Benjamín Labatut: When We Cease to Understand the World

Benjamín Labatut: When We Cease to Understand the World

17 Minuten
Podcast
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Lob und Verriss - Der Podcast
Literaturkritik und Themen, die uns bewegen

Beschreibung

vor 2 Jahren

Diese Episode erschien bereits am 22. Mai 2022 in Textform, wir
reichen hier die Audioversion nach.


Der Abgrund zwischen meiner Liebe zur Mathematik und meiner
kompletten, absoluten Unfähigkeit diese Auszuüben könnte tiefer
nicht sein.


So erschuf ich, schulpflichtig, bei der Kalkulation einfachster
chemischer Formeln, bei der man im Grunde nur die kleinen Zahlen
am Fuß der chemischen Elemente im Kopf addieren muss, die
phantastisch-unmöglichsten Verbindungen zum kopfschüttelnden
Spott des gestrengen Herrn Chemielehrer, gleichzeitig gab es
nichts faszinierenderes für mich, als wenn man mir versuchte zu
erklären wie man mittels einer mathematischen Berechnung namens
Fouriertransformation Uropas Stimme auf dem nahezu
abgeschliffenen Wachszylinder hörbar machen kann.


Heute, älter, nicht schlauer, ist für mich die zweitgeilste
Erfindung nach dem Schnittbrot die Möglichkeit ins
Google-Suchfeld 12+14 einzugeben und augenblicklich, achtund..
sechsunddreißig angezeigt zu bekommen. Schau ich dann auf vom
Notebook steht im Bücherregal prominent der sechs Zentimeter
breite Buchrücken des fantastischsten Kompendiums der Mathematik
ever “Mathematics: From the Birth of Numbers”, des schwedischen
Kinderarztes Jan Gullberg, ein irres Werk, welches von “What’s a
number?” bis zum Kolmogoroffschen Dreireihensatz das komplette
Menschheitswissen über die Mathematik hält und didaktisch und
ästhetisch so grandios ist, dass ich stundenlang wie ein Kind
darin blättern kann, um mich einfach nur am Buchsatz zu ergötzen.


Diese Faszination an der Mathematik erklärt mir der innere
Küchenpsychologe mit einem heftigen Streben danach, den Dingen
auf den Grund zu gehen. Ein paradoxerweise in der Schulmathematik
kontraproduktives Verlangen, bestand ich meine Mathe-Abiprüfung
doch nur weil ich die absolute Mindestanzahl an Punkten, die mich
vom Durchfallen retten sollte, einzig und ausschließlich durch
das absolvieren der Geometrieübungen erreichte. Das, weil die
Geometrie an sich nur Malen nach Zahlen ist, aber man beim Lösen
von Gleichungen oder gar dem Absolvieren von mathematischen
Beweisen schulweise gezwungen wurde betrügerische Abkürzungen,
euphemistisch “Merksätze” genannt, zu benutzen und
Beweisführungen mit “Definitionen” begannen, unumstößlichen, ewig
wahren gar, denen ich regelmäßig mit einem “Wirklich? Warum?”
begegnete und ich so von 90 Minuten Prüfungszeit 80 mit dem
durchgrübeln mathematisch-philosophischen Fragen zugebracht
hätte, die, zugegeben, die alten Griechen vor zweieinhalbtausend
Jahren schon alle für mich gelöst hatten.


Nun, nicht alle, aber die Basics standen. Die Mathematik,
ursprünglich als praktische Hilfestellung zur Bewältigung
alltäglicher Probleme gefunden, war mit a2+b2=c2 im Zenit ihrer
Praktischheit, wenn es darum ging, einen Baum zu fällen oder eine
Pyramide zu bauen. Das reine Zählen beherrschte man schon länger,
weil, was ist wichtiger als zu wissen, ob der alte Papadakis dich
beim letzten Schweineschlachten wieder beschissen hat und er dir
jetzt vier Scheffel Gyros schuldet - oder Du ihm, weil du das
Gymnasium beim gestrengen Papadopoulos, der, der noch beim
Pythagoras in die Schule gegangen war, nur mit Hilfe von
Kreisemalen bestanden hattest.


