Forschendes Lernen

Forschendes Lernen

Modellansatz 181
1 Stunde 3 Minuten
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Beschreibung

vor 6 Jahren

Gudrun war zu Gast an der FU Berlin für ein lange geplantes
Gespräch mit Brigitte Lutz-Westphal zum Thema Forschendes Lernen
im Mathematikunterricht. Frau Lutz-Westphal ist dort Professorin
für Didaktik der Mathematik und in dieser Rolle in die
Lehramtsausbildung eingebunden. Ihre Forschung beschäftigt sich
mit der Grundlegung einer Theorie zum forschenden Lernen, mit
dialogischem Lernen und authentischem sowie inklusivem
Mathematikunterricht. Sie ist seit 2010 wissenschaftliche
Begleitung des Programms "Mathe.Forscher" der Stiftung Rechnen.
Die enge Zusammenarbeit mit der Schulpraxis in diesem Programm
hat wichtige Impulse für ihre wissenschaftliche Tätigkeit
gegeben.


Was zeichnet nun forschendes Lernen aus? Es geht darum, für
Schülerinnen und Schüler die Mathematik als von Fragen getriebene
Wissenschaft erlebbar zu machen (im Gegensatz zum Einpauken von
fest stehenden Lehrsätzen und Regeln). Das erfolgt z.B. über
Beobachtungen in handgreiflichen Experimenten, die für die
Erlangung von mathematischen Resultaten aktiv erkundet werden
müssen. Das ist gleichzeitig ein authentisches Erleben von
Mathematik, wie sie in der Forschung betrieben wird, also eine
Begegnung mit der Wissenschaft Mathematik, ihren Methoden und
Arbeitsweisen.


Eine Beschreibung der eigenen forschenden Tätigkeit fällt
Mathematiker/innen üblicherweise nicht leicht, diese Metaebene
ist für das Forschen ja auch nicht relevant. Aber sie wissen,
dass sie Fragen und Vermutungen formulieren aus Erfahrung,
Gedankenexperimenten oder einem Bauchgefühl heraus und in
Gesprächen im Kollegium, im Auswerten von anderen Arbeiten und im
Verwerfen von Hypothesen Stück für Stück neues Wissen finden.
Eine derzeit laufende Interviewstudie, die von Prof.
Lutz-Westphal betreut wird, soll herausarbeiten, wie man Forschen
in der Mathematik präziser charakterisieren kann, um daraus
weitere Schlüsse für die authentische didaktische Umsetzung in
der Schule zu ziehen


Der Ansatz des forschenden Lernens trägt bereits jetzt die
wesentlichen Schritte in die Schule: Anregung zum selbstständigen
Fragen, Raum für Erkundungen, offen für fächerübergreifende und
vorausgreifende Inhalte, Sichtbarmachen der gefundenen
mathematischen Erkenntnisse & kritische Auseinandersetzung
mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Resultaten.
Inzwischen gibt es schon viele erprobte Beispiele für forschendes
Lernen, die von Lehrpersonen für den eigenen Unterricht
übernommen oder adaptiert werden können (siehe
www.matheforscher.de) . In unserem Gespräch gehen wir auf die
Frage: Wo bitte ist die Mitte? ein. Für komplexe Gebilde, wie
z.B. die Geometrie von Deutschland oder anderen Ländern kann man
auf unterschiedliche "Mitten" kommen. Und man findet auch
Beispiele, wo die Mitte gar nicht im Innern des Gebietes liegt.
Solche Unterrichtsideen helfen Schüler/innen, Mathematik nicht
nur als festgefügten Wissenskanon, sondern als kreatives
Betätigungsfeld zu erleben, in dem flexibles Denken erforderlich
ist.


Wesentlich für einen Mathematikunterricht, der auf diese Weise
gestaltet ist, ist eine Kultur, in der das Fragen stellen und
Fehler machen möglich sind und ein produktiver Umgang mit Fehlern
gepflegt wird. Es hat sich bewährt, die Schülerinnen und Schüler
ein Lern- oder Forschertagebuch führen zu lassen (bzw. je nach
Vermögen der Lerngruppe, einen mündlichen Austausch anzuregen),
um besser zu verstehen, wie die Lernenden denken, wo konkrete
Probleme im Verständnis sind, bzw. welche eigenen Ansätze die
Kinder entwickeln. Dieser dialogische Ansatz öffnet den Weg zu
einem individuellen Austausch zwischen Lehrkräften und Lernenden
und öffnet die Perspektive in Richtung inklusiver Lerngruppen.


Ein Unterricht, der Mathematik forschend entwickelt braucht
Lehrpersonen mit einem hohen Selbstvertrauen in ihre eigenen
mathematischen Fähigkeiten und einer authentischen Begeisterung
für das Fach. Damit ergeben sich auch Ziele in der
Lehramtsausbildung:


Erlangen fachlicher und fachmethodischer Sicherheit,

das Kennenlernen moderner Mathematik und aktueller
Forschungsthemen,

eine tiefe fachdidaktische Durchdringung von mathematischen
Themen,

und somit übergreifend: die Stärkung des fachlichen
Selbstbewusstseins.



