[S05E04] Leistungsgesellschaft (#48)
Worum geht’s in der heutigen Folge? In der 5. Staffel von [Projekt:
Leben] geht es ja um die „Feinde" unserer Personal Projects, und
heute ist wieder ein solcher Feind dran. Dieser Feind ist die so
genannte Leistungsgesellschaft. Und so möchte ich mir
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vor 5 Jahren
Worum geht’s in der heutigen Folge?
In der 5. Staffel von [Projekt: Leben] geht es ja um die „Feinde"
unserer Personal Projects, und heute ist wieder ein solcher Feind
dran. Dieser Feind ist die so genannte Leistungsgesellschaft. Und
so möchte ich mir auch in dieser Folge ansehen...
Wer ist eigentlich mit „Leistungsgesellschaft” gemeint, und was
ist genau das Problem mit ihr?Wie wirkt sich die
Leistungsgesellschaft auf unsere Personal Projects aus?Was können
wir tun? Wie können wir mit den Auswirkungen der
Leistungsgesellschaft besser umgehen?
Was ist mit „Leistungsgesellschaft” gemeint, und was ist
eigentlich das Problem damit?
Also, die Leistungsgesellschaft… das ist ein Begriff, mit
dem zusammengefasst wird, dass in der Gesellschaft, in der wir
leben, Leistung und Erfolg und produktiv sein und so weiter hohe
gesellschaftliche Werte sind. Man kann es auf den Nenner bringen:
Wer Leistung bringt, wer - wie man es in der Politik gerne
formuliert - „brav und fleißig“ ist, der ist gesellschaftlich
angesehen. Wir verwenden relativ viel Zeit darauf, alle möglichen
Dinge in unserem Leben zu messen. Wir machen Rankings und
Evaluierungen, wir messen und vergleichen ständig.
Die andere Seite der Medaille ist: Alles, was den Anschein
erweckt, in irgend einer Weise „unnütz“ zu sein… das ist
verdächtig. Es gibt in der Leistungsgesellschaft wohl keinen
größeren Vorwurf als jemandem zu sagen, er oder sie liege der
„sozialen Hängematte“. Arbeitslos zu sein, das ist mit
gesellschaftlichem Prestigeverlust verbunden - insbesondere dann,
wenn man sich nicht schnell und aktiv um einen neuen Job bemüht.
Jemand, der eine berufliche Auszeit nimmt, der wird mitunter
schief angeschaut. Eben weil er oder sie gegen die Werte der
Leistungsgesellschaft verstößt. Das Gefährliche an der
Leistungsgesellschaft ist aus meiner Sicht Folgendes: Die Werte
der Leistungsgesellschaft, also Fleiß und Anstrengung und Erfolg
und so weiter, die sind so tief in uns verwurzelt, dass wir sie
kaum mehr hinterfragen. Im Gegenteil: Aktuell habe ich den
Eindruck, dass Leistung als Wert in unserer Gesellschaft wieder
absolut Hochkonjunktur hat. Und das hat zur Folge, dass wir
Leistung auch in Bereichen messen wollen, wo wir uns durchaus
fragen dürften: Hat das überhaupt irgend einen Sinn? Was meine
ich damit? Ich nenne euch mal ein Beispiel, das hoffentlich
leicht nachvollziehbar ist: Eine der ersten Aktivitäten, die die
neue österreichische Bundesregierung angegangen ist, war die
Noten und das Sitzenbleiben in der Volksschule wieder
einzuführen. Wie immer geht es mir in diesem Podcast nicht um
eine politische Diskussion, ich will nur Folgendes feststellen:
Die Idee, Leistung schon bei Sechsjährigen zu messen und
Nicht-Leistung mit strengen Konsequenzen zu bestrafen, das ist
selbstverständlich eine Idee der Leistungsgesellschaft. Und wie
gesagt, dafür mag es Für und Wider geben, aber ich glaube, dass
wir uns viel zu wenig bewusst sind, wie tief verwurzelt der Ethos
der Leistungsgesellschaft in unserer Gesellschaft ist, wenn wir
schon unsere Kleinsten an diesen Werten ausrichten. Wobei: Den
Leistungsgedanken lernen Kinder schon im Kindergarten kennen und
oft sogar schon davor. Naja, jedenfalls möchte ich mal ein paar
Konsequenzen nennen, die aus solchen gesellschaftlichen Maßnahmen
entstehen. Oder mit anderen Worten: Was lernen die Kinder
dadurch, dass sie Noten bekommen?
Konsequenz: Die Kinder lernen etwas über Wert und
Selbstwert, und das lässt sich auf folgenden Nenner
bringen: Wenn du etwas leistest, bist du etwas wert. Für gute
Leistungen bekommst du Lob und Zuneigung.
Bei Erwachsenen führt genau diese Formel dann übrigens zu
Überarbeitung und Burn-Out. Eh klar, wenn man seinen Selbstwert
vorwiegend über seinen beruflichen Erfolg definiert.
