Social Choice

Social Choice

Modellansatz 129
39 Minuten
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Beschreibung

vor 7 Jahren

Diese Folge ist eines von drei Gesprächen mit Mathematikerinnen
und Mathematikern an der TU München (TUM) in Garching bei
München, die Gudrun am 10. April 2017 dort geführt hat.


Paul Stursberg - hat an der TUM Mathematik studiert und
promoviert dort am Lehrstuhl Angewandte Geometrie und Diskrete
Mathematik. Wir haben uns über Gruppenentscheidungsmodelle
(Social Choice) unterhalten, in denen mitunter auch der Zufall
Hilfestellung gibt. Da auch Zuordnung nach Vorlieben (allocation)
auf das gleiche Grundproblem führt, wird das Thema unter den
Forschungsinteressen von Paul Stursberg als Randomized Social
Choice/Ressource Allocation aufgeführt.


Das grundlegende Ziel bei Entscheidungen in einer Gruppe ist es,
Einzelmeinungen zu einem fairen Gesamturteil zusammen zu führen.
Am einfachsten ist es, einer als Anführer von allen anerkannten
Person in ihrer Meinung zu folgen. Dieses Modell hat gute
mathematische Eigenschaften, funktioniert immer, ist aber leider
nicht besonders demokratisch. Je nachdem ob die Leitperson zur
Gruppe gehört oder nicht wird es als Modell des internen/externen
Diktators bezeichnet.


Ein zunächst nahe liegender Zugang zur bestmöglichen Entscheidung
in einer Gruppe wäre, eine Nutzenfunktion auzufstellen und danach
zu optimieren. Das klingt überzeugend ist aber oft ein
unmögliches Unterfangen, weil es sich als sehr schwierig erweist,
Vorlieben so zu quantifizieren dass man über die Gruppe konstante
Zahlenwerte für einen entstehenden Nutzen findet. Deshalb kann
man statt dessen mit ordinalen Präferenzrelationen arbeiten, d.h.
im einfachsten Fall mit einer gewünschten Reihenfolge aller
Optionen für jede Person der Gruppe.


Bevor man über Verfahren sprechen und diese bewerten kann,
braucht man Kriterien, die Wahlverfahren (idealerweise) erfüllen
sollen. Man muss definieren: Was ist eine gute und
faire Entscheidung? Ein grundlegendes Kriterium wäre
beispielsweise: Wenn alle der gleichen Meinung sind, sollte diese
Meinung auch immer als Ergebnis der Gruppenentscheidung
erscheinen. Ein etwas weitergehendes Kriterum könnte exemplarisch
auch verlangen, dass das Ergebnis Pareto-optimal ist, es also
kein anderes Ergebnis gibt, mit dem jedes Gruppenmitglied
zufriedener wäre.
Nachdem ein Katalog von Kriterien aufgestellt wurde, kann man
sich unter anderem folgende Fragen stellen:


Finden wir Wahlverfahren, die all diese Kriterien erfüllen?

Wenn ja, welche Wahlverfahren sind das? Können wir sie
charakterisieren?

Wenn nein, lässt sich zeigen, dass kein Wahlverfahen alle
Kriterien zugleich erfüllen kann?



Ein bekanntes Beispiel für den letzten Fall ist der Satz von
Arrow - ein Unmöglichkeitsresultat, das besagt, dass eigentlich
sinnvolle Bedingungen an ein Wahlergebnis für mehr als zwei
Optionen nicht gleichzeitig erfüllbar sind.


Hinsichtlich der Fairness kommen Wahlverfahren intuitiv schon an
ihre Grenzen, wenn sich zwei Leuten abstimmen sollen, die
gegensätzliche Wünsche haben: Jede (deterministische)
Entscheidung bevorzugt offensichtlich einen der beiden
Beteiligten. Hier kann man sich den Zufall zunutze machen, um
eine faire Entscheidung zu treffen, was auf das Gebiet der
randomisierten Sozialwahltheorie (randomized social
choice) führt. Hier hängen viele Kriterien plötzlich davon
ab, welche lottery extension verwendet wird, also wie aus
ordinalen Präferenzrelationen Präferenzen über
Wahrscheinlichkeitsverteilungen abgeleitet werden.

Literatur und weiterführende Informationen

H.-J. Bungartz e.a.: Modellbildung und Simulation - Eine
anwendungsorientierte Einführung Kapitel 4:
Gruppenentscheidungen, Springer, 2009.

G.G. Szpiro: Die verflixte Mathematik der Demokratie,
Springer, 2011.

W. J. Cho: Probabilistic assignment: A two-fold axiomatic
approach, 2012.

H. Aziz, F. Brandt, and M. Brill: On the tradeoff between
economic efficiency and strategyproofness in randomized social
choice In Proceedings of the 12th International Conference on
Autonomous Agents and Multi-Agent Systems (AAMAS), pp 455–462.
IFAAMAS, 2013.

H. Aziz, P. Stursberg: A generalization of probabilistic
serial to randomized social choice. In Proceedings of the
Twenty-Eighth AAAI Conference on Artificial Intelligence
(AAAI-14), pp 559-565. AAAI Press, Palo Alto, 2014.


Podcasts

M. Lübbecke: Operations Research, Gespräch mit S. Ritterbusch
im Modellansatz Podcast, Folge 110, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.

P. Staudt: Wahlsysteme, Gespräch mit G. Thäter im
Modellansatz Podcast, Folge 27, Fakultät für Mathematik,
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2014.

M. Fehndrich: Wahlrecht und Wahlsysteme, Gespräch mit T.
Pritlove im CRE Podcast, Folge 128, Metaebene Personal Media,
2009.

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