Autofreie Sonntage, Tempolimit: Ökonom Jens Südekum fordert „massive Energiesparkampagne“
Handelsblatt Today vom 25.03.2022
44 Minuten
Beschreibung
vor 2 Jahren
Putin ändert eigenmächtig die Spielregeln bei Gaslieferungen.
Ökonom Jens Südekum glaubt, dass ein Gasembargo gegen Russland nun
wahrscheinlicher geworden ist. Der russische Präsident Wladimir
Putin will „unfreundliche Staaten“, zu denen er unter anderem die
gesamte EU und die USA zählt, ihre Gaslieferungen noch noch in
Rubel bezahlen lassen. Die Details sollen noch ausgearbeitet
werden, aber westliche Staaten könnten dadurch gezwungen sein,
zumindest indirekt die eigenen Sanktionen gegen Russland zu
unterlaufen. „Angenommen es käme so, wie Putin es verkündet hat,
dann hätte das aus seiner Sicht den Vorteil, dass auf den
Devisenmärkten die Stützung des Rubel-Wechselkurses ein bisschen
einfacher und kraftvoller möglich wäre als im jetzigen
Arrangement“, sagte der Ökonom Jens Südekum in der neuen Folge von
„Handelsblatt Today“. Aktuell bezahlen Deutschland und andere
EU-Staaten ihre Gasrechnungen in Euro. Das Geld geht direkt an
russische Energielieferanten wie Gazprom, welche anschließend 80
Prozent der harten Währung bei der russischen Zentralbank in Rubel
umtauschen müssen. Die russische Zentralbank ist aber nicht voll
handlungsfähig, da sie den westlichen Sanktionen unterliegt und
kann somit diese Devisen auf den internationalen Märkten kaum
nutzen, um damit den Rubelkurs zu stützen. Putins Plan könnte dazu
führen, „dass russische Geschäftsbanken anstelle der Zentralbank
als nicht sanktionierte Banken de facto diese Devisen nutzen, um
ihrerseits den Rubel-Wechselkurs zu beeinflussen“, sagte Südekum.
Doch das sei nur die rein technisch-ökonomische Lesart von Putins
Manöver. „Die zweite, nämlich die machtpolitische Dimension, halte
ich für weitaus relevanter.“ Putin wolle hier einfach die
Spielregeln ändern, obwohl die Verträge auf Euro und Dollar
lauteten. „Aus meiner Sicht kann sich der Westen auf solche
Spielchen überhaupt nicht einlassen“, sagt Südekum. Ein komplettes
Gasembargo gegen Russland ist nun wahrscheinlicher geworden, glaubt
Südekum. Ein solches Szenario könnte aber die deutsche Wirtschaft
hart treffen: Südekum schließt nicht aus, dass es in Deutschland
auch zu Produktionsausfällen kommen könnte, wenn es nicht gelingen
sollte, die Gasspeicher über den Sommer aufzufüllen. Und ohne
russisches Gas wäre das deutlich schwieriger. Neben der Suche nach
alternativen Gaslieferanten wie USA oder Katar sei es nun auch
geboten, Energie zu sparen. Der Ökonom fordert „eine massive
Energiesparkampagne bis hin zu autofreien Sonntagen und Tempolimit
auf den Autobahnen“. Bereits jetzt zeichnen sich deutliche Folgen
des Ukraine-Krieges für die deutsche Wirtschaft ab: Die
Wachstumsprognosen seien auch schon ohne Embargo dramatisch nach
unten korrigiert worden. „Die Gefahr einer Rezession ist sehr
hoch“, sagt Südekum. Außerdem: Handelsblatt-Aktienanalyst Ulf
Sommer sprach am Dienstagabend live mit der Instagram-Community
über die gefährliche Abhängigkeit deutscher Unternehmen vom
chinesischen Markt und die Untätigkeit der EZB trotz der hohen
Inflation. *** Exklusives Angebot für Handelsblatt Today-Hörer:
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Ökonom Jens Südekum glaubt, dass ein Gasembargo gegen Russland nun
wahrscheinlicher geworden ist. Der russische Präsident Wladimir
Putin will „unfreundliche Staaten“, zu denen er unter anderem die
gesamte EU und die USA zählt, ihre Gaslieferungen noch noch in
Rubel bezahlen lassen. Die Details sollen noch ausgearbeitet
werden, aber westliche Staaten könnten dadurch gezwungen sein,
zumindest indirekt die eigenen Sanktionen gegen Russland zu
unterlaufen. „Angenommen es käme so, wie Putin es verkündet hat,
dann hätte das aus seiner Sicht den Vorteil, dass auf den
Devisenmärkten die Stützung des Rubel-Wechselkurses ein bisschen
einfacher und kraftvoller möglich wäre als im jetzigen
Arrangement“, sagte der Ökonom Jens Südekum in der neuen Folge von
„Handelsblatt Today“. Aktuell bezahlen Deutschland und andere
EU-Staaten ihre Gasrechnungen in Euro. Das Geld geht direkt an
russische Energielieferanten wie Gazprom, welche anschließend 80
Prozent der harten Währung bei der russischen Zentralbank in Rubel
umtauschen müssen. Die russische Zentralbank ist aber nicht voll
handlungsfähig, da sie den westlichen Sanktionen unterliegt und
kann somit diese Devisen auf den internationalen Märkten kaum
nutzen, um damit den Rubelkurs zu stützen. Putins Plan könnte dazu
führen, „dass russische Geschäftsbanken anstelle der Zentralbank
als nicht sanktionierte Banken de facto diese Devisen nutzen, um
ihrerseits den Rubel-Wechselkurs zu beeinflussen“, sagte Südekum.
Doch das sei nur die rein technisch-ökonomische Lesart von Putins
Manöver. „Die zweite, nämlich die machtpolitische Dimension, halte
ich für weitaus relevanter.“ Putin wolle hier einfach die
Spielregeln ändern, obwohl die Verträge auf Euro und Dollar
lauteten. „Aus meiner Sicht kann sich der Westen auf solche
Spielchen überhaupt nicht einlassen“, sagt Südekum. Ein komplettes
Gasembargo gegen Russland ist nun wahrscheinlicher geworden, glaubt
Südekum. Ein solches Szenario könnte aber die deutsche Wirtschaft
hart treffen: Südekum schließt nicht aus, dass es in Deutschland
auch zu Produktionsausfällen kommen könnte, wenn es nicht gelingen
sollte, die Gasspeicher über den Sommer aufzufüllen. Und ohne
russisches Gas wäre das deutlich schwieriger. Neben der Suche nach
alternativen Gaslieferanten wie USA oder Katar sei es nun auch
geboten, Energie zu sparen. Der Ökonom fordert „eine massive
Energiesparkampagne bis hin zu autofreien Sonntagen und Tempolimit
auf den Autobahnen“. Bereits jetzt zeichnen sich deutliche Folgen
des Ukraine-Krieges für die deutsche Wirtschaft ab: Die
Wachstumsprognosen seien auch schon ohne Embargo dramatisch nach
unten korrigiert worden. „Die Gefahr einer Rezession ist sehr
hoch“, sagt Südekum. Außerdem: Handelsblatt-Aktienanalyst Ulf
Sommer sprach am Dienstagabend live mit der Instagram-Community
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