[S05E10] PHILOSOPHICUM: Die Ökonomisierung unseres Lebens (#54)

[S05E10] PHILOSOPHICUM: Die Ökonomisierung unseres Lebens (#54)

Worum geht’s in dieser Folge? Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum, und zwar das Philosophicum zur 5. Staffel von [Projekt: Leben], in der es ja um die „Feinde“ unserer Personal Projects geht. Im Philosophicum versuche ich immer, ei
19 Minuten
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[Projekt: Leben] - Der Podcast für alle, die noch was vor haben im Leben.

Beschreibung

vor 5 Jahren

 Worum geht’s in dieser Folge?


Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum, und zwar das
Philosophicum zur 5. Staffel von [Projekt: Leben], in der es ja
um die „Feinde“ unserer Personal Projects geht. Im Philosophicum
versuche ich immer, ein bisschen über den Tellerrand
hinauszuschauen und mir über philosophischere Themen ein paar
Gedanken zu machen.


Und für dieses Philosophicum habe ich mir ein aktuelles Phänomen
ausgesucht, das nennt sich „die Ökonomisierung unseres Lebens“.


Und das ist, das sage ich gleich vorweg, ein ziemlich schwieriges
Thema. Schwierig deshalb, weil es gar nicht so einfach ist zu
erklären, was damit gemeint ist. Und trotzdem ist es
allgegenwärtig. Aber die Schwierigkeit dabei ist, dass es so
präsent ist, dass uns oft gar nicht auffällt - weil es für uns
völlig „normal“ ist, so wie es ist und so wie wir leben. Die
Ökonomisierung versteckt sich also sozusagen vor unseren Augen.
Und dennoch - oder gerade deswegen - möchte ich in dieser Folge
den Versuch starten, anhand eines Beispiels zu zeigen, wie
ökonomische Motive (und ökonomisch heißt hier nichts anderes als
wirtschaftlich) unser Leben beeinflussen. Möge der Versuch
gelingen!


Was bedeutet "Ökonomisierung"?


 Ich schlage vor, wir starten mal ganz am Anfang. Ich
erkläre mal, was mit „Ökonomisierung“ eigentlich gemeint
ist. 


Ökonomie, das ist nichts anderes als ein Fremdwort für
Wirtschaft. Und Ökonomisierung ist also sowas wie eine
„Verwirtschaftlichung“, in dem Fall eine
Verwirtschaftlichung unseres Lebens. Gemeint ist damit, dass
immer mehr Bereiche in unserem Leben, also Beziehungen, Bildung,
Gesundheit, gesellschaftliches Engagement, Freizeit etc., dass
immer mehr dieser Bereiche einer Logik folgt, die eigentlich aus
dem Wirtschaftsbereich kommt. Dass Denkweisen und
Handlungsweisen, die eigentlich ihren Ursprung in Unternehmen und
in der Betriebswirtschaftslehre haben, auch auf Lebensbereiche
angewendet werden, die vordergündig gar nichts mit Wirtschaft zu
tun haben. Ich werde euch dazu noch ein Beispiel geben, aber das
mal zur Erklärung im Groben. 


Jetzt schauen wir uns mal an: Welche Denkweisen und
Handlungswiesen sind es denn, die da vom Wirtschaftsleben auf
unser gesamtes Leben umgelegt werden? 


Naja, da wäre zuerst mal (und am wichtigsten) das so genannte
„ökonomische Prinzip“, oder auch
„Wirtschaftlichkeitsprinzip“. Das ökonomische
Prinzip kennt im Grunde jeder, aber wahrscheinlich nicht
unbedingt unter diesem Namen. Im ökonomischen Prinzip geht es um
nichts anderes als das Verhältnis von Input und Output, also von
dem, was man einsetzt (der Input) und das was man rausbekommt
(der Output). Und die Logik des ökonomischen Prinzips ist jetzt
folgende: Wirtschaftlich ist etwas, wenn ich mit
möglichst wenig Aufwand möglichst viel Output bekomme.
Also zum Beispiel: Wenn ich mit möglichst wenig Lernaufwand eine
gute oder sogar sehr gute Note bekomme. Das wäre aus Sicht der
Ökonomie wirtschaftliches Handeln. Oder wenn ich um möglichst
wenig Geld eine supertolle Urlaubsreise buche. Denn in der
Ökonomie geht es im Grunde um nichts anderes als zu schauen, dass
wir möglichst immer wirtschaftlich und möglichst selten
unwirtschaftlich handeln. 
Wobei „wir“ in dem Fall eigentlich ein bisschen ungenau ist. Denn
ursprünglich geht es der Ökonomie darum, dass Unternehmen
möglichst wirtschaftlich handeln. Also z.B. mit möglichst wenig
Mitarbeitereinsatz möglichst viel Gewinn machen. Das wäre das
ökonomische Prinzip in einem Unternehmen. 


