S08E01: Interdependenz (#77)
Worum geht's in dieser Folge? Mit dieser Folge startet die 8.
Staffel von [Projekt: Leben], und das Generalthema dieser 8.
Staffel sind unsere „shared projects”, also jene Projekte, die wir
gemeinsam mit anderen Menschen umsetzen - sei es,
12 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Jahren
Worum geht's in dieser Folge?
Mit dieser Folge startet die 8. Staffel von [Projekt: Leben], und
das Generalthema dieser 8. Staffel sind unsere „shared
projects”, also jene Projekte, die wir gemeinsam
mit anderen Menschen umsetzen - sei es, weil wir uns das
freiwillig so ausgesucht haben oder sei es, weil wir diese
Projekte von anderen Menschen auf’s Auge gedrückt bekommen haben.
In gewisser Weise ist diese Staffel bzw. dieses Thema
überfällig.
Rückblickend betrachtet habe ich mich sieben Staffeln lang mehr
oder weniger mit Personal Projects aus Sicht der Einzelperson,
aus Sicht des individuellen Personal Project Managers
beschäftigt.
Diese Sichtweise war mir deshalb so wichtig, weil ich
rüberbringen wollte, dass wir für unsere Personal Projects in
erster Linie selbst verantwortlich sind. Wir können uns da auf
niemanden ausreden, denn am Ende des Tages ist es UNSERE eigene
Lebenszufriedenheit, die wir mit unseren Personal Projects
bestimmen - zum Guten oder zum weniger Guten.
Diese Sichtweise hatte aber auch zur Folge, dass ich diese
Eigenverantwortung, diese individuelle Verantwortlichkeit
mitunter etwas überbetont habe. Klarerweise sind unsere Personal
Projects ganz stark verknüpft mit anderen Menschen und deren
Personal Projects. Wenn wir auf unsere eigenen Personal Projects
schauen, dann sehen wir in Wirklichkeit ein dichtes Netz von
Querverbindungen und Verzweigungen zwischen unseren eigenen
Personal Projects und Menschen in unserer Umgebung. Und je näher
uns diese Menschen stehen, desto stärker und häufiger sind diese
Verzweigungen und Verbindungen.
Genau diesen Aspekt der Verzweigungen und Verbindungen möchte ich
in dieser Folge ein bisschen genauer beleuchten. Ich möchte
nämlich über das Konzept der „Interdependenz” sprechen, mit der
sich diese ganz starke Vernetzung unserer Personal Projects mit
den Personal Projects anderer Menschen sehr gut illustrieren
lässt.
Ich will mal versuchen, euch Interdependenz nicht theoretisch zu
erklären, also mit Begriffsdefinitionen oder so, sondern anhand
von zwei Blickwinkeln, die euch ein Gefühl dafür geben sollen,
worum es bei Interdependenz geht. Interdependenz ist nämlich
eines jener Dinge, wo ich finde, das versteht man am besten
indirekt, indem man ein „Gefühl” dafür bekommt.
Also, hier ist der erste Blickwinkel:
1. Gepflegte Abhängigkeiten
Vor ein paar Wochen war ich bei einem Vortrag von Andy
Holzer. Andy Holzer ist ein Osttiroler Bergsteiger,
der auch den Mount Everest bestiegen hat. Gut, das machen
mittlerweile ein paar Hundert Menschen pro Jahr, aber das
Besondere bei Andy Holzer ist, das er blind ist. Er hat also als
erster blinder Mensch den Mount Everest bestiegen. Eine
großartige Leistung also.
Bei dem Vortrag von ihm ging es unter anderem eben auch um diese
Everest-Besteigung, und er hat davon erzählt, dass das natürlich
nur möglich ist, wenn man Menschen dabei hat, die einem dabei
helfen. Er hatte also ein Team dabei, ohne das dieses Personal
Project gar nicht möglich gewesen wäre.
Andy Holzer hat das so beschrieben, dass er sich als blinder
Mensch sein ganzes Leben lang in Abhängigkeit von Menschen
befindet, die ihm Dinge ermöglichen, die er alleine nicht könnte.
Und dann hat Andy Holzer etwas sehr Spannendes gesagt: Er achtet
sehr darauf, dass diese Abhängigkeiten, die er da eingeht,
„gepflegte Abhängigkeiten” sind. „Gepflegte
Abhängigkeit”, das finde ich ein wunderschönes Bild. Keine
Abhängigkeiten, die uns schwach und hilflos machen, sondern
Abhängigkeiten von Menschen, die uns dabei helfen, etwas Großes
zu erreichen, das wir alleine nicht erreichen könnten.
