Peter Richter: Über das Trinken

Peter Richter: Über das Trinken

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Beschreibung

vor 2 Jahren

Die erste Studio B Sendung im neuen Jahr. Was könnte nach dem
erst kürzlich zurückliegenden und durchaus feucht-fröhlichem
Silvesterabend näher liegen, als ein Buch mit dem Titel Über das
Trinken zu besprechen? Eingefärbt wird das Ganze dann noch mit
etwas Lokalkolorit, denn der Autor Peter Richter, dessen Werk
bereits 2011 im Wilhelm Goldmann Verlag veröffentlicht wurde,
stammt aus Dresden. Diese Tatsache macht mich als Leserin und ihn
als Autor zu Komplizen, die das gemeinsame Wissen um die ein oder
andere Bar gemeinsam haben.


Zunächst sei über dieses Buch aber gesagt, dass es sich hierbei
nicht um eine Anleitung zum Trinken, oder gar Saufen handelt.
Auch nicht um die Aufforderung sich möglichst häufig die Kante zu
geben. Nein, vielmehr geht es Richter darum, darauf aufmerksam zu
machen, wie schwer es in unserer Gesellschaft ist, sich dem
Alkohol zu entziehen:


„Man wird exakt solange für seine Trinkfestigkeit gelobt, bis es
plötzlich heißt, man sei ein Trinker, und dann folgt die Ächtung,
dann wird böse getuschelt. Wer allerdings sagt, er trinke nichts,
über den wird sofort getuschelt. Wer nichts trinkt, macht sich
verdächtig. Eine Frau, die nichts trinkt? Bestimmt »in anderen
Umständen«. Ein Mann, der nichts nimmt? Sicher religiöse Gründe.
Oder noch schlimmer. (Trockener Alkoholiker!) Es ist in unserer
Gesellschaft praktisch nicht vorgesehen, einen Drink abzulehnen.
Außer man sagt: »Ich bin ein schwangerer Moslem auf Entzug«. Aber
wer sagt so etwas schon?“ (S.15/16)


Bereits August der Starke wusste, dass es zwischen Preußen und
Sachsen friedlicher zuging, solange die Gesellschaft nur trank.
Er machte daraus eine Tugend und gründete die Gesellschaft zur
Bekämpfung der Nüchternheit, über die wir zu Beginn des Buches
einiges erfahren, jedoch auch schnell ernüchtert werden darüber,
dass dieses Konzept natürlich nicht so ganz aufging.


In 15 Kapiteln arbeitet sich Richter an ganz verschiedenen
Problematiken rund um das Trinken ab. Da wäre beispielsweise die
Frage, wie man eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung, kurz
MPU oder im Volksmund „Idiotentest“ genannt, besteht. Der Autor
kann dabei aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz schöpfen.
Wobei hier nichts ins Lächerliche gezogen, sondern, im Gegenteil,
analytisch betrachtet wird. Dies gestaltet er nicht unamüsant,
mit einigen Tipps die helfen könnten, solch eine Prüfung zu
bestehen und letztlich der Erkenntnis, dass sie als läuternde
Anstalt begriffen werden kann.


Auch der Alkoholkonsum der Jugend, Stichwort Flatrate-Partys oder
Komasaufen finden ihre Beachtung und ich finde es sehr gelungen,
wie Richter die Thematik durchleuchtet und zu einem sehr
befriedenden Schluss bringt. Doch das Spektrum reicht noch
weiter. Nämlich dahingehend was eigentlich aus Dionysos geworden
ist, inwiefern die Bibel und die griechisch-römische Antike
regelrechte Anleitungen zum Trinken sind und dass der Diskurs
über den Umgang mit Alkohol bereits im Altertum stattfand:


„Schön ist es zu sehen, daß die Ambivalenz im Umgang mit dem
Alkohol praktisch genauso alt ist wie dieser selbst. Schon immer
wird gleichzeitig vor den bösen Folgen des Zuviel gewarnt und
gleichzeitig, oft sogar von den gleichen Leuten, das Loblied auf
das nächste Glas und den Vollrausch gesungen. Dieses Geeiere hat
selbst etwas Alkoholisiertes an sich. Der Alkoholdiskurs, könnte
man sagen, torkelt von Anfang an ganz gehörig.“ (S. 75)


Im weiteren Verlauf des Buches geht es außerdem um Fragen wie:
Dürfen Politiker betrunken sein?, Wie berauscht man sich in der
Fremde?, oder einfach: Wer trinkt was, wann und warum? Der Leser
wird also in unterschiedlichsten Bereichen mit der Thematik des
Trinkens vertraut gemacht. Dabei findet Peter Richter klare und
verständliche Worte hinter denen immer deutlich wird, dass alles
was er schreibt, gut recherchiert, zu großen Teilen auch selbst
erlebt und vor allem gut durchdacht ist. Nie kam mir beim Lesen
das Gefühl, dass er das Thema nicht mit dem nötigen Respekt und
Feingefühl behandeln würde. Im Gegenteil, es ist sachlich,
informativ und mit einem Augenzwinkern an der ein oder anderen
Stelle bekommt es eine wunderbare Leichtigkeit, die das Lesen zu
einem großen Vergnügen macht. Stellenweise habe ich mich sogar so
köstlich über das Geschriebene amüsiert – nicht weil es
lächerlich ist – sondern so treffend und humorvoll, dass ich laut
auflachen musste.


Diejenigen, die selbst auch dem Alkohol zugetan sind und solche,
die von Berufswegen mit ihm zu tun haben, werden dieses Buch
vermutlich lieben und Vieles bestätigen und nachvollziehen
können, von dem Herr Richter da spricht. Es sind Sätze wie „Und
eine Bar ist nichts als die Fortsetzung der Bibliothek mit
weniger trockenen Mitteln.“ (S. 19), weshalb ich sofort Freude
beim Lesen hatte, an der Thematik sowieso. Richters
Formulierungen und Erkenntnisse könnten für mein Dafürhalten kaum
treffender sein.


Sein Werk ist ein Plädoyer für den Rausch, aber gegen den
Alkoholismus. Facettenreich zeigt er auf, was es im positiven
Sinne bedeuten kann zu trinken und sich der damit einhergehenden
Leichtigkeit hinzugeben, nicht ohne dabei jedoch auch auf das
Negative zu verweisen und mit einzubeziehen. Eingebettet wird
dies in historische, theologische, philosophische und
gesellschaftliche Ereignisse, Geschichten und Fakten, die Über
das Trinken zu einer runden Sache und absoluten Leseempfehlung
machen.


Enden möchte ich an dieser Stelle mit einem Zitat, das ich nicht
nur auf den Punkt, sondern auch sehr versöhnlich finde:


„Es geht um einen gesellschaftlichen Vertrag, den die Nüchternen
und die Trunkenen schließen müssen. Die Nüchternen seien die
Diener der Trunkenen. Denn die Nüchternen sind immer nur Trunkene
auf Abruf; und was sie Gutes an ihnen wirken, das tun sie
letztlich auch für sich selbst.“ (S. 48)


In diesem Sinne: Prosit Neujahr!


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