#60_Wie wir werden, die wir sind!

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Der Einfluss frühkindlicher Prägung und Bindung
15 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Ob du dich als Opfer oder als Gewinner deiner frühkindlichen
Prägung und Bindung fühlst liegt ganz alleine bei Dir.


Stell dir ein Mädchen vor, dass im Winter 1954 im US-Bundesstaat
Mississippi zur Welt kommt. Ihre Eltern sind sehr jung, ihr Vater
20 Jahre alt, die Mutter gerade einmal 18. Kurz nach der Geburt
trennen sich ihre Eltern und sie wächst bei ihrer Großmutter auf
einer Farm auf. Die Großmutter ist sehr streng, schlägt das
kleine Mädchen beim geringsten Fehler. Ein zerbrochenes Glas,
verschüttetes Wasser, die Unfähigkeit still zu sitzen, all dies
bringt ihr eine Tracht Prügel ein. Da die Großmutter sehr arm
ist, muss das Mädchen Kleidung tragen, die aus Kartoffelsäcken
genäht wurde, weshalb ihre Schulkameraden sie als „Sack-Mädchen“
beschimpfen. Als sie sechs Jahre alt ist, erkrankt ihre
Großmutter schwer und sie muss zu ihrer Mutter ziehen, wo sie
draußen auf der Veranda des Hauses schlafen muss. Doch es geht
für das Mädchen noch weiter bergab. Mit neun Jahren wird sie von
ihrem 19-jährigen Cousin sexuell missbraucht und in den
darauffolgenden Jahren misshandelt sie ein Familienfreund und ihr
Onkel immer wieder körperlich. Im Alter von 14 Jahren wird sie
schließlich schwanger, verliert das Baby aber kurz nach der
Geburt. Eine wahrlich tragische Kindheit.


Was glaubst du, was das Mädchen heute macht? Wie könnte es für
sie weitergegangen sein?


Auch wenn die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass das Mädchen
aus Mississippi heute psychisch und physisch schwer krank oder
sogar Tod ist, so lehrt uns das Leben an dieser Stelle: Es lohnt
sich, nicht nur zu hoffen, sondern es ist möglich und
vielversprechend, das Ruder in die Hand zu nehmen und den
eingeschlagenen Kurs der Vergangenheit proaktiv zu verändern. Die
Statistik sprach zwar gegen eine leuchtende Zukunft, doch nachdem
das Mädchen mit 14 Jahren ihr Baby verloren hatte, kämpfte sie
für ein besseres Leben – und gab die Hoffnung nicht auf. Als ob
ihre Eltern eine Vorahnung gehabt hätten, gaben sie ihrer Tochter
einen Namen, der in seinem hebräischen Ursprung auch so viel
bedeutet wie: die, die ihren Rücken kehrte.


Denn bei diesem Mädchen handelt es sich um eine Frau, die du
wahrscheinlich kennst; eine Frau, die ihrer schweren
Vergangenheit im wahrsten Sinne den Rücken kehrte und heute nicht
nur die erste afro-amerikanische Milliardärin ist, sondern auch
einer der mächtigsten Personen der Medienwelt: Oprah Winfrey.


Oprah hat es geschafft, ihre schwere Kindheit in große Kraft zu
verwandeln. In der Forschung wird eine solche Reaktion auf eine
schwere psychische Belastung posttraumatisches Wachstum genannt.
Die spannende Frage, die sich hier nun aufdrängt, lautet: Welche
Faktoren sind Katalysatoren des persönlichen Wachstums? Was macht
den Unterschied aus, ob wir an einer Erfahrung wachsen oder
scheitern?


Eine entscheidende Weiche scheint zunächst einmal die emotionale
Intensität der Erfahrung zu sein: Vor allem Momente, die mit
starken Gefühlen – angenehmen wie unangenehmen – einhergehen,
regen Wachstum an. Darauf folgend sind es nach aktuellem Stand
der Forschung vor allem drei Faktoren, die den Schalter auf
Wachstum umlegen: die Anwesenheit angenehmer
Emotionen, soziale Unterstützung und das Schöpfen
von Sinn aus dem Erlebten.


In ihrer 2015 veröffentlichten Doku-Serie „Belief“ teilte Oprah
Winfrey mit ihren Zuschauern, dass es vor allem ihr Glaube an
eine höhere Macht war, der ihr in dieser schwierigen Zeit ein
Gefühl von Sinn und spiritueller Unterstützung gab: „Ich wuchs
mit dem Verständnis auf, dass es diesen allwissenden,
allmächtigen Gott gibt, der mich liebt. Als ich im Alter von
sechs Jahren von meiner Großmutter getrennt und zu meiner Mutter
geschickt wurde, landete ich plötzlich an einem Ort, der mir
völlig fremd war. Ich kannte niemanden, ich kannte nicht einmal
meine Mutter. Ich wusste nur, dass die Leute sagten: ‚Das ist
deine Mutter‘. Ich betrat diesen Raum und fühlte mich völlig
allein und verlassen. Ich erinnere mich an die erste Nacht, in
der ich das Haus betrat und mir gesagt wurde, dass ich nicht bei
meiner Mutter schlafen könne und dass ich nicht im Haus schlafen
könne. Aber es gab eine kleine Veranda, bevor man das Haus
betrat, und ich wurde nach draußen gebracht, um dort zu schlafen.
Ich erinnere mich, dass ich in der ersten Nacht, in der ich von
meiner Großmutter getrennt wurde, auf den Knien gebetet habe. Ich
erinnere mich nicht, jemals eine Träne darüber vergossen zu
haben, weil ich wusste, dass Gott mein Vater war, Jesus mein
Bruder, und sie waren bei mir.“


Aus den Worten Oprahs erkenne ich alle 3 Wachstumsfaktoren:


Die subjektiv empfundene Anwesenheit einer göttlichen Energie hat
ihr nicht nur ein ressourcenvolles und damit angenehmes Gefühl
vermittelt, sondern für sie auch ein Gefühl der Unterstützung und
des Sinns geschenkt. In solch einem Rahmen, der den Raum für
Wachstum öffnet, ermöglicht die hohe Neuroplastizität, (also, die
Fähigkeit des Gehirns, sich während des gesamten Lebens eines
Menschen zu verändern und zu wachsen.) dass sich
Erfahrungsmuster, die wir in der Kindheit erlebt haben verändern
können. So konnten Studien beispielsweise auch zeigen, dass,
selbst wenn wir in der Kindheit eine unsichere Bindung entwickelt
haben, wir später dennoch eine sichere Bindung aufbauen können.
Das bedeutet: Das innere Arbeitsmodell von Bindung ist formbar
und kann zum Beispiel durch neue ressourcenvolle
Beziehungserfahrungen oder auch gezielte Interventionen mit einem
Mentor oder Coach verändert werden.


Ich empfehle dir gerne eine Doku-Serie, die von Oprah Winfrey und
Prinz Harry produziert wurde „Das Ich, dass du nicht siehst“.
Hier teilen nicht nur die beiden ihre Lebensgeschichte, sondern
auch bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Lady Gaga, Glenn Close
etc.


Hier der Trailer:


https://www.youtube.com/watch?v=3Yei7VvOFcA


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