100 Prozent Ökostrom: Geht das überhaupt? (Florian Haslauer)

100 Prozent Ökostrom: Geht das überhaupt? (Florian Haslauer)

35 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Die Politik verspricht das baldige Ende des fossilen Zeitalters.
Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung werde es gelingen, (fast)
ausschließlich Energie aus Sonne, Wind und Wasser zu verwenden.
Doch die Realität sieht anders aus, sagt Florian Haslauer,
Partner und Geschäftsführer des Consultingunternehmens e.venture,
im aktuellen Podcast der Agenda Austria. 


Österreich habe durch einen höheren Anteil an Wasserkraft bessere
Bedingungen als Deutschland. Dennoch würden 100 Prozent Ökostrom
(bilanziell) immer noch bedeuten, dass tausende Stunden im Jahr
mit anderen Energiequellen bedient werden müssen – zum Teil wohl
mit Atomstromimporten aus dem europäischen Ausland. Das größte
Problem von Strom aus Sonne und Wind liege ja auf der Hand: Die
Produktion funktioniert nur bei entsprechender Wetterlage. „Sie
haben zu manchen Zeiten viel zu viel Strom und zu anderen Zeiten
viel zu wenig“, erklärt der Experte.


Schon jetzt gebe es vor allem im Sommer Tage mit enormer
Überproduktion. Dann müssen die Netzbetreiber Windkraftanlagen
vom Netz nehmen. „Oder die deutsche Bahn heizt im Sommer Weichen,
um den Strom zu verbrauchen. Bei einem Überangebot, also bei
negativen Preisen, wird sie dafür sogar bezahlt.“ Es gebe aber
auch intelligentere Wege, den Überschuss zu verwerten, räumt
Haslauer ein. „In der Zukunft eine größere Rolle spielen wird
sicher die Erzeugung von grünem Wasserstoff mit diesem
Überschussstrom. Das könnte einen wichtigen Beitrag leisten.“


„Die Sonne schickt keine Rechnung“, sagt Umweltministerin Leonore
Gewessler gerne, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energie geht.
Das stimmt natürlich. Aber heißt es auch, dass der Strom für die
Kunden immer billiger wird, je größer der Anteil von Sonne, Wind
und Wasserkraft wird?  Leider nein, sagt Haslauer. „Wir
hatten lange einen sehr niedrigen Strompreis, zwischen 30 und 40
Euro pro Megawattstunde oder drei bis vier Cent je
Kilowattstunde. Wir erwarten für die Zukunft einen Preis von 100
bis 120 Euro je Megawattstunde, als das zwei- bis
zweieinhalbfache. Aus meiner Sicht werden wir damit leben müssen.
Allein die Erneuerbaren haben Gesamtkosten zwischen 60 und 100
Euro pro Megawattstunde. Die Sonne schickt zwar keine Rechnung,
aber der Installateur tut es und der Hersteller der
Photovoltaik-Paneele.“ Es werde der Politik möglicherweise auf
den Kopf fallen, dass sie seit Jahren praktisch das Gegenteil
behaupte, befürchtet Haslauer. Die viel gescholtene Merit-Order
ist in seinen Augen übrigens nach wie vor ein sinnvolles System.
„Es bildet die Angebotskurve ab und liefert Preissignale –
kurzfristig und langfristig. Die Alternative wäre ein
planwirtschaftliches System, und da frage ich mich, wie man das
organisieren will.“


Grundsätzlich sei die Umstellung auf Strom sinnvoll, meint der
Experte, weil  die Effizienz der eingesetzten Energie in der
Regel höher sei als bei Öl und Gas. „Das heißt, insgesamt
reduzieren wir den Energieverbrauch. Aber wir werden natürlich
viel mehr Strom brauchen als jetzt, die Menge wird sich fast
verdoppeln. Und damit braucht man auch mehr
Backup-Kapazitäten.“ 


Die Debatte über die Energiewende sei zum Teil leider stark
ideologiegetrieben, kritisiert Haslauer. Er hoffe aber sehr, dass
sich zunehmend die Fakten durchsetzen werden. Die Bürger müssten
sich wohl mit ein paar unangenehmen Wahrheiten auseinandersetzen:
„Eine Umstellung des Systems auf Erneuerbare wird die Kosten
nicht senken, sondern erhöhen. Wir gehen davon aus, dass wir in
Österreich bis 2030 von einer zweistelligen Milliardensumme
reden. Das ist stemmbar, aber wir können nicht erwarten, dass
alles der Staat zahlt.“


 


 


 

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