Folge 23: Schwimmen mit Strand

Folge 23: Schwimmen mit Strand

32 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr
Diesmal sind wir im Strandbad Plötzensee, ganz ohne Chlor, aber mit
viel guter Musik. Das Strandbad gehört zwar auch den Berliner
Bäderbetrieben, ist aber verpachtet - seit 2019 an den
begeisternden und begeisterten gebürtigen Niederländer Michel
Verhoeven. Erkennungzeichen: Gelbe Gummistiefel. Egal, bei welchem
Wetter. Verhoeven hat das Strandbad Plötzensee wieder zu einer Oase
mitten im Berliner Großstadtgetümmel gemacht. Der Mann hat
Erfahrung mit Wasser und Sand: Rund 25 Jahre betrieb er eine
Strandbar in der Nähe von Amsterdam. Ihm gelingt das Kunststück,
dass sich hier Familien genauso wohl fühlen wie chillige Hipster,
die sich bei loungiger Musik an der Bar, in der Sauna oder beim FKK
entspannen. Und auch Sportschwimmer:innen sind willkommen - nicht
zuletzt in den im See abgetrennten 50-Meter-Bahnen. Alle immer
überwacht von den Bademeistern vor Ort, damit nichts schief gehen
kann. Hier gibt es so viel zu erzählen - wir wissen gar nicht, wo
wir anfangen sollen. Da ist der Plötzensee, der so heißt, weil hier
einst Schwärme von Plötzen gab. Auch heute tummeln sich Hechte,
Karpfen, Zander und Aale in dem rund 7 Meter tiefen Gewässer. Der
Sage nach entstand der Plötzensee, weil ein gewaltbereiter
Dorfschulze (eine Art Bürgermeister) einen Geist verärgerte und
dieser aus Rache dessen Dorf flutete. Wirklich wahr ist, dass es
hier schon im 19. Jahrhundert ein Strandbad gab - mit einem
Schaufelrad für Wellen, einem Sprungturm und getrennten Bereichen
für Frauen und Männer: Das Auerbachsche Wellenbad, benannt nach dem
Besitzer, dem Turn- und Fechtlehrer Wilhelm Auerbach, der auch dem
Auerbachsalto seinen Namen gab. Das Strandbad, so wie man es heute
kennt, entstand an der Westseite des Sees in den 1920er Jahren, als
Freizeitort für im Wedding lebende Arbeiter:innen. Bis zu 10.000
Besucher:innen kamen damals am Tag, auch der Tarzan-Darsteller und
mehrfache Olympiasieger Johnny Weissmüller soll hier seine Bahnen
gezogen haben. Die 100-Meter-Bahn und der 10-Meter-Sprungturm
überlebten jedoch den Zweiten Weltkrieg nicht. Doch auch zu
Mauerzeiten verlor das Bad nicht an Attraktivität. Statt nach
Italien, Mallorca oder Griechenland zog es unzählige Familien in
den Sommerferien auf das weitläufige, parkähnliche Gelände des
Strandbads. So manche pochten im Laufe der Jahre sogar auf den
immer gleichen Platz, hat uns Verhoeven schmunzelnd erzählt. Noch
heute kommen Familienväter und -mütter von einst ins Strandbad und
schwelgen in alten Zeiten. In den 2000ern verlor das Strandbad ein
wenig an Anziehungskraft. Verhoeven, der als gebürtiger
Niederländer natürlich im Wohnwagen mit seiner Familie auf dem
Gelände lebt, hat es geschafft, dass es jetzt innerhalb von vier
Jahren zum am besten bewertetsten Strandbad Berlins geworden ist.
Zum hundertjährigen Jubiläum 2025 will der 55-jährige das auch
gebührend feiern - mit Bands, die unentgeltlich hier spielen und so
vielleicht sogar freien Eintritt für den ganzen Sommer möglich
machen. Auch ein Buch über die wechselvolle Geschichte soll es
geben. Bis dahin ist noch viel zu tun: Das edukative Kinderdorf
fertig bauen. Den Fahrradparkplatz vergrößern. Energie selbst
erzeugen. Das denkmalgeschützte Gelände braucht vor allem
Investitionen, Ideen und Detailarbeit. Verhoeven zieht sich die
Chlorgesänge-Badekappe auf und reckt den Daumen nach oben. Mit
seiner Energie wird er das wohl schaffen. ACHTUNG - auch das soll
nicht unerwähnt bleiben: Außerhalb des Strandbads ist das Schwimmen
im Plötzensee verboten - auch wenn sich viele nicht daran halten.
Der See liegt nämlich mitten im Landschaftsschutzgebiet, seine Ufer
sind ein wertvolles Refugium für Wasservögel, Libellen, Amphibien
und viele andere Tiere!

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