So einfach und praktisch war die Welt der Mathematik und ihrer
handfesten Schwester, der Physik, im Grunde bis ans Ende des 19.
Jahrhunderts, Zahlen waren real, Planetenumlaufbahnen waren rund,
die Uhr tickte in nur eine Richtung, im ewig gleichen Takt. Was
Newton im Jahr 1666, per Apfelfall auf den Kopf, über unsere Welt
in Erfahrung gebracht und in Gleichungen gepackt hatte, galt
augenscheinlich, und mit ein bisschen Mühe konnte das jeder
verstehen und überprüfen.


Dann, auf einmal, kam der Herr E. aus U. und mit diesem wurde im
Jahr 1905 aus absolut auf einmal relativ und aus einer
wohldefinierten Welt eine Theorie, zunächst eine spezielle und
bald eine allgemeine. Diese Relativitätstheorien erklärten dem
interessierten Laien wie Gelehrten nun unter anderem, dass der
Apfel keineswegs auf den Kopf fällt, vorausgesetzt er ist groß
und die Erde schnell genug, plus ein paar andere Umstände, die
zunächst in Gedankenexperimenten theoretisch und später mit
Beginn des Raumfahrzeitalters praktisch belegbar waren;
Schweinezüchter, Forstarbeiter und Pyramidenmaurer weltweit
jedoch waren am Ende ihres Verständnis für derlei Entrücktes und
Enthobenes und sprachen weise “so what?”, bevor sie ihre Drachmen
weiterzählten.


Ganz anders ging es ob des Unerhörten Allem, was in der
Mathematik des beginnenden 20. Jahrhunderts Rang und Namen hatte.
Ein gewöhnlicher Roman über die Grenzen des menschlichen
Verständnis, und das ist titelgebend im Englischen der hier
besprochene von Benjamin Labatut, würde mit genau diesen
Mathematikern und Physikern beginnen, aber Labatut macht das und
noch sehr vieles Andere anders. “When we cease to understand the
world” heißt sein Buch oder vom deutschen Verlagswesen
“übersetzt”, ja, wen wunderts, “Das blinde Licht: Irrfahrten der
Wissenschaft”.


Statt also von bass erstaunten Wissenschaftlern zu berichten
werden wir von Labatut zunächst in das düsterste Kapitel des 20.
Jahrhunderts geworfen und lernen wie es über ein halbes dutzend
Umwege zu Zyklon B kam, dem Gift, mit dem in deutschen KZs
Millionen von Menschen umgebracht wurden. Das passiert in einer
Mischung aus Kuriosität und Lakonie ohne respektlos den Opfern
gegenüber zu sein. Es liest sich im Grunde wie ein dichter, gut
recherchierter Artikel in einem angesehenen Magazin, stellenweise
wie ein, sehr kurzer, Thomas Pynchon, man staunt und lernt über
Textilfärber und Alchemisten am preußischen Hof Friedrich des I.
auf der Suche nach der perfekten Farbe für dessen Armeeuniformen
und landet über den Umweg der Giftgastoten des ersten Weltkrieges
mit Entsetzen an den Mauern der Gaskammern von Auschwitz und weiß
nun warum diese Preußisch-Blau schimmern. Innen.


Labatut zeigt hier, fast bevor das Buch überhaupt beginnt, ominös
und clever, in beiläufigem Storytelling, dass, wenn wir über das
Unverständnis gegenüber der Welt reden, wir nicht in die hinteren
Kapitel Mathematischer Enzyklopädien schauen müssen. Das liegt
näher. Viel näher.


Ok. Ein Geständnis. Ich lese nie Klappentexte und höre bei mich
interessierenden Büchern über die ich per Rezension stolpere
augenblicklich auf, diese zu lesen. Aber hier war es zu spät, ich
schnappte eine entscheidende Aussage über “When we cease to
understand the world” auf: Labatut bezeichnet das Buch als
“non-fiction novel”, alles basiere auf tatsächlichen
Begebenheiten, um die er eine bestimmte Menge Fiktion geschrieben
habe. Im ersten Kapitel sei es ein lausiger Absatz gewesen, der
ausgedacht sei, später wäre er großzügiger geworden.
Seltsamerweise, hat mir das als Spoilernazi nicht im geringsten
das Vergnügen am Buch gemindert, im Gegenteil, es war der Beginn
einer Schnitzeljagd nach dem Fiktiven, bewaffnet mit Google und
Wikipedia hinterfrug ich zunächst jedes mir suspekte Detail - und
gab alsbald auf. Es spielte irgendwie keine Rolle. Wer das
Selbstvertrauen hat, einen Roman im Graubereich zwischen Realität
und Fiktion mit dem Holocaust zu beginnen und nicht auf einer
deutschen Anklagebank sitzt hat mein Vertrauen.