Nach ihrem Abitur 1990 studierte Brigitte Lutz-Westphal an der
Hochschule der Künste und der freien Universität Berlin
Schulmusik, Violine und Mathematik und hatte dabei 1994-95 auch
einen Studienaufenthalt in Paris als Stipendiatin des
Briand-Stresemann Programms. Auf ihr erstes Staatsexamen in Musik
und Mathematik folgte ihr Referendariat am
Karl-von-Frisch-Gymnasium in Dußlingen und am
Wildermuth-Gymnasium in Tübingen. Nach dem zweiten Staatsexamen
für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasium in Musik
und Mathematik, wurde sie in Berlin als Musikpädagogin und
Nachhilfelehrerin selbstständig tätig und begann mit ihren
Arbeiten zum Projekt "Diskrete Mathematik für die Schule". Ab
2002 wurde sie als wissenschaftliche Angestellte am
Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik durch die
Volkswagenstiftung für das Projekt "Diskrete Mathematik in der
Schule" gefördert. Ab 2004 war sie als wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der TU Berlin unter anderem im Projekt
"Visualisierung von Algorithmen" des DFG-Forschungszentrums
MATHEON tätig. 2006 promovierte sie an der TU Berlin mit ihrer
Dissertation zum Thema "Kombinatorische Optimierung - Inhalte und
Methoden für einen authentischen Mathematikunterricht" bei Prof.
Martin Gröschel, und trat eine Vertretungsstelle einer
Juniorprofessur für Mathematikdidaktik an der TU Berlin und wurde
Mitglied der "Junior Faculty" der Berlin Mathematical School
(BMS). 2008 wurde sie auf die W2-Professur für Mathematik und
Didaktik der Hochschule Vechta berufen, und ist seit 2009 als W2
Professorin für Didaktik der Mathematik der Freien Universität
Berlin. Seit 2009 ist die Mitherausgeberin der "Mitteilungen der
Deutschen Mathematiker Vereinigung" und ist seit 2017 Mitglied
des Beirats der Stiftung Rechnen.

Literatur und weiterführende Informationen

M. Ludwig, B. Lutz-Westphal, C. Benz: Entdeckendes,
forschendes und projektartiges Lernen. Best Practice Beispiele
aus dem Programm Mathe.Forscher. Stiftung Rechnen, 3. Auflage
2018. (1. Auflage online)

P. Linke, B. Lutz-Westphal: Das \"Spot-Modell\" im
Mathematikunterricht – forschendes und entdeckendes Lernen
fundiert anwenden. In: Beiträge zum Mathematikunterricht.
WTM-Verlag. 4 Seiten (in Druck), 2018.

M. Ludwig, B. Lutz-Westphal, V. Ulm:Forschendes Lernen im
Mathematikunterricht, Mathematische Phänomene aktiv hinterfragen
und erforschen. In: Praxis der Mathematik in der Schule Heft 73.
S. 2-9, 2017.

B. Lutz-Westphal, A. Schulte: Mathematische Forschung – Was
Forschendes Lernen im Mathematikunterricht aus der Praxis lernen
kann. In: Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM-Verlag. S.
1181-1184, 2016.

B. Lutz-Westphal: Das forschende Fragen lernen.
Pflasterungen: scheinbar Bekanntes neu durchdringen. In:
Mathematik lehren Heft 184. S. 16-19, 2014.

B. Lutz-Westphal: Mathematik forschend entdecken. In:
Stiftung Rechnen (Hg.): Mathe.Forscher. Entdecke Mathematik in
deiner Welt. WTM-Verlag Münster, S. 103-112, 2013.

B. Lutz-Westphal, K. Skutella: Dialogic learning on a shared
theme – approaching inclusive settings in the mathematics
classroom. In M. Knigge et al. (Hrsg.) (in Vorbereitung):
Inclusive mathematics education. State-of-the-art research from
Brazil and Germany. Springer, 2019.

S. Hußmann, B. Lutz-Westphal (Hg.):Diskrete Mathematik
erleben. Anwendungsbasierte und verstehensorientierte Zugänge.
Springer (2. Auflage), 2015.

K. Biermann, M. Grötschel, B. Lutz-Westphal, Brigitte
(Hg.):Besser als Mathe! Moderne angewandte Mathematik aus dem
MATHEON zum Mitmachen. Springer, 2010.

Stiftung Rechnen

Matheforscher

B. Lutz-Westphal: Kinderseite in den Mitteilungen der
Deutschen Mathematiker Vereinigung.



Podcasts

J.-M. Klinge, G. Thäter: Lerntheken, Gespräch im Modellansatz
Podcast, Folge 178, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut
für Technologie (KIT), 2018. http://modellansatz.de/lerntheken

K. Wohak, M. Hattebuhr, E. Bastian, C. Beizinger, G. Thäter:
CAMMP-Week, Gespräch im Modellansatz Podcast, Folge 174, Fakultät
für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2018.
http://modellansatz.de/cammp-week

G. Thäter, K. Wohak: CAMMP, Gespräch im Modellansatz Podcast,
Folge 165, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für
Technologie (KIT), 2018. http://modellansatz.de/cammp

B. Bötcher, G. Thäter: Meisterklasse, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 158, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2018.
http://modellansatz.de/meisterklasse

G.M. Ziegler, G. Thäter: Was ist Mathematik? Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 111, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/was-ist-mathematik

A. Kirsch, G. Thäter: Lehramtsausbildung, Gespräch
Modellansatz Podcast, Folge 104, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/lehramtsausbildung

E. Dittrich, G. Thäter: Schülerlabor, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 103, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/schuelerlabor

J. Breitner, S. Ritterbusch: Incredible Proof Machine,
Gespräch im Modellansatz Podcast, Folge 78, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
http://modellansatz.de/incredible-proof-machine

C. Spannagel, S. Ritterbusch: Flipped Classroom, Gespräch im
Modellansatz Podcast, Folge 51, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2015.
http://modellansatz.de/flipped-classroom

S. Götz, L. Bodingbauer: Schulmathematik, Gespräch im Lob und
Tadel Podcast, Sprechkontakt mit Bildung, Folge 19, 2014.

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