Kerstin Polte über die queere TV-Revolution und Goethes Faust auf feministisch

Kerstin Polte über die queere TV-Revolution und Goethes Faust auf feministisch

1 Stunde 2 Minuten
Podcast
Podcaster
Queer.de präsentiert den queeren Podcast mit Nollendorfblogger Johannes Kram

Beschreibung

vor 3 Jahren
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Kerstin Polte spricht über die
zunehmende queere Sichtbarkeit in Film und TV, warum sie Corinna
Harfouch eine Lesbe spielen lässt und wie sie dem ZDF eine Serie
mit nichtbinärer Hauptfigur abgetrotzt hat. Das
öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland galt lange als
extrem heteronormativ und besonders verschnarcht, doch in letzter
Zeit scheint es auf den queeren Geschmack gekommen zu sein. Bereits
im Mai war in der ARD-Mediathek die schwule Serie "All You Need" zu
sehen, gefolgt Ende Juni von der lesbischen ZDF-Produktion "Loving
Her". Ab dem 31. August wird auf ZDFneo die Sitcom "The Drag and
Us" gezeigt. Aktuell dreht Julia von Heinz zudem für die ARD unter
dem Arbeitstitel "Eldorado KaDeWe" eine Serie über das Berliner
Kaufhaus, bei der ein lesbisches Paar im Mittelpunkt steht. Dass
sich endlich etwas ändert, auch in den eingefahrenen Strukturen,
das liegt natürlich an der starken Konkurrenz von Netflix und Co.
Aber auch an einzelnen Personen, die von den Sendern mehr
Diversität einfordern und dabei nicht lockerlassen. Eine von ihnen
ist die Berliner Regisseurin und Drehbuchautorin Kerstin Polte, die
Johannes Kram in seinem neuen QUEERKRAM-Podcast zu Gast hat. Die
Folge könnte aktueller nicht sein: Am Donnerstag, den 26. August um
20.15 Uhr zeigt das ZDF Poltes Spielfilm "Immer der Nase nach", in
dem wir Corinna Harfouch in einer lesbischen Rolle erleben dürfen.
Auch bei der Serie "Wir" über zwei Frauen, die nach zwölf Jahren
Trennung wieder zueinanderfinden und die ab 17. September in der
ZDF-Mediathek läuft, gehört das 46-jährige Gründungsmitglied der
Queer Media Society zum Regieteam. Bereits in Poltes erstem langen
Kinospielfilm "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" (2018) gab
es eine lesbische Nebenstory: Meret Becker verliebt sich als
Tochter einer dementen Mutter in eine Truckerin. In ihren Filmen
wolle sie queere Figuren in ihrer Selbstverständlichkeit zeigen,
nicht als Coming-out-Problem, stellt Kerstin Polte im Podcast klar.
"Ich finde diese Erzählung anhand von andersartigen Konflikten
todlangweilig. Ich nehme gerne Themen, die uns alle betreffen." In
Bezug auf "Immer der Nase nach" berichtet sie detailliert, wie sie
das ursprüngliche Drehbuch von Klischees befreit und mit
feministischen Korrekturen den "ZDF-Sendeplatz gesprengt" habe. "Wo
wir wirklich was reißen können, ist für die breite Masse zu
erzählen", sagt Kerstin Polte. Und kündigt im Gespräch mit Johannes
Kram sogleich die erste ZDF-Serie mit einer nichtbinären Hauptfigur
an: Die Dreharbeiten für "Charlie" sollen Ende des Jahres beginnen.
Im Mittelpunkt, so die Co-Regisseurin, stehe eine Person aus dem
"Plattenbaumilieu", die bei ihren queeren Tanten unterkomme.
"Scheiß auf diese ganzen binären Quatschsysteme", sagt Polte. "Lass
uns anfangen, Menschen in allen Farben, Formen und Ecken zu
erzählen." Im Podcast erklärt die lesbische Filmemacherin außerdem,
warum es "längst überfällig" sei, Goethe, Kleist und Büchner
umzuschreiben, und dass die Diversity auch bei den vermeintlichen
modernen Streamingdiensten ihre Grenzen hat. Sehr wenig hält sie
von den neuen Amazon-Richtlinien, nach denen nur noch
Schauspieler*innen engagiert werden sollen, "deren Identität
(Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität,
sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie
spielen, übereinstimmt". Awareness zu schaffen, sei nicht verkehrt,
so Polte, doch Schauspielkunst bestehe aus mehr als der eigenen
Biografie. "Es geht nicht darum zu spielen, wer man ist, sondern zu
zeigen, was will eine Figur." -- Micha Schulze auf queer.de, 21.
August 2021

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