#55 "Im Übrigen werden Sie mich nicht in den Tod treiben": Die Entgleisung einer OGH-Vizepräsidentin

#55 "Im Übrigen werden Sie mich nicht in den Tod treiben": Die Entgleisung einer OGH-Vizepräsidentin

Die OGH-Vizepräsidentin & die Pressefreiheit: Eva Marek, amtierende Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, unterstellt mir in einer Serie von E-Mails von ihrem Justiz-Account, absichtlich Unwahrheiten zu verbreiten – und sie unterstellt mir, sie "in d
26 Minuten

Beschreibung

vor 9 Monaten

In dieser Episode verlese und kontextualisiere ich eine Serie von
E-Mails, die mir die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs
von ihrem Justiz-Account geschickt hat. Sie waren allesamt
Antworten auf eine offizielle Medienanfrage, die ich an Sie
gerichtet hatte. 


Die Mails gibt es hier zum Nachlesen.


Die Geschichte beginnt mit einer Medienanfrage an Eva Marek am
Vormittag des 31. Jänner, geschrieben in meinem und Fabian
Schmids Namen. 


"Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Marek,


ich wende mich an Sie iZ mit einer Recherche zur Causa
Stadterweiterungsfonds. Die gegenständliche Anfrage erfolgt im
Namen meines Podcasts Die Dunkelkammer und des Standard, Fabian
Schmid ist in cc.


Wir ersuchen höflichst um Beantwortung bis morgen, Donnerstag,
10.00 Uhr.


Uns liegt eine justizinterne Dokumentation vor, die Vorgänge
im Vorfeld der Anklageerhebung 2019 behandelt. Wie Ihnen sicher
erinnerlich ist, gab es 2020 eine Prüfung zu möglichen
Dienstpflichtverletzungen im Bereich der OStA rund um die
Behandlung und Erledigung des Verfahrenskomplexes
Stadterweiterungsfonds. Im Ergebnis brachte die
dienstaufsichtsbehördliche Befundaufnahme keine Anhaltspunkte für
weiter zu verfolgende Dienstpflichtverletzungen. Im Zuge der
Prüfung wurde ua festgestellt, dass Sie sich als OStA-Leiterin
"jeglicher Handlung" in diesem Verfahren enthalten hatten.


Laut einem vorliegenden Amtsvermerk vom 7. Mai 2020 hatte Mag
.…  (Anm: in der Anfrage steht hier der Name einer
damaligen OStA-Sachbearbeiterin) bei ihrer Befragung durch
LOStA Fuchs auch bestätigt, von Ihnen 2015 keine Anweisung zur
Verfahrenserledigung erhalten zu haben.


Sie schränkte dies allerdings mit einem „aber“ ein: Demnach
hätten Sie sich "aus fachlichen Gründen skeptisch zu den
Grundlagen der Anklage gezeigt (Wörtlich laut Amtsvermerk: "Sie
zeigte sich aber aus fachlichen Gründen skeptisch zu den
Grundlagen der Anklage“). Können Sie diese Aussage gegenüber
Mag.a … getätigte Aussage bestätigen? Und wollen Sie uns
mitteilen, wie Sie damals zu dieser Einschätzung gelangt waren,
nachdem Sie sich zugleich für befangen erklärt hatten?


Dank für Ihre Bemühungen! Hochachtungsvoll, Michael
Nikbakhsh"



Die Vizepräsidentin antwortet am 31. Jänner, 22.26
Uhr


"Sehr geehrter Herr Nikbakhsh,

wie sie völlig richtig festhalten, habe ich mich „jeglicher
Handlung“ in diesem
Verfahren enthalten. Das Verfahren selbst wurde mit Freispruch
rechtskräftig beendet.
Eine konkrete Erinnerung an eine angebliche Skepsis, die
bereits Jahre zurück
liegen soll, habe ich nicht.
 


Es ist aber durchaus möglich, dass in diesem Verfahren
aufgetretene Rechtsfragen
- wie auch sonst - im Kollegenkreis der OStA Wien abstrakt
erörtert wurden, wobei
solche rechtlichen Diskussionen stets ergebnisoffen geführt
wurden.
Beste Grüße Eva Marek"


Ich antworte am 1.Februar. 20.18 Uhr


"Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin,
wollte mich auf diesem Weg noch für die Beantwortung bedanken.
Mit freundlichen Grüßen Michael Nikbakhsh"

Am 2. Februar, 5.30 Uhr, erscheint mein Podcast, in welchem ich
über die Recherchen zur Causa Stadterweiterungsfonds
berichte. 