Gepflegt abhängig zu sein bedeutet also, sich bewusst in
die Abhängigkeit begeben - und das nicht als Bürde, sondern als
absolute Chance zu sehen. Sich darauf einzulassen.
Projekte gemeinsam anzugehen und darauf zu vertrauen, dass das
Ergebnis mehr ist als die Summe seiner Teile. Wir sind nämlich
NICHT auf der Welt, um von anderen Menschen völlig unabhängig zu
sein - sondern, um mit unserer Umwelt in Gegenseitigkeit zu
leben. Um füreinander da zu sein. Andy Holzer hat das so
zusammengefasst: „Wir brauchen einander bitter nötig. Am Anfang
brauchen wir die Hebamme, am Schluss brauchen wir den
Totengräber."
2. Persönliches Wachstum
Der zweite Blickwinkel kommt von Stephen Covey,
dem Autor des Buches „Die 7 Wege zur Effektivität”, einem echten
Klassiker der Selbstmanagement-Literatur.
Stephen Covey sagt in dem Buch, dass Interdependenz das Ergebnis
ist eines persönlichen Wachstumsprozesses, und
dieser Prozess läuft in drei Phasen ab:
Abhängigkeit. Wir sind von bestimmten Menschen
abhängig, z.B. von einem Arbeitgeber oder einem Großkunden oder
auch unseren Eltern oder unseren Ehepartnern. Irgendwie und
irgendwann kommen wir drauf, dass uns diese Abhängigkeiten nicht
gut tun, und wir beginnen gegen sie zu
rebellieren. Unabhängigkeit: Wir lehnen alle
Abhängigkeiten ab. Wir wollen selbst für unser Leben und unser
Glück verantwortlich sein. Wir wollen das Steuer in der Hand haben,
wir wollen uns nach niemandem richten müssen. Das Pendel schlägt
sozusagen in die andere Richtung
aus. Interdependenz: Das Pendel pendelt sich
in der Mitte ein. Nachdem wir gelernt haben, unabhängig zu sein und
für uns selbst zu sorgen, können wir in dieser Phase der
Interdependenz wieder Abhängigkeiten oder vielleicht passender
Kooperationen eingehen - und zwar aus einer Position der eigene
Stärke heraus, der eigenen Unabhängigkeit. Nicht, weil wir uns
abhängig machen müssen, sondern weil wir WOLLEN. Weil wir
begreifen, dass wir uns selbst etwas Gutes tun, wenn wir uns von
anderen Menschen in unseren Personal Projects helfen lassen, wenn
wir andere Menschen in unseren Personal Projects mitarbeiten
lassen, und wenn wir gleichzeitig zulassen, anderen Menschen bei
DEREN Personal Projects zu unterstützen - nämlich ohne selbst etwas
dafür zu wollen, außer dass dieses Projekt eines Menschen, der uns
wichtig ist, zum Erfolg wird.
Wenn wir das jetzt auf unsere Personal Projects übertragen, dann
könnte Interdependenz sowas sein wie die Erkenntnis, dass wir für
viele unserer Personal Projects - vielleicht sogar für die
meisten - andere Menschen BRAUCHEN, dass wir andere Menschen in
unsere Personal Projects involvieren sollten. Nicht als ein
Zeichen von Schwäche, sondern als ein Ausdruck von großer
Selbstsicherheit und von großem Vertrauen. Stephen Covey bringt
das so auf den Punkt: „Interdependenz ist zehnmal
schwieriger als Unabhängigkeit. Kreative Zusammenarbeit
erfordert ein enormes Maß an Unabhängigkeit, innerer Sicherheit
und Selbstbeherrschung.”
Wenn wir die Stärke und die Magie dieser „gepflegten
Abhängigkeiten” begriffen haben, dann beginnen wir vielleicht
auch zu verstehen, wie essenziell es ist, dass auch wir eine
Rolle spielen in den Personal Projects anderer Menschen, weil sie
nur durch unser Mitwirken zur vollen Entfaltung kommen
können.
Um genau das in all seinen Facetten soll es in den restlichen
Folgen dieser Staffel gehen: Shared Projects als jene
Personal Projects, die wir gemeinsam mit anderen Menschen
umsetzen - nicht aus Abhängigkeit, nicht aus Zwang, nicht als
Bürde, sondern weil wir uns gegenseitig BRAUCHEN, um all das zur
Entfaltung zu bringen, was uns das Leben an Möglichkeiten
schenkt.
Zusammenfassung
...
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