Was ist Aufklärung? - Einsicht und Glauben hängen vom Willen ab
1 Stunde 30 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Die Menschen reden vom Selbstdenken, als wäre es eine Sache, zu
der nichts gehörte und die sich von selbst verstünde. Kaum je
fragen sie, wie, da doch jeder so sicher ist, selbst zu denken,
Irrtum möglich ist, wie verschiedene Meinungen zustandekommen
mögen. Die Wahrheit ist, dass der Verstand der Menschen weniger
dem unvoreingenommenen Nachdenken und dem Aufsuchen der Wahrheit
dient und dass er mehr dazu gebraucht wird, schönzureden und
nachträglich zu begründen, was immer die Menschen für wahr halten
wollen. Es ist der Wille, nicht der Intellekt, der bestimmend
ist, und nur an Das glauben wir, es sei wahr oder falsch, gut
oder schlecht begründet, daran wir auch glauben wollen, das also
mit unserem Willen übereinstimmt. Anders gesagt: Es denkt zumeist
nicht der Mensch selbst, sondern seine Interessen denken für ihn
und gelangen, wenig verwunderlich, immer gerade zum ihnen
genehmen Ergebnis.
Es gibt eine Unzahl unterschiedlicher Meinungen: 0:08
Das meiste wird als selbstverständlich hingenommen; philosophisch
ist es, sich über das Selbstverständliche und Alltägliche zu
verwundern: 5:10
Unterschiedliche Meinungen und das Beharren darauf sind durch
Unkenntnis und Dummheit allein nicht erklärlich: 6:27
Nicht die Theorie bestimmt die Praxis, sondern die Praxis die
Theorie: 11:23
Die Meinungen der Menschen sind nicht rational, sondern werden
nachträglich erst rationalisiert: 25:46
Beispiel: Reichsbürger: 27:46
Das Ideal einer Debatte oder von der Wahrheitssuche hat meist nur
wenig mit der Wirklichkeit zu tun: 42:18
Auch wo es scheinbar um Wissenschaft geht, ist es oftmals nicht
um freie Wahrheitssuche zu tun, sondern soll ein vorher schon
feststehendes Ergebnis nur gestützt werden: 45:44
Jede noch so falsche Meinung lässt sich argumentativ stützen:
49:22
Auch in der sogenannten seriösen Wissenschaft ist das Ideal der
unvoreingenommenen Wahrheitssuche oft kaum verwirklicht: 51:48
Steht die Meinung erst einmal fest, ist keine Begründung zu
unsinnig, um zu ihrer Rechtfertigung herzuhalten: 56:18
Aus dem Primat der Praxis erklärt sich das häufige Zusammenfallen
verschiedener Meinungen, die inhaltlich zunächst nichts
miteinander zu tun zu haben scheinen: 1:01:13
Die Menschen schauen die Wirklichkeit nicht frei an, sondern
sehen nur, was immer sie sehen wollen und sie bestätigt: 1:11:02
Beispiel: Die Feministin, die überall Frauenfeindlichkeit sieht:
1:13:54
Wirkt der Aufgeklärte intellektuell überlegen, so weniger aus
intellektueller als vielmehr aus moralischer Überlegenheit:
1:27:53
Die von mir besprochene Passage aus Imre Kertész' Roman eines
Schicksallosen findet sich im ersten Kapitel: „Wir waren schon
auf unserem Stockwerk, als meiner Stiefmutter einfiel, daß sie
vergessen hatte, die Brotmarken einzulösen. In die Bäckerei habe
ich dann zurück müssen. Den Laden konnte ich erst nach ein
bißchen Schlangestehen betreten. Zuerst mußte ich mich vor die
blonde, großbusige Bäckersfrau hinstellen: sie schnitt das
entsprechende Quadrat von der Brotmarke ab, dann weiter, vor den
Bäcker, der das Brot abwog. Er hat meinen Gruß gar nicht
erwidert; es ist ja in der Gegend allgemein bekannt, daß er die
Juden nicht mag. Deshalb hat er mir auch um etliche Gramm zu
wenig Brot hingeworfen. Ich habe aber auch schon sagen gehört,
daß auf diese Weise pro Ration etwas für ihn übrigbleibt. Und
irgendwie, wegen seines wütenden Blicks und seiner geschickten
Handbewegung, habe ich auf einmal die Richtigkeit seines
Gedankengangs verstanden, nämlich warum er die Juden in der Tat
nicht mögen kann: sonst müßte er ja das unangenehme Gefühl haben,
er betrüge sie. So hingegen verfährt er seiner Überzeugung gemäß,
und sein Handeln wird von der Richtigkeit einer Idee gelenkt, was
nun aber – das sah ich ein – etwas ganz anderes sein mag,
natürlich.“
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