[S05E03] Verlust der Eigenzeit (#47)
Worum geht’s in dieser Folge? In der 5. Staffel von
[Projekt: Leben] geht es ja um die „Feinde" unserer Personal
Projects, und dieses mal ist ein besonders folgenreicher Feind
dran: Der Verlust der Eigenzeit. Und wie auch schon in der letzten
Fol
19 Minuten
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Beschreibung
vor 5 Jahren
Worum geht’s in dieser Folge?
In der 5. Staffel von [Projekt: Leben] geht es ja um die „Feinde"
unserer Personal Projects, und dieses mal ist ein besonders
folgenreicher Feind dran: Der Verlust der
Eigenzeit. Und wie auch schon in der letzten Folge, wo
es um die Informationsüberflutung gegangen ist, möchte ich mir
auch in dieser Folge ansehen...
Wer ist eigentlich der Feind, und was ist genau das Problem mit
ihm?Wie wirkt sich dieser Feind auf unsere Personal Projects
aus?Was können wir tun? Wie können wir mit ihm umgehen?
Wer ist der Feind, und was ist eigentlich das Problem mit
ihm?Also, der Verlust der Eigenzeit… Eigenzeit, das ist ein
Begriff, der eigentlich aus der Physik kommt, also genauer gesagt
aus der Relativitätstheorie. Ich werde aber jetzt nicht
versuchen, euch den Begriff aus Sicht der Relativitätstheorie zu
erklären. Mich interessiert der Begriff an sich. Ich borge ihn
mir einfach aus. Für mich drückt der Begriff „Eigenzeit” nämlich
etwas aus, was wir intuitiv, glaube ich, alle irgendwie spüren:
Dass viele Dinge ihre eigene Zeit brauchen. Dass alles seine Zeit
braucht. Dass sich Projekte und Menschen und Beziehungen
unterschiedlich schnell entwickeln. Dass man diese Entwicklungen
auch nicht wirklich beschleunigen kann, selbst wenn man das gerne
möchte. Es gibt ja das Sprichwort, das das Prinzip der Eigenzeit
sehr gut ausdrückt: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man
daran zieht. Super Beispiele für Eigenzeit kann an übrigens bei
kleinen Kindern finden. Jedes Kind lernt irgendwann gehen, jedes
lernt irgendwann sprechen, jedes hat irgendwann alle Zähne. Aber
es ist wirklich sehr, sehr unterschiedlich, wie lange das jeweils
dauert. Manche Kinder gehen, während andere noch krabbeln, manche
haben eine total schnelle sprachliche Entwicklung und bei manchen
dauert das eben länger. Und das Eindrucksvolle ist ja dabei: Das
alles dauert seine Zeit, und es gibt nichts, was man tun müsste,
um da irgendwas zu beschleunigen. Es hat keinen Sinn, das bringt
überhaupt nichts. Im Gegenteil: Das Beste, was man tun kann, ist
jedem Kind seine Eigenzeit zu lassen und zu sagen: Das wird
schon, früher oder später. Das Prinzip der Eigenzeit kann man
auch gut bei Menschen beobachten, die gerade aufgestanden sind.
Manche springen aus dem Bett und sind sofort voll einsatzbereit,
und Andere brauchen zwei Stunden, bis sie auf Betriebstemperatur
kommen. Auch da gibt es nicht wirklich viel, was man
sinnvollerweise tun könnte - oder auch nur tun müsste. Ich hoffe,
ich konnte dir mit den Beispielen gut beschreiben, was ich mit
„Eigenzeit” meine. Das Problem - und damit der Feind unserer
Personal Projects - ist jetzt, dass wir Kindern diese Eigenzeit
vielleicht noch zugestehen - wobei, auch immer weniger. Aber je
älter die Kinder werden, und besonders bei uns Erwachsenen… da
gibt es immer weniger Spielräume für Eigenzeit. Wir sind als
Erwachsene in unserem Leben ziemlich von außen durchgetaktet.
