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Beschreibung
vor 6 Jahren
Vom 10. - 13. Mai 2018 fand im ZKM und in der Hochschule für
Gestaltung (HfG) die GPN18 statt. Dort traf Sebastian auf Arne
Rick und sie unterhielten sich über die DIN-Norm 4149 zu
Erdbebensicherem Bauen.
Die DIN4149 legt fest, nach welchen Auslegungszahlen man planen,
und welchen Verfahren man Gebäude bauen darf, um sie
"erdbebensicher" gemäß der Norm nennen zu dürfen. Erdbeben sind
in Deutschland allgemein nicht sehr häufig, aber es gibt Gebiete
in denen ein deutlich höheres Erbebenrisiko besteht, wie
beispielsweise in Aachen und dem Erdbebengebiet Kölner Bucht
(aktuelle Erdbeben) in der Erdbebenzone 3. Mit der Erdbebenzone 1
für Karlsruhe sind wir auch in einem gefährdeten Bereich
(Erdbeben in Karlsruhe), wenn auch nicht im gleichen Maße.
Südlich von Tübingen gibt es eine weitere Erbebenzone 3 (aktuelle
Erdbeben).
Erdbebenzonen in Deutschland. CC-BY 2.0 Störfix
In der Auslegung werden Erdbeben als ein Katastrophen-Lastfall
angenommen, und die Bemessung richtet sich auf die schwersten
Erdbeben, die statistisch alle 475 Jahre auftreten können. Die
ehemalige Munitionsfabrik, die nun u.a. das ZKM, die HfG und
gerade die GPN18 beinhaltet, steht schon seit über 100 Jahren,
und wird auch noch länger stehen, so ist dies eine für Gebäude
realistische Zeitskala.
In der Auslegung spielt das Gewicht der Gebäude eine große Rolle,
denn die zu verarbeitende Kraft bestimmt sich nach Newton aus der
Masse und Beschleunigung. In Karlsruhe muss mit einer
Spitzenbodenbeschleunigung von bis zu 0.4g bzw. 3.9m/s^2 rechnen.
Wie unterschiedlich dabei die Bewegung ausfallen kann, ist an
verschiedenen Seismogrammen ersichtlich, die den Verlauf des
Bebens mit einem Stift auf einem durchlaufenden Blatt darstellen.
Die Modellierung von Erdbeben beginnt mit dem Erdbebenherd, über
dem sich auf der Erdoberfläche das Epizentrum befindet.
Idealisiert bewegen sich seismische Wellen vom Epizentrum aus als
Raumwellen kugelförmig aus, zusätzlich gibt es aber auch
Oberflächenwellen wie Rayleigh- oder Love-Wellen, die sich
idealisiert kreisförmig um das Epizentrum ausbreiten. Da die
horizontale Beschleunigung die stärkste Wirkung auf Gebäude hat,
vereinfacht die Norm den Einfluss von Erdbeben auf
Horizontalbeschleunigungen und Bodeneinflüsse.
Während Erdbeben für Gebäude ein Problem darstellen können, so
sind sie für die Seismische Tomographie die Informationsquelle,
um Einblicke in die Erde zu erhalten. Mit optimaler
Versuchsplanung kann man dafür auch die Aufstellorte optimieren,
um ein möglichst optimales Bild zu erhalten, wie wir aus
Modell012: Erdbeben und Optimale Versuchsplanung schon wissen.
Natürlich müssen alle relevanten Lastfälle berücksichtigt werden,
so kann in Karlsruhe die Windlast sich als Flächenlast teilweise
stärker als der Lastfall durch Erdbeben auswirken. Das Haus wird
dabei oft als Einmassenschwinger gesehen, bei aufwendigeren
Geometrien aber auch als Mehrmassenschwinger, und die
unterschiedlichen Belastungen in der maximalen Auslenkung in
maximale statische horizontale Ersatzkräfte umgerechnet und damit
vergleichbar gemacht.
Ein wichtiger Startpunkt ist die Auswahl der Bemessungssituation
und das Semiprobabilistische Teilsicherheitssystem, als
Weiterentwicklung des Sicherheitsfaktors, bzw. der Aufteilung in
verschiedene Eurocodes, die auch noch eine national
unterschiedliche Behandlung ermöglichen. Bei der Lastbestimmung
berücksichtigt man ständige Lasten, eine hauptsächliche
nicht-ständige Last, die Haupteinwirkung, und weitere
nicht-ständige Lasten, die aber durch einen probabilistischen
Faktor abgemindert werden, da nicht alle nicht-ständige Lasten
gleichzeitig auftreten. Aus der Festigkeit des Baumaterials wird
nun die maximale Spannung berechnet, die es aufnehmen kann, und
diese muss den Einwirkungen bestehen können.
Eigentlich ist die DIN4149 durch den deutlich umfangreicheren
Eurocode 8 abgelöst, doch ist aktuell noch die DIN4149
anzuwenden, da der Eurocode 8 zum Zeitpunkt der Aufnahme noch
nicht in die technischen Baubestimmungen aufgenommen wurden.
