Stokes Operator

Stokes Operator

Modellansatz 138
1 Stunde 14 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Peer Kunstmann hat in Kiel Mathematik studiert und 1995
promoviert. In seiner Zeit an der Fakultät für Mathematik in
Karlsruhe hat er sich 2002 habilitiert. Er arbeitet als
Akademischer Oberrat dauerhaft in der Arbeitsgruppe Angewandte
Analysis an unserer Fakultät.


Gudrun hat das Gespräch über ein für beide interessantes Thema -
das Stokesproblem - gesucht, weil beide schon über längere Zeit
mit unterschiedlichen Methoden zu dieser Gleichung forschen. Das
Stokesproblem ist der lineare Anteil der Navier-Stokes
Gleichungen, dem klassischen Modell für Strömungen. Sie haben
eine gewisse Faszination, da sie einfach genug erscheinen, um sie
in ihrer Struktur sehr eingehend verstehen zu können, zeigen aber
auch immer wieder, dass man sie nicht unterschätzen darf in ihrer
Komplexität.


Peers Interesse wurde zu Beginn seiner Zeit in Karlsruhe durch
Matthias Hieber geweckt, der inzwischen an der TU Darmstadt tätig
ist. Es zeigte sich seit damals als sehr aktives
Forschungsgebiet, weshalb er auch immer wieder neu zu diesen
Fragestellungen zurückgekehrt ist.


Mit den klassischen Randbedingungen (konkret, wenn auf dem Rand
vorgeschrieben wird, dass die Lösung dort verschwindet = homogene
Dirichletbedingung) ist das Stokesproblem auffassbar als
Laplaceoperator, der auf Räumen mit divergenzfreien Vektorfeldern
agiert. Der Laplaceoperator ist sehr gut verstanden und die
Einschränkung auf den abgeschlossenen Unterraum der Vektorfelder
mit der Eigenschaft, dass ihre Divergenz den Wert 0 ergibt, lässt
sich mit einer Orthogonalprojektion - der Helmholtzprojektion -
beschreiben. Im Hilbertraumfall, d.h. wenn die Räume auf einer
L^2-Struktur basieren und der Raum deshalb auch ein Skalarprodukt
hat, weiß man, dass diese Projektion immer existiert und gute
Eigenschaften hat.


Für andere Räume ohne diese Struktur (z.B. -basiert für q nicht
2) hängt die Antwort auf die Frage, für welche q die Projektion
existiert, von der Geometrie des Gebietes ab. Für beschränkte
Gebiete geht vor allem die Glattheit des Randes ein.


Das spiegelt sich auch auf der Seite des Laplaceproblems, wo die
Regularität im Innern des Gebietes relativ elementar gezeigt
werden kann, aber in der Nähe des Randes und auf dem Rand gehen
in die Argumente direkt die Regularität des Randes ein.
Mathematisch wird das Gebiet dabei mit Kreisen überdeckt und mit
Hilfe einer sogenannten Zerlegung der Eins anschließend die
Lösung für das ganze Gebiet zusammengesetzt. Für die Kreise, die
ganz im Innern des Gebietes liegen, wird die Lösung auf den
ganzen Raum mit dem Wert 0 fortgesetzt, weil die Behandlung des
ganzen Raumes sehr einfach ist. Für Kreise am Rand, wird der Rand
lokal glatt gebogen zu einer geraden Linie und (ebenfalls nach
Fortsetzung mit 0) ein Halbraum-Problem gelöst. Natürlich liegt
es in der Glattheit des Randes, ob das "gerade biegen" nur kleine
Fehlerterme erzeugt, die sich "verstecken" lassen oder ob das
nicht funktioniert. Für einen Rand, der lokal durch zweimal
differenzierbare Funktion dargestellt werden kann, funktioniert
diese Technik gut. Für Gebiete, die einen Rand haben, der lokal
durch Lipschitzstetige Funktionen darstellbar ist, werden z.B.
Randintegraldarstellungen direkt untersucht. Dort existiert die
Helmholtzzerlegung für alle q im Intervall (wobei vom Gebiet
abhängt).


Durch die kleinen Fehlerterme, die in der Technik entstehen, wird
es auch nötig, die Gleichung für die Divergenz zu untersuchen, wo
keine 0 sondern eine beliebige Funktion (natürlich mit den
entsprechenden Regularitätseigenschaften) als rechte Seite
erlaubt ist.


Ein Begriff, der eine wichtige Eigenschaft von partiellen
Differentialgleichungen beschreibt, ist der der maximalen
Regularität. Einfach ausgedrückt heißt das, wenn ich die rechte
Seite in einem Raum vorgebe, ist die Lösung genau so viel
regulärer, dass nach Anwendung des Differentialoperators das
Ergebnis die Regularität der rechten Seite hat. Für das
Laplaceproblem
wäre also die Lösung v für jedes vorgegebene f so, dass und f im
gleichen Raum sind. Diese Eigenschaft ist z.B. wichtig, wenn man
bei nichtlinearen Problemen mit Hilfe von Fixpunktsätzen
arbeitet, also z.B. den Operators iterativ anwenden muss. Dann
sichert die maximale Regularität, dass man immer im richtigen
Raum landet, um den Operator erneut anwenden zu können.


Im Zusammenhang mit der Frage der maximalen Regularität hat sich
der -Kalkül als sehr nützlich erwiesen.


Ein anderer Zugang wählt statt der Operatorformulierung die
schwache Formulierung und arbeitet mit Bilinearformen und
Ergebnissen der Funktionalanalysis. Hier kann man vergleichsweise
wenig abstrakt und in diesem Sinn elementar auch viel für das
Stokes- und das Navier-Stokes Problem zeigen. Es gibt ein
vorbildliches Buch von Hermann Sohr dazu.

Literatur und weiterführende Informationen

M. Geißert, P.C. Kunstmann: Weak Neumann implies H^\infty for
Stokes, Journal Math. Soc. Japan 67 (no. 1), 183-193, 2015.

P.C. Kunstmann: Navier-Stokes equations on unbounded domains
with rough initial data, Czechoslovak Math. J. 60(135) no. 2,
297–313, 2010.

H. Sohr: The Navier-Stokes Equations. An Elementary
Functional Analytic Approach Birkhäuser, 2001.

M. Cannone: Ondelettes, Paraproduits et Navier-stokes,
Diderot Editeur, 1995.

G. Thäter, H. Sohr: Imaginary powers of second order
differential operators and $L^q$ -Helmholtz decomposition in the
infinite cylinder, Mathematische Annalen 311(3):577-602, 1998.

P.C. Kunstmann, L. Weis: Maximal L_p-regularity for parabolic
equations, Fourier multiplier theorems and H^\infty-calculus, in
Functional Analytic Methods for Evolution Equations (eds. M.
Iannelli, R. Nagel and S. Piazzera), Springer Lecture Notes 1855,
65-311, 2004.

P.C. Kunstmann, L. Weis: New criteria for the
H^\infty-calculus and the Stokes operator on bounded Lipschitz
domains, Journal of Evolution Equations, March 2017, Volume 17,
Issue 1, pp 387-409, 2017.

G.P. Galdi: An introduction to the mathematical theory of the
Navier-Stokes equations. Vol. I. Linearized steady problems.
Springer Tracts in Natural Philosophy, 38. Springer-Verlag, New
York, 1994.


Podcasts

J. Babutzka: Helmholtzzerlegung, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 85, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.

M. Steinhauer: Reguläre Strömungen, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 113, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.

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