Ab dem 3. Februar liegt der gemeinsam mit Fabian Schmid verfasste
Standard-Text (Printausgabe) vor, ab dem 4. Februar die
Onlinefassung


Am 3. Februar, 14.27 Uhr, erreicht mich Mareks erste
Reaktion auf die Berichterstattung. 


Sie kommt wieder über den Justiz-Account und ist eine Replik auf
meine Anfrage vom 31. Jänner. 


"… Sie wissen genau, dass das alles nicht stimmt,
von Ihnen bin ich wirklich enttäuscht, von Ihrem
Mitstreiter habe ich nichts anderes erwartet!"


Um 15.13 Uhr folgt ein zweites Mail der
Vizepräsidentin:


"… wie Sie auch ganz genau wissen, gab es keine
Erledigung
von Frau Mag … (Anm.: die damalige
OStA-Sachbearbeiterin), ich habe über Jahre über diese
Unwahrheiten
geschwiegen, aber das war jetzt wirklich zu viel... dass Ihr
Mitstreiter als politischer
Aktivist bezeichnet werden darf, sollte Ihnen  mit diesen
unglaublichen
Unwahrheiten zu denken geben!
Mir persönlich tut es leid, weil ich Sie ja eigentlich sehr
geschätzt habe!"


Um 15.15 Uhr ein drittes E-Mail: 


"… und Ihren Zynismus, dass Sie sich für meine
Antwort bedanken, brauche ich auch gar nicht!"


Um 15.28 Uhr dann das vierte: 


"... im Übrigen werden Sie mich nicht in den Tod
treiben..."


Um 15.30 Uhr das fünfte:


"... und wenn doch, wird Ihnen Ihr Mitstreiter herzlich
gratulieren!"


Um 18.41 das sechste, hier bin ich aber nur in
cc – es richtet sich an die frühere OStA-Sachbearbeiterin im Fall
Stadterweiterungsfonds, die heute Richterin am Oberlandesgericht
Wien ist: 


"Sie werden Verständnis dafür haben. dass ich diese
Lüge, Sie hätten einen aktenkundigen
Entscheidungsentwurf
in der Causa Stadterweiterungsfond erstellt, nicht
weiter
nicht kommentieren werde. 
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende
Eva Marek"


Ich antworte am 4.2. 20.46 Uhr


"Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Marek, 


wäre es dabei geblieben, dass Sie sich im Rahmen der
Beantwortung einer offiziellen (!) Medienanfrage derart im Ton
vergreifen - soll sein, ich bin milieubedingte Unmutsäußerungen
gewöhnt.


Was Sie sich hier herausnehmen, geht allerdings weit über das
Maß des Verzeihlichen hinaus. 


Sie haben einen nicht rechtskräftigen
Beschluss des OLG Wien vom 19.1. 2024 argumentativ
benutzt, um Fabian Schmid übelst in Diskredit zu
bringen. 


Dies zu einem Zeitpunkt, da der Standard und Koll. Schmid noch
prüfen, ob sie in dieser Sache ao Revisionsrekurs  beim OGH
erheben - bei jenem OGH, dessen Vizepräsidentin gar kein Hehl aus
Ihrer Voreingenommenheit macht – und Ihr persönliches Urteil
längst gefällt hat.


Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Sie dadurch auslôsen?


Sie haben in einem noch offenen Verfahren, das in einem
nächsten Schritt den OGH involvieren könnte, unmissverständlich
Partei ergriffen.


Im Ergebnis bedeutet das, dass der Standard und Fabian Schmid
unter keinen Umständen mehr ein faires Verfahren vor dem OGH mehr
erwarten können. Und zwar unabhängig davon, ob Sie sich wieder –
offiziell – für befangen erklären.


Als ob das nicht schon ungeheuerlich genug wäre, bezichtigen
Sie mich implizit, Christian Pilnacek in den Tod getrieben zu
haben – und explizit, es nunmehr auch bei Ihnen zu
versuchen. 


Und als ob das nicht ungeheuerlich genug wäre,
bezichtigen Sie Fabian Schmid, mir „herzlich zu gratulieren“ -
für den Fall, dass ich mit meinem Vorhaben Erfolg
hätte. 


