Vatikanstadt: Wie korrupt ist der kleinste Staat der Welt?
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vor 1 Jahr
Mitten in der italienischen Hauptstadt Rom liegt der kleinste
Staat der Welt: Die Vatikanstadt besteht aus Petersdom und
Petersplatz, der Sixtinischen Kapelle sowie weltweit bekannten
Museen und Gärten. Ihre Kirchen und Kulturschätze konzentrieren
sich auf einer Fläche von nur 0,44 Quadratkilometern. Rund 800
Menschen leben dort. Der bekannteste Einwohner des Vatikans ist
Papst Franziskus, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche.
Die religiöse Ausbildung des 86-Jährigen ist unumstritten, seine
Wirtschaftskompetenz hingegen halten Experten für ausbaufähig.
"Die letzten beiden Päpste haben, was Finanzen angeht, keinen
Überblick", übt Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger im Podcast
"Wirtschaft Welt & Weit" scharfe Kritik nicht nur an
Franziskus, sondern auch an seinem deutschen Vorgänger, Papst
Benedikt XVI. Und in ihrem Umfeld gebe es Menschen mit
krimineller Energie, "die das eiskalt ausnutzen", sagt Nersinger.
Als eigenem Staat fehle es dem Vatikan an entsprechender
Wirtschafts- und Finanzexpertise. Das äußere sich in
Korruptionsskandalen.
Ein aktuelles Beispiel ist der Gerichtsprozess um eine Londoner
Luxusimmobilie, die der Vatikan für rund 350 Millionen Euro
erworben haben soll. Grundsätzlich ist es gängige Praxis, dass
der Vatikan in Immobilien investiert. Es gehört zur
Geldanlage-Strategie des Ministaats, um Einnahmen zu
erwirtschaften. Allerdings gehen mit dem Kauf dieser Immobilie
auch viele Vorwürfe einher: Veruntreuung von Geldern, Geldwäsche
und Betrug. Dafür müssen sich mehrere Beschuldigte, unter anderem
auch zum ersten Mal ein Kardinal, vor Gericht verantworten.
Mittlerweile hat der Vatikan die besagte Immobilie mit rund 100
Millionen Euro Verlust an den US-Finanzinvestor Bain Capital
verkauft. Auch ein heiliger Staat scheint nicht vor korrupten und
kriminellen Praktiken gefeit.
Als ntv-Korrespondent in Rom beobachtet Udo Gümpel diesen Prozess
ganz genau. Angehörige des Vatikans hätten sich mit Hilfe
obskurer Finanzmanager bereichert, berichtet er "Wirtschaft Welt
& Weit". "Da ist der Vatikan im Grunde genommen das Opfer."
Allerdings sieht Gümpel auch eine gewisse Mitschuld, da die
eigene Inkompetenz in finanziellen Angelegenheiten diese
kriminellen Machenschaften überhaupt erst möglich mache.
Wenig kompetent in Finanzfragen wirkte auch schon Papst Paul VI.
im Jahr 1968: Damals verbot er den katholischen Gläubigen
künstliche Verhütungsmittel, hatte dabei aber übersehen, dass der
Vatikan in das deutsche Pharmaunternehmen Schering investiert war
und somit an der Herstellung der Anti-Baby-Pille mitverdiente.
Die Folgen: der Spitzname "Pillen-Paul" und ein massiver Verlust
an Glaubwürdigkeit.
Letzteres ist auch ein Problem der Gegenwart: Der Umgang mit den
Opfern der Missbrauchsskandale ließ viele Gläubige nicht nur an
der katholischen Kirche zweifeln, sondern führte auch zu einer zu
massiven Austrittswelle in Deutschland. Weniger Kirchensteuern
bei uns bedeuten zugleich weniger Einnahmen für den Vatikan. Ein
gutes Beispiel also, wie eng Glaubwürdigkeit und Finanzdaten
zusammenhängen.
Für Vatikan-Kenner Udo Gümpel ist eines klar: "Die einzige Waffe
des Papstes ist seine moralische Autorität". Die gilt es, für die
Zukunft zu bewahren. Denn mit Wirtschaftskompetenz, so auch
Nersingers Erwartung, wird das Staatsoberhaupt der letzten
absoluten Monarchie in Europa auch im Jahr 2024 voraussichtlich
nicht punkten.
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