#05 Ehemaliger Bewohner von Pleushütte

#05 Ehemaliger Bewohner von Pleushütte

4 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren

Mit Aufstockung der Rurtalsperre war meine Heimat dem
Untergang geweiht.


"Ich erinnere mich noch genau: Es war ein Sonntag im April des
Jahres 1952. Der Frühling hatte Einzug gehalten in Pleushütte. In
den Gärten blühten Osterglocken und Tulpen und es duftete nach
frischem Gras. Doch so sehr die Natur auch vor Lebensenergie
sprühte, durch Pleushütte wehte ein Wind aus Verzweiflung.


Was seit Wochen wie ein Gespenst als Gerücht umherging und uns
alle verunsicherte, hat sich letztendlich doch als Wahrheit
herausgestellt: die Rurtalsperre sollte aufgestockt werden. Von
100 auf 200 Millionen cbm. Insgesamt sollen rund 1000 Morgen
Felder, Wiesen und Wälder dem See zum Opfer fallen. Und … und
damit auch unsere Häuser.


Und so machten die Erweiterungspläne des Rursees auch vor meinem
Grundstück nicht Halt. Gerade erst vergangenen Sommer hatten wir
die letzten Schäden beseitigt und in mühsamer Arbeit das
wiederaufgebaut, was die Bomben und der Krieg zerstört hatten.
Und jetzt soll das wirklich alles umsonst gewesen sein? Das Haus,
in dem ich geboren und aufgewachsen bin, mit all seinen
Erinnerungen, wird mir nichts dir nichts einfach so dem
Fortschritt zum Opfer vorgeworfen?


Zwangsräumung, Umsiedlung, Neuanfang. Wochenlang schwirrte nichts
anderes als diese drei Worte in meinem Kopf umher.


Wir protestierten natürlich hartnäckig und versuchten verzweifelt
die Aufstockung zu verhindern. Doch nachdem die ersten
Landbesitzer ihre Grundstücke verkauft hatten, sank der
Widerstand, die Resignation wurde größer und schließlich fügten
wir uns alle unserem Schicksal.


Nur die wenigsten meiner Bekannten zogen wie ich auf die andere
Seite der Rur nach Einruhr. Die meisten verließen ihre Heimat und
gingen in Richtung Aachen oder auf die andere Rheinseite ins
Bergische, wo sie ähnliche Bedingungen vorfanden, wie hier in der
Eifel.


Und so endete die Geschichte von Pleushütte: Von den 19 Häusern
fielen 17 der Spitzhacke zum Opfer und wurden dem Erdboden gleich
gemacht. Bald war das Gebiet von Wasser überflutet. Nur zwei
Häuser sind bis heute erhalten.


Auch im gegenüberliegenden Einruhr forderte der See seinen
Tribut. 17 Häuser wurden abgerissen, teilweise auf angeschüttetem
Gelände wiederaufgebaut oder aufgestockt. Die im Tal liegenden
Trinkwasserbrunnen wurden geflutet und die gesamte örtliche
Trinkwasserversorgung musste umstrukturiert werden.


Eine neue Schule musste gebaut werden. Und da auch der Friedhof
im Überflutungsgebiet lag musste er vollständig umverlegt werden
– und von eben jenem Friedhof stammt auch dieses Kreuz hier, das
auch heute noch, in Erinnerung an alle umgesiedelten Freunde,
hier steht.


Geschadet hat die Erweiterung der Talsperre Einruhr aber
letztlich nicht: Als „Dorf am See“ zieht Einruhr heute viele
Touristen an und gilt als Idylle von besonderem Reiz. Das ehemals
stille Bauerndorf hat sich durch die Aufstockung grundlegend
verändert und in einen attraktiven Tourismusort verwandelt."


Lust auf mehr? Dann hör Dir auch gleich noch die anderen
Geschichten an! Oder erlebe sie einfach selbst auf Deiner Tour
zwischen der Quelle im Hohen Venn bei Botrange in Belgien und der
Mündung in die Maas bei Roermond in den Niederlanden. An den
interaktiven Rast- und Erlebnisstationen entlang der Strecke
erzählen Zeitzeugen eindrucksvoll über ihr Leben an und mit der
Rur.


Bis bald und eine gute Fahrt für Dich auf dem RurUfer-Radweg!





Infos und Tipps für Deine individuelle Tour auf dem
RurUfer-Radweg findest Du auf www.rurufer-radweg.de

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