Warum ist das so? Naja, eine große Rolle dabei spielt, dass in
unserer Gesellschaft viel gehalten wird auf Normierung und
Standardisierung. Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, aber wir
leben in einer sehr, sehr, sehr standardisierten Welt. Viele
Prozesse in unserem Leben sind sehr klar vorgegeben und lassen
ganz wenig Spielraum für individuelle Gegebenheiten. Klassisches
Beispiel ist natürlich die Schule. In einer Klasse mit 20 Kindern
bleibt natürlich ganz wenig Zeit für Eigenzeit. Was ja auch klar
ist, und das weiß ich auch eigener Erfahrung als Trainer: Wenn du
bestimmte Dinge im Unterricht durchbringen willst, dann hast du
als Lehrerin oder als Trainer gar nicht die Möglichkeit, dich
nach der Eigenzeit jedes Einzelnen zu richten. Du orientierst
dich irgendwo an einem Mittelwert, und dabei ist dir völlig klar,
dass einige dabei sind, die gedanklich viel schneller sind und
dann wie der andere, die weit mehr Zeit zum Mitdenken, zum
Nachdenken und zum Nachdenken bräuchten. Aber: Es geht halt
nicht, weil die organisatorischen Rahmenbedingungen nicht gegeben
sind. Eigenzeit lässt sich nämlich ganz schwer organisieren und
administrieren. Deswegen findet man Eigenzeit auch so selten am
Arbeitsplatz. Es ist wohl jedem klar, dass standardisierte
Arbeitszeiten Montag bis Freitag von 9 bis 5 nicht für jeden
optimal sind. Standardisierte Arbeitszeiten sind das Gegenteil
von Eigenzeit. Eigentlich müsste jeder dann in die Arbeit kommen,
wenn es für ihn oder sie ideal ist. Und die Anzahl an Stunden
arbeiten, die ihr oder ihm möglich sind. Das wird natürlich
schwanken. In manchen Wochen gehen vielleicht nur 20 Stunden, in
anderen Wochen, wo man super drauf ist, sind vielleicht auch 60
Stunden kein Problem. Aber immer 40, jede Woche über Jahre? Nein,
Eigenzeit ist das nicht gerade. Ich tue mir überhaupt schwer,
gute Beispiele für Eigenzeit in unserer Gesellschaft zu finden.
In unserer Leistungsgesellschaft - und um die
Leistungsgesellschaft geht es übrigens in der nächsten Folge - in
unserer Leistungsgesellschaft ist Eigenzeit ein Fremdkörper. Das
passt nicht rein, das passt nicht zusammen. Leistung hat viel mit
Produktivität zu tun, und Produktivität fußt ganz stark auf
Normierung, auf Messbarkeit, auf Standardisierung und
Vergleichbarkeit. Und Eigenzeit ist das genaue Gegenteil davon.
Das lässt sich nicht vergleichen, das lässt sich nicht gut
managen, das lässt sich nicht planen. Und deswegen passt das
Konzept der Eigenzeit so gar nicht zu der gegenwärtigen
Gesellschaft, in der wir leben. Okay, das mal zum Thema Eigenzeit
in unserer Gesellschaft. Aber wie sieht es jetzt mit der
Eigenzeit in unseren ganz persönlichen Personal Projects
aus?
Wie wirkt sich der Verlust von Eigenzeit auf unsere Personal
Projects aus?
Wenn wir jetzt an unsere Personal Projects denken
und vor allem an unsere Herzensprojekte… dann glaube ich, dass
die ganz stark auf der Idee von Eigenzeit beruhen. Personal
Projects sind, wie der Name schon sagt, personal - also immer
individuell. Immer. Nicht nur, weil jeder von uns ganz
unterschiedliche Personal Projects hat. Sondern selbst dann, wenn
zwei Menschen das gleiche Personal Project haben, dann laufen
diese Personal Projects mit unterschiedlichen Eigenzeiten. Weil
jeder Mensch unterschiedlich ist, weil sie unterschiedliche Werte
haben, weil sich das Leben von einem Menschen überhaupt nicht
vergleichen lässt mit dem Leben eines anderen Menschen. Das gilt
ganz besonders für Beziehungsprojekte. Beziehungsprojekte nenne
ich jene Personal Projects, wo es kein bestimmtes Ergebnis zu
erreichen gibt, sondern wo das Tun an und für sich schon das Ziel
des Projekts ist. Das wären z.B. Personal Projects wie „Eine gute
Ehe führen” oder „Spanisch lernen” oder „Im Gospelchor singen”.
Das sind allesamt Projekte, wo nicht ein bestimmtes Endergebnis
vordefiniert ist, sondern die Ergebnisse kommen mit dem Tun. Ich
habe mal eine ganze Folge über den Unterschied von
Beziehungsprojekten und Leistungsprojekten gemacht, die verlinke
ich dir in den Show Notes, wenn du sie noch nicht gehört hast
oder nochmal nachhören möchtest. Es ist, denke ich, völlig klar
und nachvollziehbar, dass Personal Projects und insbesondere
Beziehungsprojekte Eigenzeit brauchen. Das dauert alles seine
Zeit, da hilft es auch nicht, wenn man hudelt, also versucht, da
irgendwas beschleunigen zu wollen. Man könnte sagen: Diese
Projekte, und das sind ganz ganz oft unsere Herzensprojekte, die
folgen einem eigenen Takt - dem Takt des Lebens. So weit, so
logisch, denke ich. Aber was machen wir Menschen jetzt? Wir
vertreiben das bisschen, was wir an Eigenzeit in unserem Leben
noch haben, Stück für Stück selbst, weil wir immer wieder etwas
ganz ganz Unsinniges tun: Wir vergleichen. Wir vergleichen alles
und jeden. Wir vergleichen immer und überall. Und wir vergleichen
auch unsere Personal Projects. Wir wollen Spanisch lernen, weil
es...
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