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Beschreibung
vor 10 Monaten
Ein so gebildeter und talentierter Autor wie Ludwig Tieck weiß
natürlich, wie ein eindrucksvoller Novellen-Anfang gestaltet
werden sollte. Gleich rein in das Ereignis. Allerdings: Was genau
geschah, bleibt zunächst unaufgeklärt. Wir lesen/hören zu Beginn
der Novelle „Des Lebens Überfluss“ etliche Versionen des
möglicherweise Geschehenen, Vermutungen, mit vielen
phantasiereichen Katastrophen- und Skandalvorstellungen
Unbeteiligter. Und nun ja, als Cervantes- und
Shakespeare-Übersetzer war Tieck natürlich geübt in der
Einbindung diverser Sprechweisen und der Darstellung von Menschen
jeweils ganz unterschiedlicher Herkunft. Könnte man meinen. Doch
es ist schon erstaunlich, welch vielfältige Perspektiven dieser
Autor innerhalb weniger Zeilen erzählerisch im Hörer und Leser zu
öffnen imstande war. Und auf diesem erzählerischen
Darstellungsniveau geht es weiter. „Des Lebens Überfluss“ ist
sicher einer der literarischen Höhepunkte im vorletzten
Jahrhundert.
Tieck schrieb diese mustergültige Novelle im Jahr 1837, und ihm
gelang ein Text, der zwar als typisch für seine Entstehungszeit
gilt, hinsichtlich seiner Originalität jedoch ganz
außergewöhnlich ist. Typisch, charakteristisch für viele deutsche
Erzählwerke im 19. Jahrhundert ist das dargestellte
Aufeinanderprallen des sich gesellschaftlich formierenden
Materialismus im aufblühenden Kapitalismus einerseits und des
individuellen, privaten Idealismus andererseits. Originell ist
vor allem die dauernd spürbare und immer wieder neu entfaltete
ästhetische Verknüpfung von Tragischem und Komischem. In nahezu
jeder Szene. Clara und Heinrich, den beiden Liebenden, scheint es
– objektiv betrachtet – an vielem zu fehlen, doch sie selbst
halten schon eine zweite Schüssel in ihrem Haushalt für
überflüssig. Wichtig scheinen lediglich die innige, liebevolle
Gemeinschaft, das Erzählen aus der Vergangenheit und – vor allem
für Heinrich – das fiktive Erzählen zu sein, die Literatur also,
für die hier die Namen Chaucer und Shakespeare stehen. – Und was
war das nun für ein Ereignis? Dazu mehr in den nächsten Folgen.
(In „Breaking Bad“ weiß man/frau ja schließlich auch lange nicht,
was es mit dem Teddybär im Swimmingpool auf sich hat ...)
Eva Schröer liest, und wenn wir ihrer Lesung folgen, können wir
uns gar keine andere mehr vorstellen – so überzeugend ist der
Vortrag, so nah bleibt sie am Text. Veröffentlicht wird heute der
erste Teil.
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