Seyran Ates über queere Muslim*innen und eine sexuelle Revolution im Islam

Seyran Ates über queere Muslim*innen und eine sexuelle Revolution im Islam

1 Stunde 5 Minuten
Podcast
Podcaster
Queer.de präsentiert den queeren Podcast mit Nollendorfblogger Johannes Kram

Beschreibung

vor 3 Jahren
Seyran Ateş spricht über über die von ihr gegründete
queerfreundliche Moschee, die Bekämpfung des "politischen Islam",
ständige Morddrohungen und ihren Frust über Linke und Liberale.
Seyran Ateş haben wir es zu verdanken, dass seit gut einem Monat
queere Muslim*innen auf Postern im gesamten Berliner Stadtgebiet
Gesicht zeigen. "Liebe ist halal" heißt die geniale Kampagne der
von ihr gegründeten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, von der sich
christliche Gemeinden eine dicke Scheibe abschneiden können. Werben
katholische Kirchen für Homo-Akzeptanz, sehen wir meist nur treue
Zweierpaare, denen zum Lebensglück nur der Segen des Pfarrers
fehlt. Die Poster von Ateş sind dagegen nicht nur viel näher dran
an der Vielfalt queeren Lebens, sondern gehen direkt ans
Eingemachte, in dem sie Sexualität nicht ausklammern. "Ich bin
Muslim, gläubig und habe trotzdem Sex. Mit Männern", sagt der
23-jährige Tugay auf einem Motiv. Die sexuelle Revolution des Islam
– das ist das Lebensziel von Seyran Ateş. Trotz jahrelanger
Anfeindungen, ständiger Morddrohungen und vieler Enttäuschungen
brennt die bisexuelle Rechtsanwältin und Imamin weiterhin, ja
vielleicht gerade deshalb, für die Idee eines zeitgemäßen,
liberalen, geschlechtergerechten und queerfreundlichen Islam. Auch
im neuen QUEERKRAM-Podcast: Mit Johannes Kram spricht die
58-Jährige eine Stunde lang engagiert über ihre Motivation, die
kleinen Erfolge, ihren Kampf gegen den "politischen Islam" und die
vielen Widerstände, die nicht nur von orthodoxen Muslim*innen
kommen. Gleich zu Beginn des Podcasts schimpft Ateş auf den
rot-rot-grünen Berliner Senat, von dem sie zu wenig Unterstützung
erhalte. "Nach vier Jahren kann ich sagen, dass wir hier in dieser
Stadt nicht so gern gesehen sind", sagt sie über ihre 2017
gegründete Moschee, in der alle Geschlechter gemeinsam in einem
Raum beten. Ausgerechnet Linke, Liberale und Feministinnen würden
ihr vorwerfen, konservative Muslim*innen zu überfordern. "Sie
fallen uns in den Rücken, in dem sie uns diffamieren", empört sich
Ateş. "Mit denselben Argumenten wie die Muslimbrüder." Die heftigen
Attacken der streitbaren Aktivistin verstören zunächst beim Hören
des Podcasts. Sie wirken anfangs überzogen, zu sehr scheint sich
die selbstgerechte Moscheegründerin in der Opferrolle zu gefallen.
Und doch gelingt es ihr, das Gespräch nach und nach mit Argumenten
herumzureißen und Verständnis für ihren Frust zu wecken. Immer
wieder deckt sie etwa Doppelstandards der Politik im Umgang mit
Religionen oder Feinden der Demokratie auf: "Sobald es um
Rechtsextreme und AfD geht, ist man sehr klar, mit denen redet man
nicht – aber wenn es um muslimische Identitäre geht, dann ist man
verhalten." Auch wenn der orthodoxe Islam viel sichtbarer sei,
handele sich bei der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee um keine Sekte,
stellt Seyran Ateş empört klar. "Säkulare Muslime sind in
Deutschland keine kleine Minderheit", so die Imamin. Ihre Gemeinde
sei "für sehr viele Muslime ein dankbares Geschenk". Weltweit gebe
es Hunderte liberaler Moscheen. Ausführlich geht es im Podcast auch
um den Kopftuchstreit, das Berliner Neutralitätsgesetz, islamischen
Religionsunterricht und, ganz wichtig, Queerfeindlichkeit in
migrantischen Communitys. Am Ende zieht Seyran Ateş eine vorsichtig
optimistische Bilanz zur sexuellen Revolution im Islam: "Es gibt
negative Entwicklungen, aber ich kann eher sagen, dass es sich
verbessert." Bewegungen wie die ihre hätten "immer klein
angefangen". An Ideen mangelt es Ateş übrigens nicht. Als nächstes
wolle sie eine eigene Universität gründen, verrät sie im Gespräch
mit Johannes Kram. Und auf der Turmstraße in Berlin-Moabit soll es
demnächst unter dem Motto "Liebe ist halal" ein queeres
muslimisches Straßenfest mit kleiner Parade geben. - Micha Schulze
auf queer.de, 13. Juni 2021

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