malerei einzuführen? Das sind die Fragen im
neuesten Podcast Augen zu. Es gibt Maler, die sind so berühmt, dass
am Ende niemand mehr genau weiß, warum. Claude Monet ist ein
solcher Fall, 1840 geboren und erst 1926 im biblischen Alter von 86
Jahren gestorben. Man verbindet ihn mit Mohnblumenfeldern, mit
flackerndem Malstil, mit riesigen Seerosenbildern – überall finden
sich inzwischen seine Motive, auf Postern, auf Taschen und auf
Kühlschrankmagneten. Monet ist zum Inbegriff des Impressionismus
geworden – aber warum? Davon erzählen Florian Illies und Giovanni
di Lorenzo in der neuesten Folge von Augen zu, dem Podcast von ZEIT
und ZEIT ONLINE. Schon als Schüler machte Monet durch seine
hinreißenden Karikaturen auf sich aufmerksam, dann nahm ihn Eugène
Boudin unter seine Fittiche, der große Maler des Meeres der
Normandie, und bei ihm lernte er den Blick in den Himmel, er malte
die Luft und er malte die Wolken. Dann ging Monet nach Paris, wo
jener Mann, dessen Name manchmal mit seinem verwechselt wird,
gerade für Furore sorgte: Manet. Und während Eduard Manet mit
seinen Figurenbildern, dem Frühstück im Freien und seinem riesigen
provozierenden Akt der Olympia für Aufruhr sorgte, wollte Monet das
Gleiche mit seinen Landschaften erreichen, er setzte sich mit allen
Sinnen dem Licht und der Natur aus. Manet wie Monet wurden vom
offiziellen Salon ausgeschlossen und so zeigten sie 1874 in der
ersten Impressionistenausstellung ihre malerischen Revolutionen. In
der Ausstellung hing Monets hingeblinzelte Ansicht des Hafens von
Le Havre im morgendlichen Dämmerlicht, die er Le Havre, Impression,
Sonnenaufgang nannte. Und so gab sein Bildtitel einer ganzen
Kunstbewegung den Namen. Worum ging es den "Impressionisten"? Sie
glaubten nicht mehr daran, dass es eine Abbildung der Wirklichkeit
gibt, die gültig ist, sondern hatten in der Natur erkannt, dass das
Licht jeden Gegenstand verändert, dass er zu verschiedenen
Tageszeiten ganz unterschiedliche Farben und Ausdrucksformen
annehmen konnte. Es gibt keine Wahrheit mehr, es gibt nur noch
Versionen - das ist Monets erste bahnbrechende Neuerung, darum malt
er einen Heuschober zu den verschiedenen Tageszeiten und dann die
Kathedrale von Rouen, er suchte, zeitgleich mit Marcel Proust, nach
einer künstlerischen Form, die verstreichende Zeit zu malen. Diese
Serienbilder Monets sind die wahren Vorboten von Andy Warhols
legendäre Pop-Art-Serien von Marilyn Monroe. Aber Monet hat uns
nicht nur ein leuchtendes Werk hinterlassen, sondern auch das
strahlendste Atelier, das die Kunstgeschichte kennt – seinen Garten
in Giverny an der Seine nördlich von Paris. Hierhin war er 1883
gezogen und hier entwarf er in 40 Jahren einen weitläufigen Garten
nach seinem Bilde, legte Kanäle an, pflanzte, baute Brücken und
malte und malte. Die Blumen wurden zur Anregung für seine Palette
und seine Bilder dann wieder zur Anregung für neue Pflanzungen.
Wenn er in den 1920er-Jahren von seinem "Lebenswerk" sprach, dann
meinte Monet damit sowohl seine Bilder als auch seinen Garten. Er
vertiefte sich so meditativ in seine Pflanzungen wie in seine
Malerei und erschuf eine moderne Vision eines Paradieses im
Diesseits. Der junge Monet raste rastlos dem Licht und dem Zufall
hinterher, der Monet der mittleren Jahre versuchte, den flüchtigen
Erscheinungen der Natur in seiner Malerei Dauer zu verleihen. Der
späte Monet aber lässt die Natur und die Kunst zu einem vegetativen
Kontinuum verschmelzen. In den aus Japan importierten Seerosen, für
die er große Teiche anlegte, entdeckte Monet dann, als um ihn herum
längst der Expressionismus und die Moderne tobte, sein wichtigstes
Motiv, das er obsessiv in Malerei umsetzte, in riesigen Formaten.
Die auf dem Wasser schwimmenden Seerosen verewigte er in lilagrünen
Farbwelten, die in ihrer All-over-Struktur nichts weniger
vorwegnehmen als die Großformate der amerikanischen Abstraktion
nach 1945. Auf den meterlangen Farbseen Monets haben dann Jackson
Pollock, Mark Rothko und Joan Mitchell ihre Boote in die Zukunft
gesetzt. Monets Ruhm also beruht darauf, dass wir ihm mit seinen
Serien und mit seinen Seerosenbildern, in denen sich das Auge
verliert, zwei zentrale Revolutionen des Sehens im 19. und 20.
Jahrhunderts verdanken. Sie erreichen den Podcast mit Anregungen
und Fragen über die E-Mail-Adresse augenzu@zeit.de. [ANZEIGE] Mehr
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