Entwicklungsminister Müller: "Die Afrikaner müssen selber mehr leisten"

Entwicklungsminister Müller: "Die Afrikaner müssen selber mehr leisten"

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Das "Interview" ist ein Video Podcasting Angebot der Deutschen Welle. Hier finden Sie jede Woche Interviews zu aktuellen Themen. Die Gästeliste liest sich wie ein "Wer ist Wer?" Deutschlands und Europas.

Beschreibung

vor 6 Jahren
Afrika stand von Beginn an im Fokus seiner Arbeit als
Entwicklungsminister. Im DW-Interview der Woche plädiert Gerd
Müller für Kooperationen "auf Augenhöhe". Dafür müssten auch die
Partnerländer "selber mehr leisten".Partnerschaftlich und auf
Augenhöhe. Von diesen Prinzipien soll sie sich leiten lassen, die
künftige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Afrika. Ganz
Afrika? Nicht unbedingt, stellt Gerd Müller (CSU) im DW-Interview
der Woche klar: "Armutsbekämpfung, ja, das überall. Aber ich habe
den neuen Ansatz gesetzt: Es geht um Reformen in den
Partnerländern, mit denen wir unsere Zusammenarbeit vertiefen." Man
könne mit Afrika nicht in der ganzen Breite zusammenarbeiten und
müsse stärker differenzieren als bislang, sagte der Bundesminister
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Sonntag im
DW-TV. Daher wolle man sich fortan auf Partnerländer konzentrieren,
die glaubwürdige Bereitschaft zu Reformen erkennen ließen: "Die
Afrikaner müssen selber mehr leisten", so Müller. Von den 54
afrikanischen Staaten sei etwa ein Drittel auf sehr gutem Weg, die
Korruption zu bekämpften, die Menschenrechte einzuhalten und "Good
Governance" umzusetzen, sagte Müller. "Das führt auch dann zu
wirtschaftlichem Aufschwung, Prosperität." Der Kolonialismus und
seine Folgen Allerdings, räumte der Minister ein, seien viele
Afrikaner nach ihren Erfahrungen als Objekte europäischer
Kolonialpolitik zunächst einmal skeptisch gegenüber europäischen
Initiativen. Das zeigte sich zum Beispiel in den Verhandlungen um
ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den
fünf afrikanischen Ländern Tansania, Burundi, Kenia, Ruanda und
Uganda. Bereits Ende Februar dieses Jahres hatte sich Staatschef
John Magufuli deutlich gegen solche Verträge ausgesprochen: "Für
mich ist das eine Form des Kolonialismus. Sie sind schlecht für
unser Land." Auch die Abgeordneten im tansanischen Parlament hatten
dagegen gestimmt. Mit Tansanias Nein dürfte das ganze Abkommen
platzen. Und viele Politiker und Akteure der Zivilgesellschaft
dürften darüber erleichtert sein. Denn sie zweifeln am
grundsätzlichen Sinn der Idee, da sich ungleiche Partner gegenüber
stünden. Einerseits öffnet die Europäische Union ihre Märkte für
Produkte aus afrikanischen Ländern. Im Gegenzug müssen die
afrikanischen Staaten ihre Märkte aber ebenfalls zu einem großen
Teil für Waren aus Europa öffnen. Dafür bekommen sie zwar
mehrjährige Übergangsfristen. Aber, anders als die EU-Politiker
glauben die afrikanischen Staats- und Regierungschefs nicht, dass
durch freien Handel mehr Wohlstand in Afrika entsteht. Am Ende, so
die Sorge, könnten die heimischen Produzenten gegen die
europäischen nicht bestehen und würden aus dem Markt gedrängt.
Darum stimmten zuletzt eine ganze Reihe afrikanischer Länder gegen
das geplante Freihandelsabkommen. "Ihr wisst wie euer Weg ist" Die
Bundesregierung will nun einen Ansatz verfolgen, der sich, so die
Hoffnung, nicht des Kolonialismus verdächtig macht. Vom Dialog der
Zukunft habe er konkrete Vorstellungen, sagt Müller: "Afrika und
jedes Land muss seinen eigenen Weg gehen." Ihren Weg habe die
Afrikanische Union in ihrem Zukunftsplan "Afrika 2063"
verabschiedet. "Den müssen wir einfordern, und dann können wir
