Gibt es den Staat wirklich? - Dr. Jochen Schwenk im Gespräch
Die zehnte Episode des Audio-Podcast "Das soziologische Duett"
1 Stunde 20 Minuten
Podcast
Podcaster
Unterhaltungen über soziologische Perspektiven wissenschaftlicher Weltbeobachtung
Beschreibung
vor 10 Jahren
Dr. Jochen Schwenk, vom Institut für Soziologie der
Technischen-Universität Darmstadt, unterhält sich mit Dr. Udo
Thiedeke über die irritierende Realität des Staates und unsere
Erwartungen und Befürchtungen in Hinblick auf staatliches Handeln
und staatliche Ordnung.
Shownotes:
#00:03:30## Zum Konzept des Habitus bei Pierre Bourdieu vgl.
Pierre Bourdieu, 2012: Sur l’État. Cours au Collège de France
1989-1992. Paris: Seuil.
#00:07:28## Den Begriff der "Kulturnation", der vom
Bildungsbürgertum im 19. Jhr. für Deutschland in Anspruch
genommen wurde, unterschied der Historiker Friedrich Meinecke von
dem der "Staatsnation". Siehe: Friedrich Meinecke, 1962:
Weltbürgertum und Nationalstaat. Werkausgabe, Bd. 5. Stuttgart:
R. Oldenbourg. [1908]
#00:08:50## Zur Problematik Deutschlands als "verspätete Nation"
siehe: Helmut Plessner, 1959: Die verspätete Nation. Über die
politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes. Stuttgart:
Kohlhammer.
#00:15:50## Bei dem Hinweis auf "bringing the state back in"
handelt es sich um ein 1985 publizierten Sammelband. Der Anlass
für diesen Band lieferte die Wiederkehr des Staates als
Konzeptbegriff nachdem zuvor, so die Beobachtung der Autorinnen
und Autoren, der Staat in den Sozialwissenschaften erstaunlich
wenig Beachtung gefunden hatte.
Besonders lesenswert in diesem Zusammenhang: Tilly, Charles,
1985, War Making and State Making as Organized Crime, in: Peter
B. Evans, Dietrich Rueschemeyer, Theda Skocpol, 1985: Bringing
the state back in. New York: Cambridge University Press, S.
169-191.
#00:16:13## Konkret setzt sich Hermann Heller mit dem Problem
staatlicher Gewaltausübung auseinander und hält in seiner
"Staatslehre" fest: "Eine Militärgewalt, die sich nicht der
Aufgabe unterordnet, das gebietsgesellschaftliche Zusammenwirken
zu organisieren und zu aktivieren, ist nur als Räuberbande zu
denken." (1983: 236) Hermann Heller, 1983: Staatslehre. 6. Aufl.
Tübingen: Mohr. [1934]. Provokativ zugespitzt vergleicht Tilly
(ebd.) in einem ähnlichen Sinne Staaten mit einer Erbresserbande.
Staaten seien „quintessential protection rackets with the
advantage of legitimicy" (161).
#00:17:50## Im Rahmen seiner Studien zu ‚Gesellschaften gegen den
Staat‘ hat Pierre Clastres sich auch mit dem Häuptlingstum
beschäftigt. An Hand seines ethnographischen Materials konnte er
zeigen, dass die ‚Gesellschaften gegen den Staat‘ die
Staatslosigkeit dadurch auf Dauer stellen, dass sie eine reale
Abspaltung der politischen Macht von der Gesellschaft verhindern.
Dem Häuptling kommt dabei die Aufgabe zu, die politische Macht
der Gesellschaft zu repräsentieren, während im selben Zuge alle
reziproken Tauschbeziehungen zu ihm abgebrochen werden. Übrig
bleibt ein Häuptling, der Mangels Möglichkeiten, auf die
Gesellschaft einzuwirken, letztlich machtlos bleibt. Es handelt
sich also um eine zugleich symbolische wie folgenlose Besetzung
der Stelle der Macht, wodurch die reale politische Macht im Schoß
der Gesellschaft verbleibt.
Vgl. Pierre Clastres, 2011: Échange et Pouvoir: Philosophie de la
Chefferie Indienne, in: ders.: La Société contre l’État. Paris:
Les Édition Minuit, S. 25-42 [1974], sowie: ders.,1980, La
question du pouvoir dans les sociétés primitives, 103-109. In:
ders.: Recherches d’anthropologie politique. Paris: Seuil.
Grundsätzlich zu staatenlosen Gesellschaften vgl.: Christian
Sigrist, 2005: Regulierte Anarchie. Untersuchungen zum Fehlen und
zur Entstehung politischer Herrschaft in segmentären
Gesellschaften Afrikas. LIT: Münster; Georg Balandier, 1974:
Politische Anthropologie. München: dtv sowie James C. Scott,
2009: The Art of not being Governed. An Anarchist History of
Upland Southeast Asia. New Haven and London: Yale University
Press.
#00:19:00## Folge direkt herunterladen
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