Zerstäubung

Zerstäubung

Modellansatz 151
31 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Corina Schwitzke ist Gruppenleiterin im Institut für thermische
Strömungsmaschinen (ITS) am KIT. Gudrun wollte gern ein Gespräch
über partikelbehaftete Strömungen mit ihr führen, denn dies ist
ein wichtiges Thema in beiden Arbeitsgruppen.


In Corinas Institut gilt das Interesse vor allem der Zerstäubung
von Kerosin zu feinen Tröpfchen in Flugtriebwerken Seit 10 Jahren
gibt es dort Strömungssimulation mit einer sogenannten
Partikelmethode. Die Partikel in dieser Anwendung sind
Stützstellen der Rechenmethode und repräsentieren die
Flüssigkeit, z.B. Kerosin, und das Gas, d.h. die verdichtete
Luft. Vom Blickpunkt der Simulation aus sind die Partikel
eigentlich nur Diskretisierungspunkte, die sich mit der Strömung
mitbewegen. Sie repräsentieren dabei ein Volumen und die
benutzten Koordinaten "schwimmen" mit dem Fluid, d.h. die Methode
benutzt ein Lagrange-Koordinatensystem.


Die Gleichungen, die der Simulation zugrunde liegen, sind die
Navier-Stokes Gleichungen - zunächst isotherm. Falls die
Temperaturänderung mitbetrachtet werden muss, dann erfolgt das
durch das Lösen der Energiegleichung, für die die diskrete
Fassung sehr einfach zu realisieren ist. Das für den
Zerstäubungsprozess gut geeignete numerische Verfahren, das am
ITS umgesetzt wurde (und dort auch noch weiter entwickelt wird)
ist Smoothed particle Hydrodynamics (SPH). Die Methode wurde zu
Beginn der 1970er Jahre für die Simulation von Galaxie-Entstehung
entwickelt. Ein großer Vorteil ist, dass das Verfahren sich
extrem gut parallel implementieren läßt und die Simulation
Gebiete ausspart, wo zunächst nichts passiert. Außerdem ist es
einfacher, die Physik des Tröpfchenzerfalls zu modellieren als
mit den klassischen kontinuumsmechanischen Ansätzen.


Der wichtigste Aspekt für die Simulation der
Kraftstoffzerstäubung ist die Oberflächenspannung. Sie muss
physikalisch und numerisch richtig beschrieben werden und führt
dann dazu dass ein Flüssigkeitsfilm in Tropfen zerfällt. Hier
geht das Wissen um Oberflächenspannungskoeffizienten ein, die aus
Experimenten gewonnen werden ebenso wie die erwartbaren
Kontaktwinkel an Wänden. Das Kräftegleichgewicht von angreifenden
Scher- und Oberflächenkräften muss die modellierende Physik
abbilden - die numerischen Partikel bekommen daraus direkt eine
Geschwindigkeit zugewiesen, die auch ausdrückt, ob der Film reißt
oder zusammenhängend bleibt.


Diese Partikelmethode vermeidet die Probleme von gitterbasierten
Verfahren beim Reißen des Films, denn Grenzflächen werden
automatisch mittransportiert. Durch die gut skalierende parallele
Implementierung ist es möglich, mit einigen Milliarden Partikeln
zu rechnen.


Die Ergebnisse der Simulationen haben vielfältige Anwendungen.
Eine ist es Schadstoffemission zu minimieren. Das ist möglich
durch erzwingen der vollständigen Verbrennung des Kraftstoffes
oder durch die Vermeidung der Entstehung von Stick- und
Schwefeloxiden im Prozess. Das kann durch die
Kraftstoffverteilung und über die Temperaturniveaus gesteuert
werden.


Eine andere Anwendung, die mit diesen Ideen schon funktioniert,
ist die Kühlung von Zahnrädern in Getrieben durch einen
Flüssigkeitsstrahl. In Zukunft soll auch die Simulation von
Zerstäubung einer Biomasse möglich werden, die nichtnewtonsche
Fließeigenschaften hat. Das große Ziel am ITS, das in naher
Zukunft umgesetzt werden soll, ist ein virtueller Prüfstand für
Zerstäubungsprozesse.


Corina Schwitzke (geb. Höfler) hat Verfahrenstechnik an der Uni
Karlsruhe studiert mit einem Schwerpunkt in Richtung
Strömungsmechanik und Verbrennungstechnik. Ihre Diplomarbeit
fertigte sie in Los Angeles zu einem Thema im Kontext von
Verbrennung an. Es folgte eine Promotion an der KIT-Fakultät
Maschinenbau in Karlsruhe, in der sie die Grundlage für die
physikalische Modellierung der Zerstäubung mittels der
SPH-Methode leistete. Studierende aus der Technomathematik und
Informatik sowie dem Maschinenbau unterstützen das Institut in
der Implementierung des Verfahrens.


Literatur und weiterführende Informationen

M.C. Keller e.a.:Turbomachinery Technical Conference and
Exposition : Volume 2B - Turbomachinery Proceedings of ASME Turbo
Expo 2017, Charlotte, North Carolina, USA, 26th - 30th June 2017,
Art.Nr. GT2017-63594, ASME, New York (NY).
doi:10.1115/GT2017-63594, 2017.

M.C. Keller e.a.: Numerical Modeling of Oil-Jet Lubrication
for Spur Gears using Smoothed Particle Hydrodynamics, 11th
International SPHERIC Workshop, Munich, Germany, June 13-16,
2016, 69-76.

S. Braun e.a.: Simulation of Primary Atomization: Assessment
of the Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) Method ICLASS 2015 /
13th International Conference on Liquid Atomization and Spray
Systems : August 23-27, 2015, Tainan, Taiwan. Ed.: Ta-Hui Lin

C. Höfler:Entwicklung eines Smoothed Particle Hydrodynamics
(SPH) Codes zur numerischen Vorhersage des Primärzerfalls an
Brennstoffeinspritzdüsen. Dissertation. 2013. Karlsruhe.
doi:10.5445/IR/1000048880

J.J. Monaghan: Smoothed Particle Hydrodynamics. Annu. Rev.
Astrophys. 1992.



Podcasts

T. Henn: Partikelströmungen, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 115, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.

S. Höllbacher: Finite Volumen, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 122, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.

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