Georgine Kellermann über das laute Geschrei der trans Feinde und ihre eigene Ruhe

Georgine Kellermann über das laute Geschrei der trans Feinde und ihre eigene Ruhe

60 Minuten
Podcast
Podcaster
Queer.de präsentiert den queeren Podcast mit Nollendorfblogger Johannes Kram

Beschreibung

vor 1 Jahr
Die WDR-Journalistin und trans Aktivistin Georgine Kellermann
spricht über ihr spätes Coming-out, ihren entspannten Umgang mit
Hass und Hetze und ihre Kritik an der trans Community. Georgine
Kellermann ist ein Musterbeispiel dafür, wie schnell und unerwartet
frau in Deutschland zur Aktivistin werden kann. Drei Jahre nach
ihrem Coming-out gehört die 65-jährige WDR-Journalistin zu den
wichtigsten trans Stimmen in Deutschland. Täglich meldet sie sich
auf Twitter zu queeren Themen zu Wort, sie wird zu Talkshows
eingeladen, erhält Preise und gerät immer wieder ins Visier der
AfD. Als trans Frau und Mitarbeiterin des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks ist sie gleich doppeltes Feindbild. Was bei Kellermann
auffällt: Sie argumentiert stets freundlich und geduldig, stellt
sich selbst nicht in den Vordergrund, verliert nie die Fassung und
entschuldigt sich lieber vorbeugend, als zum Gegenangriff
auszuholen. Etwa als ihr die „Bild“-Zeitung im Oktober ziemlich
böswillig antipolnische Ressentiments unterstellte. Obwohl sich der
transfeindliche Mob hemmungslos auf ihrer Twitter-Seite austobt,
blickt sie positiv auf das Erreichte in Deutschland. Von
Verbitterung findet man bei der Frau, die sich vier lange
Jahrzehnte vor der Öffentlichkeit versteckte, keine Spur. „Wie
können Sie so milde sein?“, will denn auch Johannes Kram in seinem
neuen QUEERKRAM-Podcast von Georgine Kellermann wissen. „Ich
glaube, dass die Gesellschaft reif ist für Menschen wie mich“, sagt
die Journalistin. Die transfeindlichen Kommentare auf Twitter lese
sie gar nicht mehr. „Ich stelle mir dann immer die Menschen vor,
wie sie in ihrem Zimmer sitzen und nichts haben außer ihre
Tastatur.“ Es gebe gar nicht so viele Transfeinde in Deutschland,
glaubt Kellermann. „Aber die schreien extrem los, und die sind
stark vernetzt untereinander.“ Die Allies seien „viel zahlreicher,
aber die gehen nicht auf jeden Unsinn ein, die das ablehnende Lager
schreibt“. Zur Situation von trans Menschen meint die Leiterin des
WDR-Studios Essen: „Wir sind noch nicht in einer
Selbstverständlichkeit, aber wir kommen da langsam hin.“ Im Podcast
spricht Kellermann erneut über die Begegnung am Düsseldorfer
Flughafen, die 2019 zu ihrem spontanen Coming-out führte („Ich habe
mir gewünscht, erwischt zu werden“). Sie erzählt, wie sehr sie von
der Amazon-Serie „Transparent“ inspiriert wurde, übt Kritik an
„Kampfblättern“ wie „Emma“, glaubt fest daran, dass das
Selbstbestimmungsgesetz 2023 kommt, und erklärt, warum sie sich in
ihrer neuen Rolle als Aktivistin und Vorbild rundherum wohlfühlt.
Nur beim Thema „Passing“ übt sie leichte Kritik an der queeren
Szene: „Die Trans-Frauen-Community macht es ihren eigenen
Schwestern nicht leicht.“ Gleich mehrfach schlägt Johannes Kram im
Podcast vor, Kellermanns bewegtes Leben zu verfilmen. „Bislang hat
mich niemand gefragt, aber ich weiß gar nicht, ob ich das möchte“,
entgegnet die Journalistin. Allerdings verrät sie, dass sie im
Moment ein sehr persönliches wie politisches Buch schreibe, ein
Drittel sei bereits fertig. Auch bei diesem neuen Meilenstein zeigt
sich Georgine Kellermann uneitel und wundert sich, dass sie für das
Werk einen Honorarvorschuss erhält. „Eigentlich müsste ich ja Geld
dafür zahlen“, meint die 65-Jährige. „Diese intensive
Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben hätte ich nicht gehabt,
wenn man mich nicht gefragt hätte.“ - Micha Schulze, queer.de
26.11.2022

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