Emmy Noether

Emmy Noether

Modellansatz 203
60 Minuten
Podcast
Podcaster

Beschreibung

vor 5 Jahren

Gudrun war im Dezember 2018 wieder zu Gast an der FU in Berlin.
Schon zum dritten Mal ist Mechthild Koreuber ihre
Gesprächspartnerin für den Podcast Modellansatz. Der Anlass des
Gespräches war, dass im November 2018 unter dem Schlagwort
Noethember die Mathematikerin Emmy Noether in den Fokus gerückt
wurde. Auf unterschiedlichen Plattformen und in vielseitigen
Formaten wurden die einzelnen Tage eines ganzen Monats der
Darstellung ihres Lebens und Werks gewidmet. Für jeden Tag gab es
Vorschläge für einzelne Stationen und Aspekte ihres Lebens, die
in unterschiedlicher Art und Weise aufgenommen und dargestellt
wurden. Unser Episodenbild entstand auch im Rahmen dieser Aktion
und wurde uns von Constanza Rojas-Molina zur Verfügung gestellt.


Unser Podcast hat im Dezember etwas verspätet auch zum Noethember
beigetragen. Die Veröffentlichung des zweiten der beiden
aufgezeichneten Emmy-Noether-Gespräche hat nun einige Monate
Abstand zum November 2018. Das hat einen guten Grund: im Gespräch
geht es neben der Person Emmy Noether auch um die Idee einer
Konferenz aus Anlass des 100. Jahrestages ihrer Habilitation. Die
Details der Konferenz waren im Gespräch noch etwas vage, aber die
im Dezember gemachten Pläne werden Anfang Juni in Berlin
tatsächlich Realität. Für diesen Teil des Gespräches stieß Rupert
Klein dazu.


Gudrun hatte sich im Rahmen des Noethember an Mechthild Koreuber
gewandt, weil diese ein Buch über Emmy Noether und ihre Schule
geschrieben hat, das 2015 im Springer Verlag erschienen ist.
Schon beim ersten Gespräch zu Gender und Mathematik entstand der
Plan, später eine Folge zu der Seite von Emmy Noether zu führen,
die im Buch dargestellt wird. Nun gab es dafür zwei konkrete
Anlässe, den Plan zu realisieren.


Was hat Mechthild so sehr an der Person Noethers fasziniert, dass
sie sich viele Jahre mit der Person und der daraus entstandenen
Schule beschäftigt hat neben ihren anderen beruflichen Aufgaben?
Dabei hatte sie erst sehr spät im Mathematikstudium den Namen
Emmy Noether zum ersten mal gehört. Schon damals faszinierte sie
der Widerspruch zwischen der Leistung der Pionierin und ihrer
Anziehungskraft auf den mathematischen Nachwuchs zur eigenen
prekären Stellung im Wissenschaftsbetrieb und ihrer
Außenseiterrolle als Frau. Sie wollte ergründen, woher das
starkes Streben nach Wissen und dem Verbleiben in der Mathematik
unter schwierigsten Bedingungen kam.


Der sehr berühmte und gestandene Kollege Hermann Weyl sagte
selbst "Sie war mir intellektuell überlegen".


Am Beispiel Emmy Noethers schärft sich die Frage danach: was ist
mathematische Produktivität, unter welchen Rahmenbedingungen kann
sie entstehen, unterschiedliche Felder verbinden und ganz neue
Theorierahmen für Mathematik entwickeln. Warum ist gerade Emmy
Noether das gelungen? Im Umfeld von Noether gibt es weitere sehr
interessante Frauen, die heute größtenteils fast vergessen sind
wie Marie-Louise Dubreil-Jacotin, die erste französische
Mathematikprofessorin. Sie war Schülerin bei Emmy Noether in
Frankfurt am Main und Göttingen. Außerdem eine türkische
Mathematikerin, die nach Deutschland kam um mit diesen Frauen zu
arbeiten.


