Folge 09 - Totalschaden

Folge 09 - Totalschaden

26 Minuten

Beschreibung

vor 11 Monaten
Thema dieser Folge ist mein Abkippen aus der Manie in die
Depression innerhalb von nur zwei Wochen, brutal abgestürzt aus
einem Höhenflug. Das ist extremer als aus einer normalen
Stimmungslage heraus. Große Schuldgefühle, dass ich Philipp „in den
Tod schicke“. Meine Anzeige, die Verhaftung dann die Abschiebung.
Immer wieder derselbe Gedanke: Ich bin schuld. Mir fehlte die Luft
zum Atmen. Meine Familie machte die klare Ansage: „Wenn du Philipp
Geld gibst oder ihn heiratest, brechen wir die Kontakte ab“. Sie
hatte Angst um mich und um sich selbst. Das war die richtige
Ansage, weil sich Rechnungen, Mahnungen und Inkasso Briefe bereits
stapelten. Ich hatte Philipp über 1.000 EUR geschenkt, ihn
eingekleidet und ausgeführt. Mir wurde bewusst, wie hoch meine
Schulden waren, nachdem ich mit der Sozialarbeiterin die ersten 20
Briefe geöffnet hatte. Mir fehlten die Einnahmen. Frühpensionierung
ist halbes Einkommen. Die Beratung zur Privatinsolvenz ergab, dass
ich als Beamtin auf Lebenszeit und 25000 € Schulden kein
Insolvenzverfahren beantragen musste. Die Sozialarbeiterin hat mit
ihrer falschen Auskunft meine psychische Situation verschlechtert.
Der Vorschlag der Sozialarbeiterin mit dem Chefarzt der Psychiatrie
war völlig abstrus, ich solle mir für die Wohnung zwei
Mitbewohnerinnen suchen - aus der Psychiatrie heraus? Zum Glück
übernahmen meine Eltern die Miete für einige Zeit zur Hälfte.
Familie und Freunde hatten mit meiner Wesensveränderung in der
Manie sehr große Probleme bis auf eine einzige Freundin, die selbst
psychiatrische Erfahrung gemacht hatte. Bruder und Schwägerin haben
sich sieben Monate nicht gemeldet, keine Postkarte, kein gar
nichts. Wie damit umgehen? Sie wussten es nicht. Die einzigen
Menschen, die mich verstanden, waren zwei Bekanntschaften aus der
Klinik. Das Leben gerettet haben mir beide Eltern, die an Ostern
einige Tage blieben. Mama kochte, wir gingen täglich spazieren.
Meine Mutter blieb sieben Wochen. Sie hat sich jeden Tag um mich
gekümmert, so dass ich aus diesem stumpfsinnigen Alltag herauskam.
Sie war aber immer gesund und fröhlich und konnte meine negative
Gedankenspirale nicht nachvollziehen. Ich kam mit ihrer
Unbeschwertheit nicht klar. Trotzdem haben sie mir das Leben
gerettet. Weitere Einsamkeit hätte zu stärkeren Suizidgedanken
geführt. Ich hatte drei oder vier Monate jeden Tag den Druck mich
umzubringen. Vor die Straßenbahn laufen, Autos mieten oder
kurzschließen, um an den Baum zu fahren. Ich war so gepeinigt. Ich
durfte meine Arbeitsstelle nicht mehr betreten und die
Frühpensionierung war eingeleitet. Alles stand in Frage: Studium,
Beruf, Freundschaften. Eigentlich war alles kaputt, echt ein
Totalschaden! Wo sollte ich bleiben? Viele Betroffene machen leider
ähnliche Erfahrungen. Richtig brutal bei der Landung in der
Realität. Abgrundtiefe Schuldgefühle. Hausverbot und die
Frühpensionierung waren eine Katastrophe, ich darf nicht mehr
arbeiten - mit 48 Jahren wie das Ende. Schmerzhaft ist, dass das
gesamte Umfeld dich danach beobachtet, ist sie normal oder tickt
sie gleich wieder aus. Verspielte Freundschaften wie zu meiner
Mitbewohnerin, die auch meine beste Freundin war. Es war klar, dass
ich aufgrund meiner finanziellen Situation nicht mehr in Karlsruhe
bleiben konnte, ich musste zurück in die Eifel. Stabilität,
Finanzen und Kraft. Das Angebot, bei meiner Mutter zu wohnen,
konnte ich vorübergehend annehmen. Eine eigene Existenz aufgebaut,
30 Jahre ein eigenes Leben und dann wieder zurück nach Hause? Eine
Kleinstadt, in der ich eigentlich nichts zu tun hatte….

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