Benedikt Wolf und Harm-Peter Dietrich über § 175 und ein verschollenes Buch
1 Stunde 5 Minuten
Podcast
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Literaturwissenschaftler Benedikt Wolf und der Zeitzeuge Harm-Peter
Dietrich sprechen über Felix Rexhausens Buch „Zaunwerk“, das Anfang
der 1960er Jahre keinen Verlag fand. Der junge
Literaturwissenschaftler Benedikt Wolf hat einen echten Schatz
entdeckt. Im Schwulen Museum in Berlin blickte er offenbar als
erste Person in den Nachlass des 1992 gestorbenen Schriftstellers
Felix Rexhausen - und stieß völlig unerwartet auf den Durchschlag
eines Typoskripts für den wohl ersten schwulen Roman der
Bundesrepublik. „Zaunwerk. Szenen aus dem Gesträuch“ heißt das
schonungslos ehrliche Buch über das Leben homosexueller Männer in
der alten Bundesrepublik zwischen Paragraf 175 und Cruisingpark,
zwischen Razzia, Versteckspiel und Klappe. Rexhausen schrieb es
Anfang der 1960er Jahre unter Pseudonym. Wie Wolf mittlerweile
herausfand, lehnte ein großer Publikumsverlag damals die
Veröffentlichung ab. Erst mit fast 60 Jahren Verspätung ist
„Zaunwerk“ Ende letzten Jahres in der Bibliothek rosa Winkel des
Männerschwarm Verlags erschienen, am 17. Mai folgt eine von
Schauspieler Klaus Nierhoff eingesprochene Hörbuchfassung. Höchste
Zeit also, sich dieser „literarischen Sensation“ (Tilman Krause in
„sissy“) einmal genauer zu widmen. Johannes Kram hat dafür in
seinem QUEERKRAM-Podcast nicht nur Benedikt Wolf zu Gast, sondern
auch den 86-jährigen Zeitzeugen Harm-Peter Dietrich, der das
schwule Leben in den 1960er Jahre hautnah miterlebt hat. „Wenn ich
das damals gelesen hätte, hätte ich es kaum glauben können“, sagt
Dietrich über Rexhausens Roman. „Ich war von den Socken, ich hatte
das alles so erlebt.“ Der Journalist Felix Rexhausen arbeitete u.a.
für den „Spiegel“ und den WDR, war Mitbegründer von Amnesty
international Deutschland und veröffentlichte u.a. den schwulen
Roman "Lavendelschwert" (1966) und den homoerotischen Erzählband
"Berührungen" (1969). In „Zaunwerk“ beschreibt er mit genialer
Selbstironie die Cruisingrituale homo- und bisexueller Männer in
Parkanlagen und rund um öffentliche Toiletten – damals die fast
einzige Möglichkeit, jemanden für zehn Minuten oder länger
kennenzulernen. „Choreografie des Begehrens“ nennt Benedikt Wolf
das oft stundenlange nächtliche Herumgerenne und -gegucke, bei dem
man nie zu viel, aber auch nie zu wenig Interesse zeigen durfte.
Auch er sei oft „auf den Zwitsch“ gegangen, erzählt Harm-Peter
Dietrich im Podcast. Über seine heimlichen Ausflüge in die
„Pissbudenszene“ habe er sich zum einen geschämt, zum anderen habe
er dort Freunde und Bekannte treffen können, um mit ihnen über
andere „Klappenhuren“ zu lästern. Allein die Suche an diesen
verbotenen Orten hatte damals für ihn eine soziale wie lustvolle
Komponente, die heute im Zeitalter vom Grindr verloren gegangen
sei. So wie vereinzelte Männer damals über ihre Vereinzelung
zusammenfanden, vernetze Rexhausen in „Zaunwerk“ auch die
einzelnen, meist in sich abgeschlossenen Kapitel, analysiert
Benedikt Wolf. Der Literaturwissenschaftlicher und der Zeitzeuge
ergänzen sich hervorragend in dem Gespräch. Sie ordnen Rexhausens
Beobachtungen aus den 1960er Jahren ein und arbeiten heraus, welche
Strukturen auch heute noch im schwulen Alltag eine Rolle spielen.
Im Podcast sprechen sie über historisches Erinnern und
homosexuellen Selbsthass, die Gefahren, die damals von Polizei und
Strichern ausgingen, über Mundpropaganda als einzige
Informationsquelle, die Unterschiede zwischen einzelnen deutschen
Städten und das damals übliche Siezen in den Homobars - in
„Zaunwerk“ duzen sich die Schwulen nur beim Sex. Was wäre wohl
passiert, hätte Rexhausens Buch Anfang der 1960er Jahren doch einen
Verlag gefunden? Hätte es ein früherer Startschuss für die
westdeutsche Schwulenbewegung sein können als Praunheims Film
„Nicht der Homosexuelle ist pervers…“? Oder hätte es die staatliche
Repression eher noch verschärft?
