Sigrid Grajek über queer in den 1920ern, Wolfgang Thierse und die Lust auf Kneipe nach Corona
1 Stunde 4 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Die Berliner Künstlerin Sigrid Grajek spricht über queere
Selbstdefinitionen und Generationenkonflikte, die Aktion
#Allesdichtmachen, natürlich Claire Waldoff und was wir von den
1920er Jahren lernen können. Wer Sigrid Grajek einmal live erlebt,
wird sofort ein Fan. Ihre Interpretationen von Liedern der 1920er
Jahre sind eine absolut mitreißende und hochemotionale Zeitreise.
Wenn die lesbische Berliner Künstlerin, Jahrgang 1963, die großen
Weimarer Hymnen schmettert, tobt die queere Szenekneipe ebenso wie
das Hohenschönhausener Senior*innenheim. Das Coronavirus macht
ihren Auftritten seit über einem Jahr einen Strich durch die
Rechnung, aber so hatte Grajek immerhin Zeit für ein längeres
Gespräch mit Johannes Kram. Von einem "Berufsverbot", wie es andere
Künstler*innen nennen, will die Sängerin, Kabarettistin und
Schauspielerin im neuen QUEERKRAM-Podcast allerdings nichts wissen.
"Ich sitze lieber noch ein Jahr zu Hause, als dass ich einen
Menschen gefährde", verteidigt sie die Kontaktverbote. Hin und
wieder gebe sie Wohnzimmerkonzerte via Zoom. Die Aktion
#Allesdichtmachen erklären Grajek und Kram auch mit der
"narzisstischen Kränkung" einiger auftrittsverwöhnter
Künstler*innen in der Pandemie. Die Sängerin, die mit ihrem
Claire-Waldoff-Programm fast 500 Mal auf der Bühne stand, wird im
Podcast sehr persönlich. Sie berichtet von ihrem dramatischen
Coming-out in Lünen, das dazu führte, dass sie mit 16 Jahren ihre
geschockte Mutter verließ, die Schule abbrach und in ein besetztes
Haus in Dortmund zog. Den Begriff "Lesbe" habe sie sich damals erst
erarbeiten müssen. "Ich komme aus einem katholischen Elternhaus, da
gab es das Wort nicht." Heute sei ihre Mutter ihr größter Fan und
widerspreche jeder queerfeindlichen Äußerung, berichtet Grajek.
Verständnis brauche Zeit. Überhaupt gibt sich die Künstlerin sehr
gelassen, egal ob es um Generationenkonflikte oder den Streit um
Selbstdefinitionen geht. Zu Wolfgang Thierses Attacken gegen "linke
Identitätspolitik" meint sie nur: "Die Revolutionäre von gestern
sind die Konservativen von heute. Das war schon immer so." Dass
lesbische Identitäten in der jungen queeren Generation eine
geringere Rolle spielen, findet Grajek nicht schlimm. "Ich habe als
junge Lesbe für meine Zukunft, wie ich sie mir vorgestellt habe,
gekämpft und bin damit angeeckt bei der damaligen
Mehrheitsgesellschaft." Nun gestalteten viele junge Menschen "mit
komplett anderen Begriffen" ihre Zukunft. "An mancher Stelle geht
es einfach darum, denen das Feld zu überlassen", rät Grajek. Jede
sei sie nun mal ein Kind ihrer Zeit: "Wenn ich heute 17 wär', dann
wäre ich vielleicht nonbinär." Immer wieder kommen Johannes Kram
und Sigrid Grajek im Podcast auf die 1920er-Jahre zu sprechen, auf
die große queere Freiheit nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, als
es weitaus mehr Szenekneipen gab als heute und bereits dieselben
Debatten über Anderssein und "Normalität" geführt wurden. Was wir
aus dieser Zeit lernen können, fragt Kram am Ende des Gesprächs.
