#44 Die Signa-Krise: Jagdgesellschaften

#44 Die Signa-Krise: Jagdgesellschaften

Die insolvente Signa Holding hat einige Male Jagdgesellschaften im 2018 gepachteten Revier “Nickelsdorf-West” organisiert. Dazu wurden intern Einladungslisten erstellt: mit teils prominenten Namen aus Politik und Wirtschaft.
12 Minuten

Beschreibung

vor 11 Monaten

Das ist die 44. Ausgabe der Dunkelkammer und heute geht’s auf die
Jagd, im wahrsten Sinne.


Die insolvente Signa Holding hat einige Male Jagdgesellschaften
im Burgenland organisiert, dazu wurden intern umfangreiche
Einladungslisten erstellt – und auf diesen Listen finden sich
teils sehr prominente Namen aus Wirtschaft und Politik.


Die nachfolgende Recherche ist eine gemeinsame Arbeit mit Fabian
Schmid vom Standard, unsere Story ist am 30. November auf
derstandard.at erschienen.


Die Signa-Pleite. Was für eine Geschichte. Der Wunderwuzzi René
Benko hat sein Wunder verloren.


Die Signa Holding GmbH, also das Zentralgestirn dieses
weitverzweigten Konglomerats aus Hunderten Gesellschaften, die
konnte ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen und ist nun insolvent.


Es ist kein Konkurs, man will es mit einem Sanierungsverfahren in
Eigenverwaltung versuchen, Sanierungsverfahren, früher hieß das
bei uns übrigens Ausgleich. Da braucht es eine Quote für die
Gläubiger und das sind in dem Fall zumindest 30 Prozent innerhalb
von zwei Jahren.


Mal schauen, ob sich das ausgeht. Die Holding hat
Gesamtverbindlichkeiten von knapp 5 Milliarden Euro, auf der
Vermögensseite sollen Aktiva von rund 2,77 Milliarden verbucht
sein. Und es wird sich zeigen, wie viel davon zu echtem Geld zu
machen sind.


Am Ende ist alles nur das wert, was jemand bereit ist, dafür zu
bezahlen. Soweit es das bigger picture betrifft ist vieles noch
unscharf, aber es treten nach und nach Facetten hervor, die
bereits viel über das Innenleben der Signa erzählen.


Da wären zum Beispiel die Millionenhonorare für Alfred Gusenbauer
und Sebastian Kurz, von denen News zuletzt berichtet hat.


Und da wären eben auch die Signa-Jagdgesellschaften im
Burgenland, die ich mir mit Fabian Schmid angeschaut habe.


Uns wurden Signa-interne Jagd-Einladungslisten zugespielt, die
zeigen, wie man im Umfeld von René Benko Netzwerkpflege definiert
hat.


Räumlich spielt die Geschichte in einem Jagdrevier namens
„Nickelsdorf West“, das hatte die Signa Holding Anfang 2018
gepachtet.


Nickelsdorf West war eine von zwei Jagden der Signa, die zweite
gab in Tirol, eine sogenannte Hochgebirgspacht.


Nickelsdorf West ist eine so genannte Niederwildjagd, man schießt
dort also auf die Kleinen.


Also hauptsächlich Hasen und Fasane.


Bereits Ende 2018 wurden dort auf Einladung der Signa erste
Jagden organisiert, und bei der Zusammensetzung der
Jagdgesellschaften hatte man sich offenbar
einigesvorgenommen. 


Nach unserem Verständnis war die Erstellung der Einladungslisten
ein work in progress, davon gabs immer mehrere Versionen, da
kamen laufend Leute dazu und andere wieder weg


Wer am Ende tatsächlich bei den Jagden war, das geht aus diesen
Listen nicht hervor.



Aber ein paar Leute haben wir gefunden, die tatsächlich dabei
waren.


So zum Beispiel der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Johannes
Schmuckenschlager, er ist seit 2018 auch Präsident der
Landwirtschaftskammer Niederösterreich.


Er hat uns auf Anfrage bestätigt, bei zwei Signa-Jagden im
Burgenland dabei gewesen zu sein.


Schmuckenschlager legt Wert auf die Feststellung, dass das
„erlegte Wildbret“ von geringem Wert sei und man "erlegte Hasen
gegen Bezahlung mitnehmen" könne. Schmuckenschlager weiter: "Ich
stehe und stand zu diesem Zeitpunkt persönlich und in meinen
Funktionen in keinerlei geschäftlicher oder beruflicher
Verbindung zu Signa oder den von Ihnen angeführten Personen."


Schmuckenschlager sagt auch, dass er als Jäger öfter einmal zu
Jagden eingeladen wird, dabei aber stets auf die Compliance
achtet. Und er hat auch an keinen Trophäenjagden teilgenommen.


Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, auch er steht auf
einer Liste.


War er je bei einer Signa-Jagd? Nein, sagt sein Büro auf Anfrage.