Eine Besonderheit der Bemessungssituation für erdbebensicheres
Bauen ist, dass hier ein Katastrophenlastfall angenommen wird,
und es daher keine allgemeinen Sicherheitsfaktoren mehr gibt. Es
geht dabei nicht um den Erhalt des Gebäudes, sondern nur um die
Möglichkeit Menschenleben schützen zu können. Ein
Bedeutungsbeiwert beschreibt die Bedeutung des Gebäudes für
Katastrophenfälle, beispielsweise haben hier landwirtschaftliche
Gebäude einen Wert von 0,8 während Krankenhäuser den Wert 1,4
haben.
Weiterhin wird die Nutzung durch einen Nutzungsbeiwert
beschrieben, die die Belastung des Gebäudes durch die Nutzung
beschreiben- diese können ständig, wie im Fall von Bibliotheken
sein, oder sich häufig ändernd, wie durch Menschen, die das
Gebäude besuchen.
Aus dem anzusetzenden Gewicht und der Beschleunigung durch die
Erdmase kann man mit dem Modell des Einmassenschwingers die
modellierte Schwingung des Gebäudes simulieren. Aus dieser
Simulation erhält man das Antwortspektrum des Gebäudes für
unterschiedliche Erdbeben. Bildet man hier die einhüllende Kurve
bzw. Hüllkurve, die in der Synthesizer-Musik auch über das
ADSR-Modell beschrieben werden kann. Die Nachschwingzeiten von
sehr hohen Gebäuden können so lange sein, dass es förmlich zu
tanzenden Hochhäusern kommen kann.
Der wichtige Wert der Schwingzeit wird durch eine vereinfachte
Gebäudegeometrie berechnet. Da das Gebäude aber mehrere
Resonanzfrequenzen beziehungsweise Eigenwerte der
Steifigkeitsmatrix besitzt, gibt es zu jedem Mode eine eigene
Schwingzeit. Die verschiedenen Schwingungen in den Teilmodellen
überlagern sich in der Multimoden-Modell dann im vollen Modell.
Diese vereinfachenden Verfahren ermöglichen meisst schon mit
wenig Rechenaufwand sehr gute Ergebnisse, jedoch stößt das
Vorgehen bei sehr verwinkelten und komplexen Baustrukturen an
Grenzen- eine Verwendung des Ein- oder Mehrschwingermodells ist
bei einem Gebäude wie dem Aachenmünchener Direktionsgebäude nicht
denkbar.
Bei der weiteren Betrachtung hat die Baugrundklasse einen
wichtigen Einfluss, da diese beispielsweise bei kiesigem
Untergrund die Erdbeschleunigung erheblich abschwächen kann. Der
Dämpfungsbeiwert beschreibt die durch Prozesse wie Reibung
dissipierte Energie. Weiterhin beschreibt der Verhaltensbeiwert
die Plastitzität von Werkstoffen in Gebäuden, durch die ebenso
die Schwingungsenergie verbraucht wird. Speziell werden Gebäude
dazu in Duktulitätsklassen eingeteilt.
Eine besondere Rolle spielen hier die Zustandsklassen,
beispielsweise beim Beton und Stahlbeton: Man geht davon aus,
dass der Beton im normalen Zustand von kleinen Rissen durchzogen
ist, und damit in Zustandsklasse 2 liegt. In der Alterung, aber
auch durch Einwirkung von äußeren Kräften wie Erdbeben, kommt es
zu einem Risswachstum. Risse können mathematisch durch
Bifurkationen beschrieben werden, und erzeugen sehr schnell
äußerst komplexe Problemstellungen. Im Katastrophenfall erlauben
wir für Stahlbeton die Zustandsklasse 3, wo der Beton gerissen
sein kann und der Stahl beginnt sich zu verbiegen. Auch wenn das
Gebäude danach dringenden Reparaturbedarf besitzt, so wird so
viel von der Erdbebenenergie durch die Materialien verbraucht.
Ein großes Problem sind dabei aber die Verbindungen, da gehärtete
Schrauben spröde reißen. Ebenso haben Schweißnähte immer kleine
Nahtfehler, die versagen können. Ein Ausweg sind hier so groß
ausgelegte Verbindungen, so dass diese im Extremfall die
Rotationsfähigkeit erhaltende Fließgelenke ausbilden und somit
ein Versagen möglichst nicht in der Verbindung auftritt.
An der Hochschule Karlsruhe besucht Arne eine Vorlesung von Prof.
Dr. Jan Akkermann und hat sich im Zuge seines Master-Studiums mit
dem Projekt beschäftigt, einem Gebäude der Hochschule ein neues
Geschoss zu planen.
Literatur und weiterführende Informationen
A. Ötes: Die neue Erdbebennorm DIN 4149, Universität
Dortmund.
A. Rick: The Basics of Audio compressors,
Gulaschprogrammiernacht, 2018.
Seismische Sonifikationen
Z. Peng: Earthquake Music
J. N. Louie, The Sound of Seismic, 2015
D. V. Rogers: Sounds of Seismic - Earth System Soundscape,
2013.
Podcasts
S. Wollherr: Erdbeben und Optimale Versuchsplanung, Gespräch
mit G. Thäter im Modellansatz Podcast, Folge 12, Fakultät für
Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2013.
http://modellansatz.de/erdbeben
S. Wollherr: Bruchzonen, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 136, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.
http://modellansatz.de/bruchzonen
A. Rick: Bézier Stabwerke, Gespräch mit S. Ritterbusch im
Modellansatz Podcast, Folge 141, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.
http://modellansatz.de/bezier-stabwerke
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