Isabell Beer: “Diversität bedeutet auch, Menschen ohne Studium in der Redaktion zu haben.”

Isabell Beer: “Diversität bedeutet auch, Menschen ohne Studium in der Redaktion zu haben.”

Annkathrin Weis und Markus Trantow im Gespräch mit Investigativ-Journalistin Isabell Beer
43 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Jung und gar nicht naiv: "Du bist sehr jung", "du bist ne Frau",
"geh doch erst mal studieren" – diese Argumente hat Isabell Beer
schon häufig gehört. Im turi2 Clubraum mit Markus Trantow und
Annkathrin Weis erzählt sie von ihrem mitunter steinigen Weg in den
Investigativjournalismus. Ähnlich wie ihr Vorbild Günter Wallraff
recherchiert sie undercover, aber nicht in Fabrikhallen, sondern im
Netz: Unter falschem Profil begegnet sie Voyeuristen, bekennenden
Vergewaltigern, Drogenkonsumenten – und ist auch schon bedroht
worden. "Während Recherchen kann es sein, dass ich auch mal
paranoid werde", gibt sie zu. Noch heute kontrolliert sie
Hotelzimmer und öffentliche Toiletten auf Kameras und überlegt, wo
sie sich in der Bahn hinsetzt. Auf den Journalismus kommt sie erst
mit 18 Jahren, davor wollte sie Schreinerin werden. Sie beginnt mit
Praktika und freier Mitarbeit bei den "Nürnberger Nachrichten" und
macht ein Volontariat bei der Boulevard-Zeitung "Berliner Kurier".
Heute arbeitet sie in einem Investigativteam für das
öffentlich-rechtliche Content-Netzwerk funk. Dass sie nie studiert
hat, haben Arbeitgeber ihr immer wieder vorgehalten. "Einfach nur
falsch", findet das Beer. Diversität bedeute auch, Menschen ohne
Studium in der Redaktion zu haben – schließlich wollten Medien auch
"nicht nur Menschen erreichen, die aus einem akedemisierten Umfeld
stammen". Dazu fordert Beer auch eine andere Sprache. "Wir sollten
Journalismus in einfacher Sprache nicht Leuten wie der
'Bild'-Zeitung überlassen", ist ihre These, der auch Trantow und
Weis zustimmen. Der turi2-Chefredakteur beobachtet, dass es gerade
jungen Journalistinnen mitunter schwer fällt, einfache Sätze zu
schreiben, sie seien oft "zu verkopft". "Die Beschäftigung mit
Boulevardzeitungen kann hilfreich sein", rät Beer mit Blick auf
ihre Volo-Erfahrung. Investigativer Journalismus ist aus Beers
Sicht leider der Teil der Branche, der immer noch am wenigsten
divers ist. Frauen sind in der Unterzahl und vielen Teams gar nicht
vertreten. Nicht, weil sie keine Lust dazu haben, sondern weil der
Einstieg schwer ist, so ihre Erfahrung. Dabei lobt sie, was Frauen
in den Journalismus eingebracht haben: Eine neue Fehlerkultur, die
Aufarbeitung struktureller Probleme wie in der #metoo-Debatte und
einen sensiblen Umgang mit Traumatisierten. Dazu gehöre es auch,
Menschen nicht aufgrund ihres Aussehens Eigenschaften
zuzuschreiben. Beer hat wegen ihrer Piercings, Tattoos und Sitecut
früher immer mal wieder Ablehnung erfahren. Vorgesetzte rieten ihr
etwa, für Politiker-Interviews den Piercing rauszunehmen. "In den
letzten Jahren hat sich da viel verändert", sagt Beer. Geholfen
habe, dass viele junge Journalistinnen öffentlich gemacht haben,
was zu ihnen gesagt wurde. Kommentare über ihr Aussehen sind Beer
jedoch, wie sie sagt, egal – homophobe Äußerungen treffen die
queere Journalistin schon eher. Der turi2 Clubraum diskutiert jeden
Freitag um 12 Uhr mit einem prominenten Gast die Themen der Woche.
Nächste Woche sind es anlässlich der turi2-Newsletter-Wochen
turi2-Gründer Peter Turi und Peter Schwierz, Digital-Verleger des
E-Mobility-Branchendienstes Electrive.

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