Konsequenz: Die Kinder lernen, dass es wichtig ist,
besser zu sein als die anderen. Mit anderen
Worten: Kinder lernen von klein auf, sich mit anderen zu
vergleichen und zu messen. Noten erhöhen natürlich die
Vergleichbarkeit: Bin ich jetzt besser oder schlechter als der
andere? Und dabei kommen die Kinder dann drauf, dass es gar nicht
soooo wichtig ist, wie gut man selbst ist und wie sehr man sich
selbst anstrengt. Man muss nur besser sein als die anderen.
Das führt bei Erwachsenen dann zu dem ständigen Vergleichen,
das ich in der letzten Folge besprochen habe, beim Verlust der
Eigenzeit. Und das ständige Vergleichen ist aus meiner Sicht Gift
für ein glückliches Leben, weil wir vergleichen, was sich
eigentlich gar nicht vergleichen lässt.
Konsequenz: Die Kinder lernen, dass es grundsätzlich okay ist,
Erfolg zu haben auf Kosten anderer. Also, es ist
vielleicht nicht gut, aber auch nicht sehr schlimm. Man hat nämlich
nicht wirklich was davon, wenn man anderen hilft, auch erfolgreich
zu sein. Im Gegenteil: Das macht die ganze Sache nur mühsamer für
einen selbst.
Bei Erwachsenen führt das dann dazu, dass Werte wie
„Solidarität“ aktuell nicht besonders geschätzt werden. Jeder ist
seines Glückes Schmied, und wer sich anstrengt, der kann auch
glücklich werden. So ungefähr lautet das Credo.
Okay, das waren mal drei Auswirkungen der Leistungsgesellschaft
am Beispiel unserer Kleinen. Ich finde, Kinder geben da immer
super Beispiele ab. Nicht nur, weil ich selber zwei habe, sondern
weil sich Kinder wirklich gut eignen, um unsere
gesellschaftlichen Muster aufzuzeigen und weil man sich da gut
fragen kann: Muss das wirklich unbedingt so sein? Na gut, aber
machen wir jetzt mal den Schritt weg von den Kindern hin zu
unseren Personal Projects und fragen uns:
Wie wirkt sich die Leistungsgesellschaft auf unsere Personal
Projects aus?
Machen wir ein kurzes Gedankenexperiment: Denk mal an die
zwei, drei, fünf Personal Projects, die dich heute gerade
beschäftigen. Wenn du dir diese Personal Projects so anschaust,
dann frag dich mal: In wie vielen davon geht es um „Leistung“? In
wie vielen davon bewertest du den Erfolg der Projekte an deiner
Performance?
Naja, da sind sicher mal alle beruflichen Projekte. Oder alle
schulischen. Da geht es natürlich um Leistung. Der Erfolg dieser
Projekte ist meistens an Leistungsziele gekoppelt. Das ist halt
so, und das ist auch nicht unbedingt tragisch, damit haben wir
meistens gelernt ganz gut umzugehen. Aber wie sieht das mit den
Projekten in deinem Privatleben aus? Sind die wenigstens
Leistungs-frei? Oder deine Herzensprojekte? Sind die wenigstens
frei von Leistungsdruck? Vielleicht geht es dir wie mir und musst
sagen: Nein, leider nicht. Auch in meinen Herzensprojekten habe
ich einen Leistungsdruck. Und zwar einen Leistungsdruck, den ich
mir selber auferlegt habe, ungefragt und ohne Not. Wieder ein
Beispiel dazu von mir. Jetzt sind wir wieder bei den Kindern,
aber weil es so plakativ ist: Ein Herzensprojekt von mir lautet
„Ein guter Vater sein“. Naja, kann man sagen, das ist ein schönes
Projekt. Aber schauen wir mal genauer hin. Das Projekt heißt „Ein
GUTER Vater sein“, nicht einfach nur „Vater sein“. Das heißt, da
ist eine Leistungskomponente schon mit eingebaut, bewusst oder
unbewusst. Weil was heißt das denn genau, ein GUTER Vater zu
sein? An welchen Kriterien will ich das messen? WIE will ich das
messen? Und gut im Vergleich wozu? Gut im Vergleich zu meinem
eigenen Vater, im Vergleich zu meinem Nachbarn, der auch zwei
Kinder hat oder gut im Vergleich zu allen Vätern der Welt? Und
noch dazu: Ich habe zwei Kinder. Was für meinen Großen ein guter
Vater ist, muss es noch lange nicht für meine Kleine sein - und
umgekehrt. Noch dazu, weil sich die Anforderungen auch ständig
ändern. Also, ich glaube, man sieht schon, dass es im Prinzip für
die Fische ist, meine Vaterrolle unter irgend einen
Leistungsanspruch zu stellen. Und dennoch tue ich es, weil ich
mich gar nicht entziehen kann...
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