Neuronale Plastizität im limbischen System adulter Ratten und deren Modifikation in Epilepsiemodellen

Neuronale Plastizität im limbischen System adulter Ratten und deren Modifikation in Epilepsiemodellen

Beschreibung

vor 17 Jahren
In den letzten Jahrhunderten wurde postuliert, dass der komplexen
Verarbeitungsleistung des adulten Säugetiergehirns ein stabiles
Netzwerkgefüge zugrunde liegen würde. Diese Hypothese wurde
kontinuierlich durch die Erkenntnis ersetzt, dass adulte
Säugetiergehirne permanent einer massiven strukturellen und
synaptischen Plastizität unterliegen. Teil dieser Plastizität ist
eine lebenslang in hohem Maße stattfindende Neubildung von
Nervenzellen in zwei regional begrenzten Gehirnarealen, den
primären neurogenen Zonen. Daneben existieren multipotente
neuronale Vorläuferzellen in diversen Bereichen des adulten
Säugetiergehirns deren Potential neue Neurone im naiven Gehirn zu
bilden, vielfach diskutiert wird. Im ersten Teil der vorliegenden
Arbeit (Publikation 1) wurde das neurogene Potential des piriformen
Cortex (PC) adulter Ratten untersucht. Der PC ist der größte Anteil
des olfaktorischen Cortex und entscheidend an der Verarbeitung
verschiedener Riecheindrücke beteiligt. Es konnte eine
Zellneubildung mit neuronalen Charakteristika im PC nachgewiesen
werden, die im Vergleich zu den beiden primären neurogenen Zonen
jedoch um ein Vielfaches geringer war. Weiterhin konnte die
Existenz von neuronalen Vorläuferzellen abgesichert werden, aus
denen sich die neugebildeten Neurone direkt bilden könnten.
Weiterführende Untersuchungen ergaben, dass die neugebildeten
Zellen jedoch nicht über einen langen Zeitraum erhalten bleiben. Im
Vergleich zu freilebenden Tieren werden Laborratten unter
deprivierten Bedingungen gehalten. Da in der Vergangenheit gezeigt
wurde, dass eine Umwelt mit gesteigerten Sinneseindrücken die
Überlebensrate von neugebildeten Neuronen in den primären
neurogenen Zonen steigert, kann weiterhin vermutet werden, dass die
Überlebensdauer der neugebildeten Zellen im PC unter natürlichen
Umweltbedingungen ebenfalls gesteigert ist. Im zweiten Teil der
Arbeit (Publikation 2) wurden spezifische pathophysiologische
Mechanismen neurogeneseabhängiger plastischer Veränderungen im
Hippocampus zweier Rattenmodelle mit Epileptogenese
charakterisiert. Während ihrer Entwicklung bilden neuronale
Vorläuferzellen im adulten Säugetierhippocampus transient kurze
basale Dendriten aus. In epileptischen Tieren und in
Epilepsiepatienten persistieren diese Dendriten und weisen weitere
morphofunktionelle Eigenschaften auf, die als prokonvulsive
plastische Netzwerkveränderungen interpretiert werden. Daher wurde
die Generierung dieser sog. hilaren oder persistierenden basalen
Dendriten direkt mit dem Auftreten von epileptischen Anfällen in
Verbindung gebracht. Genauere Untersuchungen, die diese Vermutung
stützen, fehlen jedoch. Die Daten der vorliegenden Arbeit belegen,
dass persistierende basale Dendriten charakteristisch für ein
chronisches epileptogenes, neuronales Netzwerk und nicht
unmittelbar eine Folge von epileptischen Anfällen sind. Spontane
wiederkehrende Anfälle resultieren jedoch in einer weiteren
Steigerung der Anzahl dieser Dendriten. Basierend auf der
Hypothese, dass die Persisitenz der Dendriten die
Epilepsieprogression und den Erkrankungsgrad steigert, kann
weiterhin gefolgert werden, dass auch in Phasen der Anfallsfreiheit
diese Form aberranter neurogeneseabhängige Plastizität zu einer
Progression der Epilepsie beiträgt. Die Ergebnisse dieser
Untersuchungen demonstrieren einheitlich die weit reichende
Bedeutung neurogeneseabhängiger plastischer Veränderungen
limbischer Strukturen unter physiologischen und
pathophysiologischen Bedingungen. Eine weiterführende Aufklärung
des regenerativen Potentials der transienten Nervenzellneubildung
im PC ist aus Sicht einer möglichen Therapie diverser
neurologischer Erkrankungen von Relevanz. Das endogene Reservoir
multipotenter Vorläuferzellen in dieser und weiterer Gehirnregionen
könnte für den funktionellen Ersatz erkrankungsbedingt
untergegangener Neurone verwendet werden. Neben diesem
regenerativen Potential existieren Hinweise auf eine
pathophysiologische Bedeutung der neurogeneseassoziierten
Plastizität bei Epilepsien. Die weiterführende Charakterisierung
und die Aufklärung der funktionellen Relevanz dieser permissiven
Alterationen sind für die Entwicklung einer kausalen Therapie sowie
einer Epilepsieprophylaxe von Bedeutung.

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