Antonia Eugster über Poetry Slam, Essstörung und sexualisierte Gewalt

Antonia Eugster über Poetry Slam, Essstörung und sexualisierte Gewalt

34 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Die 22-jährige Gastronomin Antonia Lia Eugster ist eine der
aufstrebendsten Newcomerinnen in der Schweizer Poetry Slam Szene.
Sie nahm kürzlich bei den ⁠Schweizer Meister:innenschaften⁠ 
teil. Ihre Texte sind sehr persönlich und handeln vom
Schönheitsideal junger Frauen, von einer Essstörung und sexueller
Gewalt.


 


Im Podcast-Gespräch mit Ines Schaberger spricht Antonia Lia
Eugster über die Schwierigkeit, heute eine junge Frau zu sein,
und wie das Schreiben und Sprechen bei der Verarbeitung schlimmer
Erfahrungen helfen kann. Dazu präsentiert sie ihre Texte „Mosaik
aus gesprochenen Worten“ und „Lia“. 





„Ich schreibe aktuell über sehr ernste Themen. Ich verarbeite
meine persönliche Geschichte darin. Poetry Slam kann aber auch
sehr lustig sein, Prosa oder Lyrik: Kunst ist, was man daraus
macht.“


 


Darüber spricht Antonia Lia Eugster im
Fadegrad-Podcast:


01:53   Was ist Poesie eigentlich und kann man
davon leben?


03:35   Der erste Text: Mosaik aus gesprochenen
Wörtern


09:06   Über "nette Mädchen" und Wut zulassen


11:50   Schönheitsideale und Essstörung


15:31   Poetry Slam: Support oder
Konkurrenzdenken?


16:32   Der zweite Text: Lia


23:54   Über Belästigung und sexualisierte Gewalt


28:13   Wer prägt das Bild vom Frausein?


31:23   Liebe


 


In ihrem Text „Mosaik aus gesprochenen Worten“ erzählt Antonia
Lia Eugster, wie Kommentare von fremden Männern ihr Körper- und
Selbstbild prägten:


 


„Ich bin nicht schüchtern


doch auch mich bringen Worte in Verlegenheit,


zum Beispiel wenn du fragst, warum ich so viele Pickel hab und
warum, denn


das ist nicht schön, und eine Frau hat schön zu sein


und dann gibt’s noch ein Tipp von dir


es sei ja nur gut gemeint versicherst du mir.“


Antonia Lia Eugster, in: Mosaik aus gesprochenen Worten


 


Sie erzählt dazu, dass Essen für sie etwas sehr Emotionales sei
und ermutigt Betroffene, sich Hilfe zu holen, beispielsweise beim
Hausarzt. Antonia Lia Eugster rät jungen Menschen, bewusst
auszuwählen, mit welchen Inhalten man sich auf Social Media
konfrontieren möchte. 


Dazu fordert sie eine weniger fett-feindliche Gesellschaft, die
aufhört, unrealistische Schönheitsideale zu idealisieren. 





 Lia: über sexualisierte Gewalt


Antonia Lia Eugster zeichnet eine offene, herzliche
Persönlichkeit aus. Doch Extrovertiertheit wird oft
missverstanden und führt zur Katastrophe, erzählt sie im
Text Lia. „Mir half es, über mich in der dritten Person zu
reden. Lia steht für meinen zweiten Namen, mein früheres Ich, das
kleine Mädchen, das einfach nur geliebt werden wollte“, sagt sie
dazu. 


Lia erlebt sexuelle Gewalt, als ihre innerliche Einsamkeit „zu
eines fremden Mannes Gelegenheit“ wird. 


Der Text erzählt auch vom Hass auf sich selbst, Scham und dem
Wunsch nach Intimität und Begegnung.


 


Soforthilfe bei sexueller Gewalt


gibt es beim Kantonsspital
St.Gallen: https://soforthilfesg.ch


 


„Auf diesen Text bekomme ich bei Poetry Slams die meiste
Resonanz. Leider verbindet mich dieser Text mit vielen anderen
Frauen“, sagt Antonia Lia Eugster. Knapp jede vierte Frau
(22 Prozent) über 16 Jahre in der Schweiz hat bereits ungewollte
sexuelle Handlungen erlebt, ergab eine Umfrage des
Meinungsforschungsinstitutes gfs.bern im Jahr 2019. 12 Prozent
erlebten Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen, sieben Prozent
wurden durch Festhalten oder Zufügen von Schmerzen dazu
gezwungen. Sieben Prozent gaben an, Übergriffe durch Unbekannte
erlebt zu haben.


Darum ist es Antonia Lia Eugster so wichtig, das Thema sexuelle
Gewalt nicht zu tabuisieren. Den Mann aus dem Lia-Text hat sie
nicht angezeigt. Lange habe sie die übergriffige Situationen, von
Belästigung bis hin zu sexualisierter Gewalt verdrängt, erzählt
sie im Fadegrad-Podcast. Liebe bedeutet heute für sie, umgeben
von Menschen zu sein, bei denen sie sich wohlfühlen kann, auch in
Freundschaften. „Liebe bedeutet für mich, immer mehr zu mir
selbst zu finden. Denn mein Inneres sagt mir verlässlich, was
sich gut oder schlecht für mich anfühlt. Wie ein innerer
Wegweiser.“

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