Aber man kann das ökonomische Prinzip auch auf Menschen und das
Leben von Menschen umlegen. Und so gesehen bedeutet
Ökonomisierung des Lebens, dass diese Logik von Input und Output,
die in einem Unternehmen gilt, auch auf den einzelnen Menschen
und unser Leben umgelegt wird. Dass also die Frage, ob etwas
„wirtschaftlich“ ist oder nicht, immer mehr unserer
Lebensbereiche und Lebensentscheidungen (und damit nichts weniger
als unsere Personal Projects und unsere Herzensprojekte)
beeinflusst. 


So, jetzt ist es aber höchste Zeit für ein
Beispiel, damit ihr euch das besser vorstellen
könnt. 


Ein sehr anschauliches Beispiel, wie ich finde, ist die
Ökonomisierung im Bereich der Bildung. Und damit ist nicht
gemeint, dass irgendwelche Firmen in den Schulen Werbung
aufhängen und die Schulen dafür Geld bekommen. Oder das
Hochschulen immer mehr angewiesen sind auf Forschungsprojekte,
die von Unternehmen finanziert oder mitfinanziert werden. Nein,
das mag eine Folgeerscheinung sein, aber darum geht es mir nicht.
Worum es mir geht, ist viel grundsätzlicher. Und es oft schon so
„normal“, dass es uns gar nicht mehr auffällt. 


In Österreich haben wir derzeit eine Wirtschaftsministerin, die
heißt Margarete Schramböck. Margarete Schramböck ist von der ÖVP,
also einer traditionell eher Unternehmer-freundlichen Partei, und
Frau Schramböck selbst ist erst seit Kurzem Politikerin, sie ist
Quereinsteigerin und hat zuvor lange Zeit in der
Telekommunikationsbranche gearbeotet. Naja, jedenfalls hat Frau
Schramböck unlängst in einem Interview gemeint, dass die
Gymnasien in Österreich „am Markt vorbei“
produzieren. Gemeint hat sie damit wohl, dass das, was
die Schülerinnen und Schüler in einem Gymnasium lernen, nicht das
ist, was die Unternehmen später von ihren zukünftigen
Mitarbeiterinen und Mitarbeitern brauchen. Dass man also im
Gymnasium das Falsche für den späteren Berufseinstieg und den
beruflichen Erfolg lernt - Stichwort Fachkräftemangel. 


Naja, dieser Aussage kann man jetzt grundsätzlich zustimmen oder
nicht, da gibt es Für und Wider. Wie immer geht es mir in diesem
Podcast nicht um eine politische Diskussion, sondern es geht mir
darum, dass diese Aussage, nämlich dass „Schule am Markt vorbei
produziert“, ein gutes Beispiel ist für die Ökonomisierung eines
Lebenbereiches, in dem Fall der Bildung. Was da nämlich passiert,
ist, dass die Schulbildung unserer Kinder (also sozusagen der
Input) reduziert wird auf die Frage: Kommt da der richtige Output
raus? Und noch genauer: Kommt da der richtige Output für unsere
Unternehmen heraus? 


Wenn man so argumentiert, dann lässt man klarerweise viele Dinge
völlig weg, die in einer Schule passieren oder passieren können
und die gut und wichtig für die Kinder sind. Übrig bleibt dann
nur mehr die ökonomische Frage: Ist das, was in der Schule
passiert und gelernt wird, „wirtschaftlich“ im Sinn von: Ist es
nützlich, ist es effizient, ist das Wissen später brauchbar und
so weiter. 


So, und jetzt stelle ich mal eine Behauptung auf: Bei diesem
Beispiel der österreichischen Wirtschaftsministerin, die fordert,
dass sich die Gymnasien mehr am Markt orientieren… Ich behaupte,
dass sich viele Menschen da draußen, in Österreich und in
Deutschland, denken: „Ja, da hat sie ja recht!“ Und ich behaupte
auch, das sich gerade in diesem Moment auch ein guter Teil meiner
Hörerinnen und Hörer denkt: „Günter, ich verstehe nicht, was da
dein Problem ist. Im Grunde stimmt es ja: Was nützt es denn, wenn
die Kinder im Gymnasium sinnlose Sachen lernen, die sie später im
Berufsleben nie mehr brauchen?“ 


So, und da muss ich jetzt Karl Marx ins Spiel
bringen.  


Tauschwert vs. Gebrauchswert


Karl Marx ist etwas aus der Mode gekommen, das liegt auch daran,
dass das Experiment des Kommunismus schrecklich schief gegangen
ist. Aber ein Gedanke von Karl Marx ist für das Verständnis
dieses Phänomens sehr hilfreich, finde ich, und den möchte ich
euch jetzt vorstellen. 
Karl Marx hat nämlich eine Unterscheidung getroffen, wofür das
Wissen gut sein kann, das wir im Lauf...

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