Ich zitiere: „Es gab zwar Einladungen, aber kein Interesse an
einer Teilnahme.“


Josef Plank, früher Generalsekretär im ÖVP-regierten
Landwirtschaftsministerium, erinnert sich an eine Jagdeinladung
im Burgenland, sagt aber auch, er nehme "grundsätzlich an keinen
Jagden teil".


Dietmar Halper, der damalige Direktor der politischen Akademie
der ÖVP, er war eingeladen und er war auch dabei. Ich zitiere:
„Ich erinnere mich an zwei oder drei Jagden im Revier
Nickelsdorf an denen ich teilgenommen habe. Es wurde aus
Compliance-Gründen ein Teilnahme-Beitrag eingehoben, den ich
selbst bezahlt habe.“


Halper hat übrigens gemeinsam mit dem ÖVP-Anwalt Werner Suppan
das Buch "Korruption beim Kaffeetrinken? Eine Orientierung zum
Korruptionsstrafrecht für politische Amtsträger und Funktionäre"
verfasst.


Einige der angefragten Teilnehmer haben uns darauf hingewiesen,
dass der materielle Wert einer Niederwildjagd sehr, sehr gering
sei, nur damit wir da keine vorschnellen Schlüsse ziehen.


Ich sehe da ohnehin eher den ideellen Wert im Vordergrund.


Bei Gesellschaftsjadgen kommen die Leute zusammen. Man geht, man
schießt, man isst, man trinkt, man redet.


Soweit es jetzt die Signa betrifft, finden sich auf den Listen
auffallend viele Leute mit ÖVP-Bezug.


Der niederösterreichische ÖVP-Landeshauptfrau-Stellvertreter
Stefan Pernkopf zum Beispiel.


Er lässt ausrichten, dass nie eingeladen gewesen sei und folglich
auch nie teilgenommen habe.


Dann wären da unter anderem noch die beiden Ex-ÖVP-Vizekanzler
Josef Pröll und Wilhelm Molterer sowie der frühere
Gemeindebundchef und Immobilienfachmann Alfred Riedl,


wobei wir von ihnen nicht wissen, ob sie am Ende auch wirklich
eingeladen waren bzw. teilgenommen haben.


Einer der einmal dabei war, ist der frühere
Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad.


Er hat mir erzählt, dass er auf Einladung seines
Ex-Schwiegersohnes Christoph Stadlhuber vor fünf Jahren bei einer
Hasenjagd im Burgenland war.


Stadlhuber war bis 2011 Geschäftsführer der staatlichen
Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, und wechselte dann zur
Signa Holding in leitende Funktion. Und er war einer der
Gastgeber der Signa-Jagden im Burgenland.


Ja und wie es der Zufall so will, sollte auch Stadlhubers
Nachfolgers bei der BIG, Hans-Peter Weiss, zur Signa-Jagerei
eingeladen werden.


Weiss hat alle Einladungen ausgeschlagen, wie uns die
Pressestelle der BIG geschrieben hat.


Ich zitiere: „Wie schon bei früheren Medienanfragen klargestellt,
hat Herr Weiss erhaltene Einladungen zu Jagdgesellschaften mit
dem Hinweis auf Compliance-Gründen abgesagt, dazu liegen auch
schriftliche Absagen vor.“


Man betont auch, dass sämtliche Termine mit Vertretern der Signa
rein geschäftlicher Natur gewesen seien.


Gemeint sind damit wohl unter anderem die Verhandlungen rund um
das Wiener Postsparkassen-Gebäude.


Das hatte eine Signa-Firma 2014 von der Bawag für rund 150
Millionen Euro gekauft, dann stand es erst einmal lange leer, es
ist denkmalgeschützt, da kannst nichts umbauen,  und 2019
schloss dann die BIG mit der Signa-Firma einen Baurechtsvertrag
über 99 Jahre, um im PSK-Haus dort Teile des Unibetriebs
anzusiedeln.


Das ist schön, für die, die in dem Ambiente arbeiten dürfen und
es ist schön für den Eigentümer beziehungsweise den Wert der
Immobilie, denn einen auf Jahrzehnte gesehen zuverlässigeren
Mieter als den Staat, den gibt es nicht.


Die Signa Holding hat auf unsere Anfrage übrigens nicht reagiert.


Die ganze Geschichte hat mich an die Jagdgesellschaften der
Telekom Austria erinnert, die mich vor mehr als zehn Jahren
beschäftigt haben.


Das führt mich auch schon zur Schlusspointe.


Der Mann, der vor mehr als zehn Jahren für die Telekom Austria
Jagdgesellschaften zusammenstellte, der hat dann irgendwann den
Arbeitgeber gewechselt – und ist zur Signa gegangen … um dort
unter anderem Jagdgesellschaften zu organisieren.


Wenn ich so auf meine Arbeit schau, denk ich mir manchmal: Alles
bleibt wie immer.


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