Aber nur fast. Im zweiten Kapitel schreibt ein Mann namens
Schwarzschild aus den Schützengräben des ersten Weltkrieges einen
Brief an Albert Einstein, so erfahren wir, in dem er diesem in
winziger Handschrift eine Lösung der in seiner allgemeinen
Relativitätstheorie nur aufgestellten Gleichungen präsentiert.
Ein ganz ungeheuerlicher Vorgang, von dem Einstein angab, ihn
nicht in seiner Lebzeit erwartet zu haben, so komplex erschien
der Wissenschaft die allgemeine Theorie von der Relativität. Hah!
“Fakenews” grummelnd tippte ich triumphierend den Namen
Schwarzschild in www.wikipedia.de - alas! - 1:0 Labatut, stimmt
alles! Schwarzschild gab es, er war ein Genie, der mit seiner
Lösung die Existenz Schwarzer Löcher bewiesen hatte - und fünf
Monate nach dem Absenden des Briefes an Albert Einstein an den
Folgen des Einatmens von Senfgas starb. Mit dieser Tatsache macht
das erste Kapitel nun noch mehr Sinn und es ist nicht der letze
Loop, den Labatut hier tut (ich kann nicht anders ). Der Autor,
geboren 1980, ist kulturell sozialisiert wie wir alle, er kennt
die Mechanismen guter Netflixserien oder cleverer Comedians, die
uns mit zunächst zusammenhanglosen Details verwirren, um
irgendwann wieder auf diese zurück zu kommen und uns erstaunt den
Kopf zu schütteln. Er konstruiert seinen Roman um zahlreiche
dieser konkreten oder abstrakten, fiktiven oder nur scheinbar
fiktiven Tatsachen und Begebenheiten. Er beginnt das alles in
einem Stil, der oft mehr an Reportage denn Roman denken lässt und
damit unserem ergebnisorientierten, oder positiv
“wissbegierigen”, modernen Leseverhalten scheinbar entgegen
kommt. Doch bringt er uns immer wieder ins stolpern und träumen
und er wird anders enden und wir werden den Übergang nicht
gemerkt haben.


Im dritten Kapitel war ich mir so sicher, Labatut erwischt zu
haben. Es geht um einen Japaner mit einem in Japan eher
Dutzendnamen der die mathematische Vermutung a+b=c beweisen will.
Verarschen kann ich mich alleine.


Das Kapitel erklärt faszinierend lebendig was für eine verflixte
Frage diese unscheinbaren fünf mathematischen Symbole aufwerfen,
wie sich verschiedene andere japanische Mathematiker mit genauso
generischen Nachnamen damit herumgeschlagen haben und dabei dem,
na klar, “Grothendieck’s Fluch” erlegen seien. “Jetzt kommen noch
die deutschen Fakenamen dazu”, denkt der Rezensent, der genau
dieses Kapitel im Funkloch las, no wikipedia no more, in dem es
um einen fantastischen Mathematiker geht, Alexander Grothendieck,
der in den Sechzigern der marottigste Star des wissenschaftlichen
Feldes war; jeder wollte sein wie er oder auch nur ihn lehren
hören, er hatte alle am kleinen Finger. Ein Genie welches schon
im Kindesalter jahrhundertealte mathematische Probleme löste und
in der Hochzeit seiner Karriere das Feld revolutionierte - um
sich 1973 als nahezu kleiderloser Eremit zurückzuziehen, weil er
begriff, dass seine Wissenschaft und damit seine Erfolge in
dieser aber auch sowas von irrelevant für die Menschen dieser
Welt seien, den ökologischen Verfall des Planeten nicht
aufhielten, keine Bombe weniger gebaut noch geworfen würde, nur
weil er sich in homologischer Algebra auskennt. Grothendieck
verstand 99% der Mathematik - und die Welt nicht mehr.


Krasse Story, Herr Labatut, gut geschmiedet. Als ich wieder
Empfang hatte wurde mir meine mathematische Ignoranz von Google
und Wiki erwartbar um die Ohren gehauen. Alles war grundlegend
wahr, das so trivial klingende Theorem a+b=c beschäftigt
Mathematiker seit Jahrzehnten, alle handelnden Personen sind real
und haben in etwa die erzählte Geschichte. Die Welt der
Mathematiker ist eine wahnwitzige und eine der Wahnsinnigen, wer
hätte das gedacht.


