Filamentierung relativistischer Elektronenströme und Anomales Stoppen

Filamentierung relativistischer Elektronenströme und Anomales Stoppen

Beschreibung

vor 19 Jahren
Am Max-Planck-Institut für Quantenoptik steht das 10 Hz Lasersystem
ATLAS zur Verfügung, dessen Pulse bei einer Dauer von 160 fs
Energien bis zu 800 mJ erreichen und auf Intensitäten bis zu 1019
W/cm2 fokussiert werden können. Bei Bestrahlung dünner
Festkörper-Folien (Targets) mit solchen Intensitäten werden zuerst
Elektronen auf relativistische Geschwindigkeiten   1
beschleunigt. Diese Elektronen durchdringen das Target und
verlassen es rückseitig in Richtung des Laserstrahles bei
ponderomotiver Beschleunigung oder entlang der Targetnormalen bei
Beschleunigung durch Resonanz-Absorption. Mit konventionellen
Magnetfeld-Spektrometern kann nur die Energieverteilung derartiger
Elektronenströme bis in den MeV-Bereich bestimmt werden. Da die
Elektronen nach dem Target im Vakuum eine Wegstrecke von einigen cm
zurücklegen müssen, unterliegen diese Ströme allerdings der
Alfven-Grenze IA = 17,5  kA. Ab dieser Stromstärke werden die
Elektronen von ihrem eigenen Magnetfeld auf Kreisbahnen gezwungen,
so daß der Teilchenfluß zusammenbricht bis der Alfven-Wert
unterschritten ist. Bei Laser-Plasma-Experimenten können nun
Stromstärken deutlich größer als 1 MegaAmpere auftreten, so daß man
gezwungen ist, die Elektronen-Diagnostik unmittelbar mit dem
Beschleunigungsbereich des Laser-Targets zu verbinden, wie dies bei
der Messung von Röntgenstrahlung oder der Übergangsstrahlung
möglich ist. Da der Energiebereich der Röntgendiagnostik um die 10
keV und optische Abbildungen wegen der kleinen Wellenlänge auf
wenige Möglichkeiten eingeschränkt sind, können nur begrenzt
Aussagen über die Auswirkungen von relativistischen Elektronen bei
der Wechselwirkung mit Plasmen gemacht werden. Die
Übergangsstrahlung ist sensitiv für den gesamten Energiebereich und
deswegen eine Unterscheidung der Elektronen in Energie und
dazugehöriger räumlicher Verteilung schwierig. Mit dem
Cerenkov-Effekt steht in dieser Arbeit eine Diagnostik zur
Verfügung, die auf Elektronenströme aus der
Laser-Plasma-Wechselwirkung bei relativistischen Intenstitäten
>1018 W/cm2 anwendbar ist. Der Brechungsindex eines optisch
transparenten Cerenkov-Mediums legt zusammen mit der optischen
Abbildung des Cerenkov-Lichts (im sichtbaren Spektralbereich) den
Energiebereich zwischen 180 keV und 230 keV - bei Trajektorien
parallel zur Targetnormalen - fest. Mit sehr dünnen Cerenkov-Medien
(z.B. 50 µm Tesafilm, direkt auf die Targetrückseite aufgeklebt)
und einer schnell geschalteten CCD kann eine örtliche Auflösung bis
zu 4 µm genutzt werden, um die Stromprofile und die Anzahl der
Elektronen zu messen. Bei Aluminium- und Polypropylen-Targets mit
einer Dicke bis zu 10 µm werden filamentierte Elektronenströme
großer Dichte gemessen, die von dem Laserpuls in einem ausgedehnten
Vorplasma beschleunigt werden. Mit zunehmender Targetdicke
verschwindet die Filamentierung und geht in zwei breite
Gauß-förmige Lichtverteilungen über. Entsprechend den
experimentellen Verhältnissen werden diese beiden Elektronenströme
den Beschleunigungsmechanismen der Resonanz-Absorption und der
ponderomotiven Kraft zugeordnet. Auch im Fall der Filamentierung
wird nachgewiesen, daß die Elektronen ponderomotiv beschleunigt
werden. Dazu läßt sich die Anzahl der gemessenen Elektronen
(proportional zur Anzahl der Cerenkov Photonen und zur Dicke des
Cerenkov Mediums) als Funktion der Laser-Intensität auswerten.
Darüber hinaus zeigen Experimente unter Einsatz einer weiteren
Pockelszelle nach dem Regenerativen Verstärker, mit dem sich der
ASE-Vorpuls (amplified spontaneous emission) mit einer Dauer
zwischen 0,5 und 5 ns kontrollieren läßt, daß das Vorplasma einen
wesentlichen Einfluß auf die Elektronenbeschleunigung hat. Die
ASE-Intensität und -Energie ist groß genug (1012 W/cm2), um ein
Vorplasma mit unterkritischer Dichte ( ) zu zünden, in dem die
Länge des Dichtegradienten von der Größenordnung (100 µm) der
Ringdurchmesser der filamentierten Strukturen ist. Der Durchmesser
eines einzelnen Stromfilaments von mehr als 10 µm wird vor allem
durch die Hintergrundplasmadichte eingestellt, in dem durch die
Ladungstrennung starke Rückströme aufgebaut werden. In dieser
Situation der sich begegnenden Ströme können die Magnetfelder
zumindest teilweise kompensiert werden, so daß die Vorwärtsströme
die Alfven-Grenze für die Stromstärke um viele Größenordnungen
übersteigen können. Bei diesen Verhältnissen bilden sich über die
Weibel-Instabiltiät die filamentierten Ringstrukturen, die bereits
in entsprechenden 2D- und 3D-PIC-Simulationen (Particle-In-Cell)
untersucht wurden. In diesem Zusammenhang wurde auch das sog.
Anomale Stoppen vorhergesagt, das zu einem Energieübertrag der
Elektronen an das Hintergrundplasma führt, der deutlich größer ist
als bei klassischen Coulomb-Stößen. Das Anomale Stoppen geht zurück
auf die Koaleszenz ("merging") benachbarter Filamente, die jeweils
ein Vielfaches der Alfven-Stromstärke transportieren können. Die
dabei aufgebauten starken elektrischen und magnetischen Felder
(1010 V/cm, Mega-Gauss) beziehen ihren Energieinhalt aus der
kinetischen Energie der Elektronen und Übertragen diesen in einer
lokalen, räumlichen Expansion an die Plasma-Ionen. Durch Messung
der Elektronenzahl in Abhängigkeit von der Target-Dicke kann die
deutliche Abnahme der Stromstärke nach wenigen µm Festkörperdicke
nachgewiesen werden. Anhand eines einfachen Modells wird der
Energieübertrag numerisch simuliert und mit klassischen
Verlustmechanismen verglichen.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: