Was ist Aufklärung? - Der Aufgeklärte hat ein Ich, der Unaufgeklärte viele
1 Stunde 30 Minuten
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Dass der Unaufgeklärte nicht individuell ist, sondern vielmehr
Klischees lebt und die meiste Zeit über irgendwelche Rollen
spielt, das habe ich bei früherer Gelegenheit schon ausgeführt.
Aber nicht nur im alltagssprachlichen Sinne hat man dies zu
verstehen, sondern ganz wörtlich: Der unaufgeklärte Mensch ist
kein Individuum, d. h. kein Unteilbares, sondern eher ein
Divdiuum, ein Teilbares, ja richtiger noch, ein Divisum, ein
Geteiltes. Die Bemerkung mag trivial erscheinen, dass selbst
denken nur kann, wer ein Selbst auch hat, sie ist aber für die
Aufklärung von großer Bedeutung, denn die Menschen mögen zwar
meinen, nur weil sie „Ich“ sagen können, hätten sie auch wirklich
ein Ich, die Wahrheit ist aber, dass sie eine Vielzahl von Ichen
in ihrer Brust tragen: Von Augenblick zu Augenblick, je nach dem
Affekt, der gerade herrschend, nach der Rolle, die gerade
gefragt, dem Begehren, das gerade im Vordergrund ist, wechseln
die verschiedenen Iche einander ab. Ein Selbstdenken ist einem
Menschen in dieser Lage gar nicht möglich, denn wenn er im einen
Moment etwas denkt, muss im nächsten Moment schon ein anderes Ich
etwas Anderes denken, das dem Vorigen nur allzu oft widersprechen
wird. Bei der Aufklärung geht es daher darum, die verschiedenen
Anteile des eigenen Wesens zu einem einzigen mit sich selbst
einigen Ich zu vereinen.
Soll ich selbst denken, brauche ich dafür Ein Ich: 0:08
Der unaufgeklärte Mensch ist nicht Einer, sondern Legion: 2:35
Oft spielen Menschen ihre verschiedenen Iche gegeneinander aus:
11:11
Was die Menschen zu ihrem Ich, was zum Nicht-Ich rechnen, das
wechselt oft je nach Situation: 27:49
- Oft nutzen Menschen es aus, bestimmte ihrer Handlungen, statt
sich selbst, dem Nicht-Ich anlasten zu können: 38:39
Vielfach gibt es eine Kluft zwischen den Meinungen der Menschen
und ihrem Tun: 53:10
- Es gibt einen Unterschied zwischen bloßem Kennen und echtem
Begreifen und Durchdringen einer Sache, der in der Philosophie
sehr deutlich wird: 57:13
- Was immer die Ideologie oder der Glaube eines Menschen ist: sie
gleichen sich meist darin, wie wenig diese Meinungen für ihr
Handeln bedeuten: 1:02:14
- Der heroische Charakter meint, all sein Tun wäre notwendig gut,
da er ja selber gut wäre, und wähnt sich daher über Regeln und
Kontrollen erhaben: 1:07:40
- Die Meinungen und Glaubenssätze der Menschen liegen oft nur
oberflächlich auf, bedeuten aber wenig für ihren tatsächlichen
Lebensvollzug: 1:09:26
- Aufklärung soll den Menschen transformieren, sie geht zuerst
auf seine Haltung, über welche sie seine Meinungen wandelt,
während das Umgekehrte kaum Erfolg verspricht: 1:20:30
Ein festes, einiges Ich kann nur haben, wer klare Prinzipien hat:
1:27:25
Ich sage in diesem Vortrag, dass das depressive Wegwerfen seiner
Selbst nur ein versteckter Narzissmus ist. Dieser Narzissmus,
kann ich anfügen, ist Grundlage der Depression: Der Narzisst,
darin unterscheidet er sich vom bloß Eitlen, hat kein Du, er ist
nur mit sich selbst beschäftigt - Narziss verliebte sich
schließlich in sein eigenes Spiegelbild. An eben diesem Fehlen
eines Du leidet nun der Depressive: Es ist ihm - gerade das macht
seine Depression aus -, als wäre er wie durch eine Mauer von der
Welt abgesondert, wobei er diese Mauer selbst errichtet hat. Auch
aus seinem eigenen Ich kann ihm keine Freude erwachsen, es muss
verkümmert oder vielmehr unentwickelt sein, denn ein Ich kann
sich, wie die Wissenschaftslehre beschreibt, nur in dem Maße
entwickeln, wie es mit einem Du in Kontakt tritt.
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