Dietrich sprechen über Felix Rexhausens Buch „Zaunwerk“, das Anfang
der 1960er Jahre keinen Verlag fand. Der junge
Literaturwissenschaftler Benedikt Wolf hat einen echten Schatz
entdeckt. Im Schwulen Museum in Berlin blickte er offenbar als
erste Person in den Nachlass des 1992 gestorbenen Schriftstellers
Felix Rexhausen - und stieß völlig unerwartet auf den Durchschlag
eines Typoskripts für den wohl ersten schwulen Roman der
Bundesrepublik. „Zaunwerk. Szenen aus dem Gesträuch“ heißt das
schonungslos ehrliche Buch über das Leben homosexueller Männer in
der alten Bundesrepublik zwischen Paragraf 175 und Cruisingpark,
zwischen Razzia, Versteckspiel und Klappe. Rexhausen schrieb es
Anfang der 1960er Jahre unter Pseudonym. Wie Wolf mittlerweile
herausfand, lehnte ein großer Publikumsverlag damals die
Veröffentlichung ab. Erst mit fast 60 Jahren Verspätung ist
„Zaunwerk“ Ende letzten Jahres in der Bibliothek rosa Winkel des
Männerschwarm Verlags erschienen, am 17. Mai folgt eine von
Schauspieler Klaus Nierhoff eingesprochene Hörbuchfassung. Höchste
Zeit also, sich dieser „literarischen Sensation“ (Tilman Krause in
„sissy“) einmal genauer zu widmen. Johannes Kram hat dafür in
seinem QUEERKRAM-Podcast nicht nur Benedikt Wolf zu Gast, sondern
auch den 86-jährigen Zeitzeugen Harm-Peter Dietrich, der das
schwule Leben in den 1960er Jahre hautnah miterlebt hat. „Wenn ich
das damals gelesen hätte, hätte ich es kaum glauben können“, sagt
Dietrich über Rexhausens Roman. „Ich war von den Socken, ich hatte
das alles so erlebt.“ Der Journalist Felix Rexhausen arbeitete u.a.
für den „Spiegel“ und den WDR, war Mitbegründer von Amnesty
international Deutschland und veröffentlichte u.a. den schwulen
Roman "Lavendelschwert" (1966) und den homoerotischen Erzählband
"Berührungen" (1969). In „Zaunwerk“ beschreibt er mit genialer
Selbstironie die Cruisingrituale homo- und bisexueller Männer in
Parkanlagen und rund um öffentliche Toiletten – damals die fast
einzige Möglichkeit, jemanden für zehn Minuten oder länger
kennenzulernen. „Choreografie des Begehrens“ nennt Benedikt Wolf
das oft stundenlange nächtliche Herumgerenne und -gegucke, bei dem
man nie zu viel, aber auch nie zu wenig Interesse zeigen durfte.
Auch er sei oft „auf den Zwitsch“ gegangen, erzählt Harm-Peter
Dietrich im Podcast. Über seine heimlichen Ausflüge in die
„Pissbudenszene“ habe er sich zum einen geschämt, zum anderen habe
er dort Freunde und Bekannte treffen können, um mit ihnen über
andere „Klappenhuren“ zu lästern. Allein die Suche an diesen
verbotenen Orten hatte damals für ihn eine soziale wie lustvolle
Komponente, die heute im Zeitalter vom Grindr verloren gegangen
sei. So wie vereinzelte Männer damals über ihre Vereinzelung
zusammenfanden, vernetze Rexhausen in „Zaunwerk“ auch die
einzelnen, meist in sich abgeschlossenen Kapitel, analysiert
Benedikt Wolf. Der Literaturwissenschaftlicher und der Zeitzeuge
ergänzen sich hervorragend in dem Gespräch. Sie ordnen Rexhausens
Beobachtungen aus den 1960er Jahren ein und arbeiten heraus, welche
Strukturen auch heute noch im schwulen Alltag eine Rolle spielen.
Im Podcast sprechen sie über historisches Erinnern und
homosexuellen Selbsthass, die Gefahren, die damals von Polizei und
Strichern ausgingen, über Mundpropaganda als einzige
Informationsquelle, die Unterschiede zwischen einzelnen deutschen
Städten und das damals übliche Siezen in den Homobars - in
„Zaunwerk“ duzen sich die Schwulen nur beim Sex. Was wäre wohl
passiert, hätte Rexhausens Buch Anfang der 1960er Jahren doch einen
Verlag gefunden? Hätte es ein früherer Startschuss für die
westdeutsche Schwulenbewegung sein können als Praunheims Film
„Nicht der Homosexuelle ist pervers…“? Oder hätte es die staatliche
Repression eher noch verschärft?
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