#08 Maschinist im Jugendstilkraftwerk Heimbach

#08 Maschinist im Jugendstilkraftwerk Heimbach

5 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Als aus Wasser Strom wurde, kam Licht ins Dunkel der
Eifel.


"Es ist schon etwas seltsam. Früher war in diesem Jugendstilbau
der Lärm so ohrenbetäubend, dass sich der Obermaschinist nur mit
Trillerpfeife und Glocke bemerkbar machen konnte. Ich hatte meine
Arbeitssachen an, war mit Öl beschmiert und von der Arbeit an den
wärmestrahlenden Maschinen durchgeschwitzt. Und jetzt, sitzen
hier Frauen in schicken Kleidern und Männer in ihren besten
Anzügen und hören Mozart, Rachmaninow und Bartholdy. Aber von
vorne:


Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war diese Gegend eines der
schwerst zugänglichen, ärmsten Gebiete am Rande des Deutschen
Reiches. Die Menschen hatten mit Hungersnöten und Krankheiten zu
kämpfen. Mit dem Bau des Wasserkraftwerks hier in Heimbach im
Jahr 1904 wurde das „Armenhaus der Nation“ dann aber zum
Vorreiter in Sachen Innovation. Der Grund hierfür war die
geographische Lage: Die Rur und die Urft führten mal zu viel und
mal zu wenig Wasser, Trockenheit und Überschwemmung wurden zum
Problem der anliegenden Fabriken. Ein Stausee sollte dieses
Problem lösen – und dort, wo Wasser gestaut wird, kann auch Strom
produziert werden. Und so baute man neben der Staumauer auch
einen 2.748 m langen Stollen hierher nach Heimbach. Seitdem
fließt das Wasser von der Urfttalsperre, durch das natürliche
Gefälle von 110 Metern, einmal quer durch den Kermeter und kann
hier in Strom umgewandelt werden.


Der Strom in der Eifel führte dann auch zu einer echten
Kulturveränderung: Wenn es früher im Winter dunkel wurde, mussten
die meisten Tätigkeiten eingestellt werden. An Lesen oder Arbeit
im Freien war nicht zu denken. Die Haushalte besaßen
Petroleumlampen, die bestenfalls in wenigen Zimmern ein
Schummerlicht erzeugten.


Der Hof, der Stall, die Schlafräume waren finster. Zwar kannten
größere Ortschaften Straßenbeleuchtung mit Gas, in den kleineren
war das aber nicht an der Tagesordnung. Als in der Eifel dann das
Licht anging und der Mensch über die Nacht „siegte“, verschob
sich damit die Grenze zwischen Tag und Nacht. Auf einmal konnte
bis spät in die Nacht gearbeitet werden, der Strom betrieb
Maschinen und schuf so neue Produktivität. Das war für die Eifel
ein großer Gewinn und nicht umsonst, hatten wir Maschinisten aus
dem Kraftwerk ein gutes Ansehen in der Bevölkerung.


Bei seiner Einweihung war das Wasserkraftwerk Heimbach das
modernste und größte in ganz Europa und versorgte die gesamte
Region von Aachen nach Düren und Jülich bis an die Mosel. Schon
zehn Jahre später war es zu klein, um die Strommengen zu
produzieren, die die Region inzwischen verbrauchte. Weitere
Energieerzeuger mussten her und damit war das Jugendstilkraftwerk
nicht mehr die einzige Energiequelle der Region.


Und obwohl der Stromverbrauch immer weiter stieg, nahm die Anzahl
der benötigen Maschinisten immer weiter ab: Zu Beginn waren wir
noch zu viert im Einsatz, um die Maschinen zu bedienen, die von
den acht Turbinen angetrieben wurden. Mit dem Umbau im Jahr 1975,
bei dem ein neues, moderneres Kraftwerk in die Hülle des
Jugendstilkraftwerks gebaut wurde, brauchte man dann nur noch
eine Person, die die Maschinen anfährt und abstellt oder im
Notfall Bereitschaft hatte. Und heute – mit der neuesten
Leittechnik – sind die Maschinen über das Internet von überall
steuerbar. Aber während sich drumherum alles verändert hat, ist
das Bauwerk auch nach 100 Jahren so gut wie unverändert.


Und jetzt, jetzt erklingt hier regelmäßig die schönste
Kammermusik der Welt. Beim Festival „Spannungen“, das hier jedes
Jahr in der ersten Junihälfte stattfindet, sitzen die Leute jetzt
andächtig zwischen Art-Deco Lampen, glänzenden
Messinginstrumenten und alten Turbinen – meinen guten alten
Turbinen – und lauschen der besten Kammermusik der Welt, gespielt
von internationalen Starmusikern."


Infos und Tipps für Deine individuelle Tour auf dem
RurUfer-Radweg findest Du auf www.rurufer-radweg.de

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