#43 "Ich mache es nicht, ich kann es nicht, ich will es nicht": Das Pilnacek-Tape und dessen Hersteller

#43 "Ich mache es nicht, ich kann es nicht, ich will es nicht": Das Pilnacek-Tape und dessen Hersteller

Der Pilnacek Tape, wahlweise auch das Pilnacek-Audio: Das ist ein im Juli dieses Jahres heimlich aufgenommenes Gespräch, in dem der zwischenzeitlich verstorbene Sektionschef und Ex-Generalsekretär des Justizministeriums Christian Pilnacek schwere Vorwürfe
14 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Das ist die 43. Ausgabe der Dunkelkammer und sie erscheint aus
gegebenem Anlass wieder außerhalb der wöchentlichen Routine.


 Der gegebene Anlass ist das so genannte Pilnacek Tape,
wahlweise auch das Pilnacek-Audio.


 Das ist ein im Juli dieses Jahres heimlich aufgenommenes
Gespräch, in dem der zwischenzeitlich verstorbene Sektionschef
und Ex-Generalsekretär des Justizministeriums Christian Pilnacek
schwere Vorwürfe gegen die ÖVP im Allgemeinen, gegen den
amtierenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka im
Besonderen erhebt.


 Pilnacek sagt da, die ÖVP habe immer wieder bei ihm
interveniert, damit er in laufende Ermittlungen eingreife –
wogegen er sich stets gewehrt habe.


 Wolfgang Sobotka soll ihm deshalb vorgeworfen haben,
versagt zu haben.


 Was hat es mit dieser Aufnahme auf sich? Wer hat sie
gemacht und warum? Und was genau hat Pilnacek eigentlich gesagt?


Das will in dieser Ausgabe so gut wie möglich auflösen.


 Ich habe dabei unter anderem mit dem Mann gesprochen, der
die Aufzeichnung hergestellt hat.


 Das Pilnacek-Tape also.


 Es handelt sich um den Mitschnitt eines privaten Gesprächs,
aufgenommen am 28. Juli dieses Jahres in einem Wiener
Innenstadtlokal namens Cavalucci.


 Am Tisch sitzen damals drei Leute, Christian Pilnacek, ein
mit ihm eng befreundeter älterer Herr, er ist ein deutscher
Unternehmer,


  Nummer drei am Tisch ist Christian Mattura, ein
38-jähriger Niederösterreicher, auch er ist unternehmerisch
tätig, und auch er ist mit den beiden anderem am Tisch bekannt.


 Mattura ist auch der, der die Aufnahme herstellen wird.


 Später wird auch Richard Grasl dazustoßen, er ist ein
leitender


Angestellter bei Kurier und profil.


Grasl kommt nach eigener Darstellung allerdings zu spät, um das
zu hören, was Pilnacek über die ÖVP sagt.


 Ich kenne Christian Mattura tatsächlich schon einige Jahre
persönlich, wir haben uns aber irgendwann aus den Augen verloren.


 Ich habe ihn seinerzeit im Zusammenhang mit Recherchen im
Glücksspielmilieu kennengelernt, wo er damals unterwegs war,
heute nicht mehr, wie er mit am Telefon erzählt hat.


 Er hatte auch mal eine kurze politische Karriere beim BZÖ,
wer sich noch erinnert, da war er unter anderem Bezirksobmann in
Melk.


 Ist aber nun auch schon ein einige Jahre her.


 Mattura sagt, er habe an dem Tag Geburtstag gefeiert und
sei in dem Lokal zufällig auf Pilnacek und den deutschen
Unternehmer getroffen.


Ich zitiere ihn jetzt:


„Ich hatte überhaupt nicht vor, Pilnacek aufzunehmen. Als er
aber von sich aus angefangen hat, über die ÖVP zu reden, dachte
ich mir, bist du deppert, was der da erzählt, ich drücke jetzt
auf Aufnahme. Das ist spontan aus der Situation heraus entstanden
und sonst nichts.“


 Die Kronen Zeitung hat geschrieben, Mattura hatte womöglich
eine offene Rechnung mit Pilnacek und hat ihn deshalb
aufgenommen, weil er hoffte, dass Pilnacek sich selbst
kompromittieren würde.


 Was sagt er dazu?


 Ich zitiere wieder:


„Das ist völlig falsch. Es gab keine offene Rechnung. Ich habe
mich davor schon mehrfach mit Pilnacek getroffen und ich hätte
ihn jedes Mal aufnehmen können, hab‘s aber nicht getan.“


 Er sagt auch, dass er ursprünglich nie vorhatte, den
Mitschnitt zu veröffentlichen.


 Das wäre zu Pilnaceks Lebzeiten auch strafrechtlich ein
Problem gewesen.


 Denn es ist nicht erlaubt, Audio- oder Videoaufnahmen von
Leuten ohne deren Einwilligung weiterzugeben oder zu
veröffentlichen.


