Ist China ein Partner oder ein Feind? (Susanne Weigelin-Schwiedrzik)

Ist China ein Partner oder ein Feind? (Susanne Weigelin-Schwiedrzik)

42 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Die Zusammenarbeit mit China ist für den Westen zuletzt
schwieriger geworden. Präsident Xi Jinping tritt enorm
machtbewusst auf, und China verweigert sich den westlichen
Sanktionen gegen Russland. Was sollte der Westen tun, falls China
wirklich eines Tages im demokratischen Taiwan einmarschiert? Und
wie ist der radikale Schwenk in der Coronapolitik zu
interpretieren? 


Susanne Weigelin-Schwiedrzik war viele Jahre lang Sinologin an
der Uni Wien und gilt als ausgewiesene Expertin für die
chinesische Politik, Wirtschaft und Lebensart. Sie warnt im
Podcast der Agenda Austria davor, die – letztlich erfolgreichen –
Proteste chinesischer Bürger gegen die Covid-Politik falsch zu
verstehen. Um mehr Freiheit in einem abstrakten Sinn oder gar um
den Wunsch nach Demokratie sei es dabei nicht gegangen: „Die
Leute haben gekämpft – aber vor allem darum, dass sie wieder
arbeiten gehen und Geld verdienen können. Durch Null-Covid sind
viele Menschen in eine Situation geraten, in der ihnen einfach
das Geld ausging. Es gibt in China kein soziales Auffangnetz“,
sagt Weigelin-Schwiedrzik. 


Die rigorose Pandemiebekämpfung habe verheerende wirtschaftliche
Folgen gehabt und sei wohl hauptsächlich deshalb an ihr Ende
gekommen, meint die Expertin. Überraschend daran sei höchstens
der Zeitpunkt: „Die kommunistische Partei Chinas vermeidet gerne
den Eindruck, dass Proteste auf der Straße ihre Entscheidungen
beeinflussen.“


Die Taiwan-Frage sei für China zuletzt wichtiger geworden, weil
diese nun auch eine geopolitische Dimension bekommen habe. Wieder
gehe es letztlich darum, ob die USA ihre Hegemonie in dieser
Region behaupten können. Vom Plan, die aus Sicht Chinas
abtrünnige Provinz wieder zu einer von Peking gesteuerten Provinz
zu machen, werde China sicher nicht abrücken, meint
Weigelin-Schwiedrzik. „China will im Augenblick eine militärische
Operation gegen Taiwan vermeiden. Alle wissen, dass eine solche
höchst riskant wäre. Würde man das versuchen und nicht
erfolgreich sein, könnte die Legitimation des gesamten Regimes in
Frage gestellt werden. Stattdessen übt man jetzt Druck auf Taiwan
aus. Ziel ist eine Spaltung der Eliten in Taiwan.“


Im Kampf gegen den Klimawandel sei China sicher nicht der
zuverlässige Partner, den man sich wünschen würde, meint sie. „An
erster Stelle steht für chinesische Unternehmer die
wirtschaftliche Entwicklung.“ Deshalb werde man nicht freiwillig
auf Geschäfte verzichten, nur um die globale CO2-Bilanz zu
verbessern. Bei aller berechtigten Kritik plädiert
Weigelin-Schwiedrzik aber dafür, auch die andere Seite zu sehen:
„China hat ein sehr ausgefeiltes gesetzliches Instrumentarium für
den Umweltschutz. Diese Gesetze werden auch immer wieder
angewendet. Deshalb kommt es vor, dass plötzlich mehrere hundert
Unternehmen plötzlich ihre Tore schließen müssen, weil ihre
Produktionsweise nicht mit den Gesetzen im Einklang steht.“ Wie
bei allen wichtigen Fragen wolle China auch beim Klimaschutz die
Nummer eins werden. Einzelne Handlungen mögen diesem Ziel im Wege
stehen, aber der Ehrgeiz sei durchaus vorhanden. 


Das mittelfristige geopolitische Ziel von Staatspräsident Xi
Jinping sei ganz klar, meint die Sinologin: „China will im
Zentrum der Weltpolitik stehen, als zweite Supermacht neben den
USA. Dann könnte man sich, sozusagen unter Männern, auf eine
Aufteilung der Welt einigen. Europa gehört übrigens zu den
Regionen, in denen China gerne machen möchte, was es will.“


Susanne Weigelin-Schwiedrzik, 67, Die gebürtige Deutsche
studierte Sinologie in Bonn und in Peking. Sie war
Universitätsprofessorin in Heidelberg (1989 bis 2002) und in Wien
(2002 bis 2022). Sie ist korrespondierendes Mitglied der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

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