Aber ist das verwunderlich? Während Maurermeister Muhammad in
seinem Garten Pyramiden baut und den Satz des Pythagoras
beherrscht, weswegen die Dinger, unter Wasser, in Jahrtausenden
noch stehen werden, schreibt der Mathematiker László Lovász
Perfekte-Graphen-Sätze und muss dann zugeben, dass die nur
schwach sind. Die Sätze? Die Graphen? Who knows. Wozu sind die
gut? Für Strukturen, wie sie bei der Eckenfärbung auftreten. Auch
in Preußisch-Blau?


Muhammad tangiert solch abgehobener Unsinn nicht, nicht beim
Pyramidenbau. Aber abends, wenn er sich die Tabulé abwischt und
sich über die Welt Gedanken macht, kommt er unweigerlich im Jahr
1926 an.


War Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie mit ihren
scheinbaren Paradoxen im miteinander von Raum und Zeit für
Muhammad verstehbar, trat in diesem Jahr der ambivalente
Katzenliebhaber S. auf und sperrte das Objekt seiner Liebe in
eine Kiste, deren Beobachtung er zunächst verbot.


Einstein war aufgefallen, dass an Newtons Mechanik nicht alles
rund lief und kam mit der Einbeziehung der vierten Dimension -
der Zeit - der Sache so nahe, dass selbst hundert Jahre später
die Theorie für die Praxis, von A wie Atombombe über G wie GPS
bis zum Z auf dem Panzer im Donbass exakt tut, was sie soll.
Schrödinger auf einem Kongress in München im Jahr 1926 jedoch
fand ein Problem. Wenn man die Bewegungen von Atomen und deren
Bestandteile berechnen will - und wer will das nicht? -
funktionieren die aktuellen mathematischen Modell nicht. Ein
neues muss her!


“Teilchen”, so Schrödinger, “sind eigentlich Wellen!”


“Und meine Pyramide im Garten ist Gott”, frevelt Muhammad in
seinen Bart, “Blumen sind Tiere, Menschen sind Bücher, Schöne
hässlich und Reiche arm”, rieb er sich verzweifelt die Augen und
geht zu Bett.


Wie Schrödinger seine Theorie auf der Bühne des
Mathematikerkongress mit Gleichungen unterlegte kam ein junger
Student mit Namen Heisenberg auf dieselbe und machte einen Will
Smith, wischte buchstäblich Schrödingers Formeln von der Tafel
und sprach, sinngemäß: “Nimm nie wieder das Wort Realität in dem
Mund! Dein Modell is all b******t, man kann sich die Welt der
Atome nicht vorstellen wie sie ist! Man kann sie sich gar nicht
vorstellen!” (Und wurde, anders als Herr Smith, prompt
rausgeworfen.)


Waren es bei Newton noch Steine oder, gottlob Äpfel, die die Welt
formten und bei Einstein noch greifbare Atome plus ein wenig
Zeit, bei Schrödinger wenigstens noch Wellen und Teilchen, blieb
bei Heisenberg nur noch Unschärfe. Nicht nur kann man Atome nicht
beobachten, man kann sie noch nicht mal beschreiben, ja man solle
sie sich noch nicht einmal vorstellen. Sobald man begänne, sich
ein Elektron vorzustellen, dass um ein Proton kreist liege man
schon falsch. Alles was man von der Welt wissen könne sind
Wahrscheinlichkeiten. Erst wenn man diese messe erscheinen sie,
wie von Gott geschaffen, durch die Messung selbst. Man könne
sogar entscheiden, was erschaffen würde. Messe man die
Eigenschaften einer Welle, so erscheine eine Welle - messe man
die Eigenschaften eines Teilchens, so erscheine dieses. Wo und in
welcher Geschwindigkeit dieses existiert ist dann jedoch auch
wieder nicht feststellbar, man muss sich entscheiden, misst man
die Masse des Teilchens, verliert man die Möglichkeit dessen
Geschwindigkeit zu messen und umgekehrt. Misst man dann die Masse
bekommt man jedoch keine eindeutige Zahl, zwei Kilo Kartoffeln,
man bekomme eine Wahrscheinlichkeit, wie auf einem Wiener
Biomarkt sind es am Ende nur drei Pfund Erdäpfel, die Hälfte
wahrscheinlich schon verschimmelt!