Grajeks Antwort: "Wir können auf jeden Fall lernen, dass das Leben
weitergeht." -- Micha Schulze auf queer.de, 9. Mai 2021 --
Selbstdefinitionen und Generationenkonflikte, die Aktion
#Allesdichtmachen, natürlich Claire Waldoff und was wir von den
1920er Jahren lernen können. Wer Sigrid Grajek einmal live erlebt,
wird sofort ein Fan. Ihre Interpretationen von Liedern der 1920er
Jahre sind eine absolut mitreißende und hochemotionale Zeitreise.
Wenn die lesbische Berliner Künstlerin, Jahrgang 1963, die großen
Weimarer Hymnen schmettert, tobt die queere Szenekneipe ebenso wie
das Hohenschönhausener Senior*innenheim. Das Coronavirus macht
ihren Auftritten seit über einem Jahr einen Strich durch die
Rechnung, aber so hatte Grajek immerhin Zeit für ein längeres
Gespräch mit Johannes Kram. Von einem "Berufsverbot", wie es andere
Künstler*innen nennen, will die Sängerin, Kabarettistin und
Schauspielerin im neuen QUEERKRAM-Podcast allerdings nichts wissen.
"Ich sitze lieber noch ein Jahr zu Hause, als dass ich einen
Menschen gefährde", verteidigt sie die Kontaktverbote. Hin und
wieder gebe sie Wohnzimmerkonzerte via Zoom. Die Aktion
#Allesdichtmachen erklären Grajek und Kram auch mit der
"narzisstischen Kränkung" einiger auftrittsverwöhnter
Künstler*innen in der Pandemie. Die Sängerin, die mit ihrem
Claire-Waldoff-Programm fast 500 Mal auf der Bühne stand, wird im
Podcast sehr persönlich. Sie berichtet von ihrem dramatischen
Coming-out in Lünen, das dazu führte, dass sie mit 16 Jahren ihre
geschockte Mutter verließ, die Schule abbrach und in ein besetztes
Haus in Dortmund zog. Den Begriff "Lesbe" habe sie sich damals erst
erarbeiten müssen. "Ich komme aus einem katholischen Elternhaus, da
gab es das Wort nicht." Heute sei ihre Mutter ihr größter Fan und
widerspreche jeder queerfeindlichen Äußerung, berichtet Grajek.
Verständnis brauche Zeit. Überhaupt gibt sich die Künstlerin sehr
gelassen, egal ob es um Generationenkonflikte oder den Streit um
Selbstdefinitionen geht. Zu Wolfgang Thierses Attacken gegen "linke
Identitätspolitik" meint sie nur: "Die Revolutionäre von gestern
sind die Konservativen von heute. Das war schon immer so." Dass
lesbische Identitäten in der jungen queeren Generation eine
geringere Rolle spielen, findet Grajek nicht schlimm. "Ich habe als
junge Lesbe für meine Zukunft, wie ich sie mir vorgestellt habe,
gekämpft und bin damit angeeckt bei der damaligen
Mehrheitsgesellschaft." Nun gestalteten viele junge Menschen "mit
komplett anderen Begriffen" ihre Zukunft. "An mancher Stelle geht
es einfach darum, denen das Feld zu überlassen", rät Grajek. Jede
sei sie nun mal ein Kind ihrer Zeit: "Wenn ich heute 17 wär', dann
wäre ich vielleicht nonbinär." Immer wieder kommen Johannes Kram
und Sigrid Grajek im Podcast auf die 1920er-Jahre zu sprechen, auf
die große queere Freiheit nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, als
es weitaus mehr Szenekneipen gab als heute und bereits dieselben
Debatten über Anderssein und "Normalität" geführt wurden. Was wir
aus dieser Zeit lernen können, fragt Kram am Ende des Gesprächs.
Grajeks Antwort: "Wir können auf jeden Fall lernen, dass das Leben
weitergeht." -- Micha Schulze auf queer.de, 9. Mai 2021 --
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