Es entsteht der Verdacht, dass sie als Außenseiterin im Feld der
Wissenschaft tradierte Denkmuster nicht so leicht übernahm, weil
sie auf ihrem eigenen Weg in die Wissenschaft ständig
Grenzen überschreiten musste. Um überhaupt Mathematik betreiben
zu können, musste sie sich einen Platz definieren und erkämpfen,
den es so noch nicht gab.


So konnte sie sogar in Feldern der Mathematik, in denen sie
selbst nicht geforscht hat, revolutionäre Ideen einbringen.
Beispiel hierfür ist die Topologie in Göttingen vertreten durch
Brower und Alexandrow. Hier schuf sie die Betti Zahlen und
lieferte den Kern für ein ganz neue Feld: Algebraische Topologie.


Sie lebte den Zusammenstoß von Denkstilen und eröffnete sich und
anderen damit einen Raum für Kreativität. Davon möchten wir auch
heute lernen. Unter den heutigen Bedingungen wäre es wichtig,
mehr Brücken zu schlagen und Kreativität zu leben, die
Wissensvorstellung verändern darf. Der Trend ist aber eher
Kontrolle und Quantifizierung. Ein Ausweg aus diesem engen
Korsett ist in Berlin der 2018 gegründete Mathematik-Cluster
MATH+. Die Idee dahinter ist es, Mathematik in einen viel
breiteren Kontext als Technik und Ökonomie zu setzen.


Dieses interdisziplinäre Gespräch wird auch die Noether Tagung
möglich machen und insbesondere auch Wissenschaftsgeschichte
sowie marginalisierte Perspektiven einbeziehen.
Dialogisches Arbeiten zwischen Mathematik und anderen Disziplinen
soll in der Konferenz exemplarisch abgebildet und gelebt werden.


Für die Öffentlichkeit wird ein Theaterstück geschrieben und
aufgeführt, das Mathematik ernst nehmen wird. Die Hoffnung der
Organisator_innen ist, dass Personen, die skeptisch zu einer
Sitzung der Konferenz gehen, begeistert wieder gehen.


Rupert Klein ist in seinen Worten ein "sehr angewandter
Mathematiker", Er hat Maschinenbau studiert und in Potsdam
Klimafolgeforschung betrieben. Inzwischen ist er an der FU in der
Mathematik und arbeitet im SFB Skalenkaskaden mit
Lebenswissenschaftlern und Physikern zusammen. Er ist im Vorstand
des Mathe Clusters MATH+ und beteiligt am Schwerpunkt: Emerging
Field: Concepts of Change.


Podcasts

M. Pössel, G. Thäter: Noether-Theorem, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 192, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2019.

A. Mischau, M. Koreuber, G. Thäter: Gender und Mathematik,
Gespräch im Modellansatz Podcast, Folge 142, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.

In our time: Emmy Noether - M. Bragg and guests. BBC Radio 3,
Sendung vom 24.01.2019 (archiviert)



Literatur und weiterführende Informationen

Noether Konferenz im Juni 2019 in Berlin

MATH+



M. Koreuber: Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne
Algebra. Zur Geschichte einer kulturellen Bewegung, Heidelberg:
Springer, 2015.

James W. Brewer and Martha K. Smith (eds.), Emmy Noether: A
Tribute to Her Life and Work Marcel Dekker, 1981.

Auguste Dick (trans. H. I. Blocher), Emmy Noether 1882-1935
Birkhäuser, 1981.

Israel Kleiner, A History of Abstract Algebra Birkhäuser,
2007.

Yvette Kosmann-Schwarzbach (trans. Bertram E. Schwarzbach),
The Noether Theorems: Invariance and Conservation Laws in the
Twentieth Century Springer, 2010.

Leon M. Lederman and Christopher T. Hill, Symmetry and the
Beautiful Universe Prometheus Books, 2008.



Ressourcen zum #noethember

Francesca Arici: Noethember - drawing a life

Alle Bilder im Noethember von Constanza Rojas-Molina

Noethember - ein ganzer Monat für Emmy Noether

Der schönste Satz der klassischen Physik

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