unterstützen." Aber nur wenn die Führungseliten den Reformbedarf
einsähen, lasse sich an Zusammenarbeit und Förderung denken. Zu
diesen Reformen zählt Müller ganz wesentlich auch die volle
Teilhabe der Frauen: "Afrikas Frauen sind der ganz entscheidende
Schlüssel zum Erfolg." Für neue Standards in der Zusammenarbeit mit
Afrika sei es höchste Zeit, zeigt sich Müller überzeugt. Mit den
vielen afrikanischen Migranten in Deutschland sei "das Thema auch
in den Wohnzimmern" angekommen. Umso dringender sei, dass man
politisch nicht nur umdenken, sondern auch entsprechend handeln
müsse: "Wir können nicht den afrikanischen Kontinent für unseren
Wohlstand ausbeuten, dabei aber die Ressourcen und die Menschen und
die Natur, und Afrikas Jugend und Bevölkerung in Armut
zurücklassen." Beginn einer neokolonialen Phase Genau so aber, sagt
Müller, agierten in Afrika derzeit neue Mächte: "Im Augenblick
startet eine Phase des Neokolonialismus, also neue Strukturen in
der Zeit der Globalisierung. Wir sehen, wie die Chinesen und andere
in Afrika auftreten." Er selbst, so Müller, habe diesen Auftritt in
Mosambik beobachtet. Dort engagierten sich etwa China, Indien und
Japan: "Ressourcenausbeutung ohne Transparenzstandards, ohne
Investitionen vor Ort, weder in die Jugend des Landes noch Abgaben
oder Steuern, die dem Land zugutekommen." Das ungleiche Verhältnis
zeigte sich Einschätzungen von Experten zufolge beim siebten
China-Afrika-Kooperationsabkommen am Montag dieser Woche in Peking.
Viele Sätze in der Rede des chinesischen Staatsoberhaupts begannen
mit "China hat beschlossen". Das klang nicht unbedingt nach der
Partnerschaft auf Augenhöhe, die die Teilnehmer beider Seiten
beschworen. Der Gipfel war ein "großer diplomatischer Sieg" für
China, sagt etwa Tom Bayes, China-Experte beim Forschungsinstitut
MERICS. "Trotz Rhetorik wie 'Bruderschaft' und 'Win-Win' war es
offensichtlich, dass China sich gegenüber seinen afrikanischen
Partnern als Vorbild präsentiert hat, dem sie folgen sollten",
sagte Bayes der DW. Deutsche Industrie "wacht auf" Insgesamt, so
Entwicklungsminister Gerd Müller, müsse man mit China einen Dialog
führen. "Wir haben ein Zentrum für nachhaltige Entwicklung mit den
Chinesen auf den Weg gebracht, um nachhaltige Projekte umzusetzen."
Ein Beispiel sei etwa eine neue, große Brücke in Mosambik - "von
deutschen Ingenieuren konstruiert, von den Chinesen finanziert".
Für die deutsche Industrie, deutet Müller an, sei Afrika ein sehr
profitabler Markt - vorausgesetzt, sie passe ihre Produkte den
Bedürfnissen vor Ort an. Das gelte etwa für die deutsche
Automobilwirtschaft. Er freue sich, so Müller, dass die nun
"aufwache und umsteuere". Sichtbare Zeichen wie das VW-Engagement
in Ruanda gebe es bereits, konstatiert Müller: "In den nächsten
sechs bis acht Jahren werden 300 Millionen Autos in Afrika verkauft
werden - und ich freue mich nicht, wenn ich dort nur Toyotas und
nur Koreaner sehe und keine deutschen Autos." Auch der Handel mit
Afrika soll ausgebaut werden. Auf ihrer gemeinsamen Ghana-Reise
hätten Bundeskanzlerin Merkel und er Kooperationsverträge
unterzeichnet. Die Kontakte sollen im Oktober auf einer
Investorenkonferenz in Berlin fortgesetzt werden. Die Bereitschaft
sei da, sagt Müller: "Die Wirtschaft ist aufgewacht." Die Regierung
sei damit befasst, die Rahmenbedingungen für Investitionen zu
verbessern. Die Bevölkerung des Kontinents werde sich absehbar
verdoppeln. "Das wirft ganz neue Fragen auf, etwa im Hinblick auf
Ernährung und Energie. Und wir haben die Lösungen: Technologie und
Wissenstransfer." Deutschland könne die Probleme lösen. "Und wir
können eine Win-Win-Situation schaffen."

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