Weil das alles immer noch nicht genug ist, unterstellen Sie
mir, absichtlich Unwahrheiten zu verbreiten. Angeblich wüsste
ich, dass "das alles“ nicht stimme. Was genau soll „das alles“
sein?


Und wo genau haben Sie gelesen, dass es eine „Erledigung“
vonseiten Mag.a … (Anm. die damalige Sachbearbeiterin der
OStA) gegeben habe? In dem Text steht, dass der Akt
damals unerledigt an Ihren Stv
gewandert ist. 


Wir hatten Sie gefragt, wie Sie die von Mag.a … beschriebene
„Skepsis“ erklären, wo Sie sich doch zugleich für befangen
erklärt hatten. So ausweichend und unschlüssig Ihre Antwort
darauf auch gewesen sein mag – wir haben diese
veröffentlicht. 


Hätten Sie Mag.a … im Rahmen Ihrer Beantwortung der Lüge
bezichtigt (wie Sie es jetzt tun), hätten wir auch das
veröffentlicht. 


Für den Fall, dass Sie mir weitere Ungeheuerlichkeiten
unterstellen wollen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass wir
hier keine private Kommunikation führen. All das geschieht im
Kontext meiner ursächlichen offiziellen Medienanfrage. 


Wir veröffentlichen das. Michael Nikbakhsh"



Darauf kam zunächst keine Antwort, weshalb ich am Nachmittag des
5. Februar das Justizministerium und den OGH-Präsidenten Georg
Kodek informierte. 


Kodek teilte mir umgehend mit, dass er mit der Vizepräsidentin
"ein ausführliches, sehr konstruktives Gespräch geführt" habe:
"Darin habe ich sie ersucht, auch in privater Kommunikation mit
Medienvertretern auch in Bezug auf Vorgänge, die nicht ihre
Funktion am Obersten Gerichtshof betreffen, das
Sachlichkeitsgebot zu wahren und von der Äußerung persönlicher
bzw. emotionaler Befindlichkeiten Abstand zu nehmen."


Und Kodek avisierte auch eine Nachricht Mareks. Sie werde in
einem E-Mail ihr Bedauern zum Ausdruck bringen.


 Das hat die Vizepräsidentin dann auch am 5.
Februar, 17.23 Uhr, getan. 


"Sehr geehrter Herr Nikbakhsh!

Ich möchte festhalten, dass meine emotionalen
Mails 
keine Reaktion auf Ihre offizielle Anfrage waren. Sie
waren
vielmehr Ausdruck meiner rein persönlichen
Enttäuschung
über die Berichterstattung, die ich nur Ihnen gegenüber
nicht
vorenthalten wollte.

Ich bedaure es sehr, wenn bei Ihnen der Eindruck entstanden
ist,
ich hätte Sie mit dem tragischen Ableben von Christian
Pilnacek in 
Zusammenhang gebracht. Das war keineswegs
beabsichtigt.

Dass es in der Causa Stadterweiterungsfonds
einen 
Erledigungsentwurf der Sachbearbeiterin gegeben haben
soll, 
der angeblich aus dem Akt "verschwunden" sein soll, war
einer
der Kernvorwürfe der seinerzeitigen anonymen
Strafanzeige
(Punkt 2.2.) unter anderem gegen mich - darauf bezog
sich
mein höchst missverständliches Mail.

Vielleicht haben Sie Verständnis, dass mich diese
fortlaufende
Berichterstattung über Jahre zurückliegende Vorgänge
betreffend
meine seinerzeitige - bereits mehr als sechs Jahre
zurückliegende - 
Funktion als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien, bei
denen 
ich mir nichts vorzuwerfen habe, an meine emotionalen Grenzen
 
stoßen lässt. 

Dennoch bedauere ich meine emotionale Reaktion und
werde
eine solche in Zukunft mit Sicherheit
unterlassen. 

Beste Grüße Eva Marek"


Was von diesem vorerst letzten Mail bleibt, ist, dass die
Vizepräsidentin des OGH die Kommunikation mit einem Journalisten
ins Private zu ziehen versucht, wo sie nicht hingehört. 


Und sie rückt auch nicht von ihren zentralen Vorwürfen gegen
Fabian Schmid und mich ab. 


Sie hat diese nicht zurückgenommen und sich dafür auch nicht
entschuldigt.    


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