 Das erlischt zwar mit dem Tod, aber selbst Pilnaceks
Ableben sei hier nicht der Trigger gewesen, sagt Mattura.


 Ich zitiere weiter:


 


„Der Auslöser war Sebastian Kurz. Wie der versucht hat, den
Tod von Pilnacek für sich zu nutzen, da habe ich mir gedacht: Das
kann nicht sein, ich hab doch auf Band, wie Pilnacek über die ÖVP
geredet hat“


Erst nach Pilnaceks Tod soll dann auch der deutsche Unternehmer
von der Existenz des Mitschnitts erfahren haben und gemeinsam
hätten sie dann beschlossen, das Material der Kronen Zeitung und
dem ORF zu geben.


Tatsächlich hat Sebastian Kurz versucht, den Tod Pilnaceks für
seine Zwecke öffentlichkeitswirksam zu nutzen. Der Spin: Pilnacek
wurde von seinen Kritikerinnen und Kritikern, allen voran der
WKStA, in den Tod getrieben. Und jetzt wenden sich diese
Mechanismen quasi auch gegen Kurz.


 Dazu zweierlei:


 Erstens. Dass Pilnacek Suizid begangen hat, ist nach wie
vor nicht amtlich.


Zweitens: Es ist erstaunlich zu sehen, dass die ÖVP-Spitze von
Bundeskanzler Nehammer abwärts, die Veröffentlichung des
Pilnaceks-Tapes pietätlos nennt und von einer Störung der
Totenruhe spricht.


 Als Sebastian Kurz den Tod des Beamten für sich zu nutzen
versuchte, da fand das in der ÖVP hingegen niemand pietätlos.


Dass die ÖVP von einer politisch motivierten Attacke spricht, das
erstaunt wiederum nicht.


Das passiert in diesen Fällen immer.


Mit Blick auf die handelnden Akteure konnte ich bisher jedenfalls
keinen parteipolitischen Konnex herstellen.


 So was ist nun drauf, auf diesem Tape.


 Der gesamte Mitschnitt soll rund 80 Minuten lang sein, die
entscheidenden Passagen, die auch an Medien weitergegeben wurden,
die sind allerdings nur zehneinhalb Minuten lang.


  Ich habe mit meinem Produzenten Stefan Lassnig lange
diskutiert, wie wir damit umgehen sollen.


 Wir sind der festen Überzeugung, dass es sich hier um ein
eminent wichtiges zeitgeschichtliches Dokument handelt, das von
größtem öffentlichen Interesse ist, weshalb wir die zentralen
Passagen im Podcast ausspielen.


 Auch deshalb weil Christian Pilnacek sich auf dem Tape
nicht selbst belastet, er schafft auch keine Form von
Rechtfertigungsbedarf.


Wir hören vielmehr die Stimme eines Beamten, der eindrücklich,
wenn auch mit etwas schwerer Zunge, schildert, wie er von der ÖVP
unter Druck gesetzt beziehungsweise fallen gelassen wurde.


 Er zeichnet das Bild eines wehrhaften Beamten, der all
diesen politischen Interventionen standgehalten hat, weil er sich
immer dem Rechtsstaat verpflichtet fühlte.


 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass ich in den
vergangenen Jahren in profil mehrere Berichte veröffentlicht
habe, die das teils problematische Amtsverständnis Pilnaceks
thematisierten, aber darum soll es jetzt nicht gehen .


 Dafür ist der Inhalt des Gesagten schlicht zu bedeutsam.


Pilnacek kommt immer wieder auf das Telekom-Verfahren zu
sprechen, das war ein Parteispendenskandal vor mittlerweile zehn
Jahren.


Damals war aufgeflogen, dass die Telekom mit viel Geld politische
Landschaftspflege betrieben hatte.


 Bei der ÖVP, aber nicht nur dort.


 2013 hatte die Staatsanwaltschaft Wien der ÖVP-Zentrale in
einen Besuch abgestattet, wofür Pilnacek nach eigener Darstellung
schon damals heftige Reaktionen aus der ÖVP bekam.


Die Justizministerin hieß 2013 noch Beatrix Karl, sie ist neben
Wolfgang Sobotka die einzige Person, die Pilnacek namentlich
nennt.


 Sonst spricht nur unbestimmt von der ÖVP oder von man oder
die.


Sobotka und Karl haben bereits reagiert. 


Und beide weisen den Vorwurf politisch motivierter Interventionen
zurück.


Christian Pilnacek wurde von der WKStA, der Justizministerin,
missliebigen Medien und der Opposition unter Druck gesetzt. Das
sagen die einen.


 Christian Pilnacek wurde von der ÖVP unter Druck gesetzt.
Das sagt er selbst, zumindest in diesem Ausschnitt.


Die Dunkelkammer ist ein Stück Pressefreiheit. 


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