Labatut beschreibt, dass Schrödinger wie Heisenberg ob ihrer
Erkentnisse hilflos verrückt geworden seien, zumindest zeitweise,
und obwohl diese Episoden belegt sind, findet hier die Fiktion im
Buch ihr zuhause: Schrödinger kommt der Kindschändung verdammt
nahe und Heisinger trinkt Absynth, phantasiert und masturbiert.
Labatut findet auch hier eine beeindruckende Sicherheit dem Leser
die Krassheit der Entrückung nahezubringen, den Blick in den
Abgrund, den beide Männer warfen und was das mit einem macht. Es
ist geradeso düster, dass man die Konsequenz versteht, geradeso
aushaltbar, dass man zurück findet zum Thema, wie die beiden
Wissenschaftler zu ihrem.


Das Thema ist: Muss das alles sein?


Der Mensch sucht nach Sinn in der Welt, das unterscheidet ihn vom
Tier. Es hält ihn bei der Stange, das kleine Menschchen, so
unterlegen er körperlich auch ist, diese Suche nach dem Sinn
macht ihn zum Überlebenden. Wenn Du etwas hast, wofür du lebst,
bist du schneller als der Tiger der aus dem Busch springt, klüger
als ein Virus, dass Du dir beim Fledermausemahl eingefangen hast
und brutaler in deinem Vernichtungswillen als jeder Dodo und
jedes Mammut. Du magst falsch liegen mit dem lustigen Gott mit
dem Elefantenkopf, mit dem beeindruckenden Gott mit den Blitzen,
mit dem eher lamen Gott, der sich an ein Holzkreuz tackern ließ,
aber alle drei gaben dir die Kraft deinen Brüdern im Zweifel den
Schädel einzuschlagen, wenn Sie dir den Hummus aus der Pita
klauen.


Dann kam die Renaissance und die Aufklärung und obwohl etwas
prosaisch und abstrakt und nicht mehr ganz so funny gab sie dir
ein klareres Bild von der Welt. Und Kohle! Und Fortschritt! Und
etwas gegen die Pusteln nach dem Besuch im Puff! Und Speed! Und
die Mutter, die sich beklagt, dass Du Sie zu selten anrufst!
Dafür lohnte es sich den Giftgaskanister in die richtige
Windrichtung zu öffnen. Abwurf der H-Bomb nicht unter 9000m! Ist
der Virenscanner aktuell?


Was passiert, ist die latente Frage, wenn wir zwei
Wissenschaftler haben, Bohr und Heisenberg, die nicht nur eine
Theorie entwickeln, dass alles was wir sehen inherent unwahr ist,
schlimmer, nicht erkennbar und, schlimmer, diese Theorie belegen,
so klar und eindeutig, dass nicht nur Einstein darob
verzweifelte, schlimmer, die uns über diese Theorie sagen: “Wir
betrachten die Quantenmechanik als eine geschlossene Theorie. Die
ihr zugrunde liegende Mathematik und Physik sind nicht mehr
veränderbar”. Ein Kopfschuss für jeden, der nach Erkenntnis
sucht.


Darum geht es in Benjamin Labatuts Buch “When we cease to
understand the world”. “Wenn wir aufhören die Welt zu verstehen”
ist dabei ein zu schwacher Titel, denn verstanden haben wir diese
noch nie. Aber wir haben es versucht. Manchmal dumm, manchmal
lustig, in der Rückschau oft brutal und nicht in deren oder
unserem bestem Interesse. Aber was wir seit Bohr und Heisenberg
tun, ist uns zu beweisen, dass wir diese nicht verstehen können
werden. (Dass dieser Satz im Deutschen die grammatikalische Form
“Futur II” hat, beendet die Diskussion darüber, ob die Deutschen
Humor haben.)


Wie und ob wir, die Menschheit, damit leben können ist die
offensichtlichste Frage und dass uns Benjamin Labatut in “When we
cease to understand the world” in brillanter Art und Weise darob
aufrüttelt, ist dieses Buch zu lesen wert. Und mit dem Fakt, dass
alle dem Wahn und der Depression verfallenen Protagonisten
zumindest in der Fiktion des Buches wieder und klüger aus dieser
entstiegen, will uns vielleicht etwas sagen, sage ich leise
hoffnungsvoll.


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